Die unvergessliche Schrift

Forscher haben einen Computerfont entwickelt, der so komplex ist, dass Nutzer sich Texte besser einprägen.

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Die unvergessliche Schrift

(Bild: RMIT University)

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Die Informationsflut, die das Internet mit sich bringt, sorgt dafür, dass Gelesenes oft erstaunlich schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwindet. Wir nehmen viel mehr und viel schneller Daten und Fakten auf als jemals zuvor, doch es bleibt scheinbar immer weniger haften. Aber wie sorgt man dafür, dass das nicht passiert?

Eigentlich gilt ja folgendes: Je einfacher sich eine Schrift lesen lässt, desto besser – sollte man meinen. Ein Team am australischen Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT), darunter Designer und Verhaltenspsychologen, ging nun genau den gegenteiligen Weg: Es hat eine Schrift mit Stolpersteinen entwickelt, um den Lesefluss zu bremsen. Dadurch soll das Gelesene länger im Gedächtnis haften bleiben.

Kognitive Psychologie habe die Art der Schriftgestaltung beeinflusst, so die Macher.

(Bild: RMIT University)

Die Schriftart hört auf den Namen "Sans Forgetica", das bedeutet "unvergesslich" und spielt auf die serifenlose Schriftart Helvetica an. Die Buchstaben von Sans Forgetica sind löchrig, nach links geneigt und haben jeweils eigenwillige Höhen und Abstände. Auf einzelnen Worten und Sätzen bleibt das Auge länger "kleben". Sans Forgetica soll sich insbesondere für die Lektüre von Fachtexten und Lernmaterialien eignen, so die Macher um die Verhaltenswissenschaftlern Dr. Janneke Blijlevens und den Typografen Stephen Banham. Letzterer probierte im Verhaltensforschungslabor des RMIT (Behavioural Business Lab) verschiedene Varianten durch und filterte dann das beste Ergebnis heraus.

In einer Untersuchung mit 400 Studenten schlug die Schriftart traditionelle Computerfonts, wenn es darum ging, Inhalte zu behalten – gestört hat das ungewöhnliche Design nach Angaben der Forscher jedoch kaum, sobald sich die Probanden etwas eingewöhnt hatten. Im Vergleich zur beliebten Windows-Schriftart Arial blieb Lernmaterial um immerhin 7 Prozent besser hängen – eine statistisch signifikante Zahl.

Ob Sie sich diesen Satz besser merken können?

(Bild: RMIT University)

Die Schrift folgt einer psychologischen Theorie, die sich "erwünschte Erschwernis" nennt. Dabei werden Lernenden bewusst mit Schwierigkeiten im Lernprozess konfrontiert, die ihr Gehirn dann überwinden muss. So lernt man mit Karteikärtchen beim Vokabeltraining beispielsweise besser, als wenn man sich nur einen Wortschatz länger ansieht: Die Erschwernis wird Teil des Lernprozesses.

Damit Sans Forgetica in möglichst viele Hände gerät, haben die Forscher am RMIT den Font kostenlos zum Download bereitgestellt. Dann kann man eigene Texte in ihr Abfassen oder Vorhandenes in Word und Co. einfach umwandeln. Alternativ lassen sich auch direkt auf der Website des Projekts kurze Texte eingeben und ausprobieren, wie sie wirken.

Nicht schön, aber nützlich.

(Bild: RMIT University)

Besonders praktisch: Die Forscher haben auch ein Plug-in für den beliebten Browser Chrome entwickelt, mit der sich jeder Onlinetext in Sans Forgetica umwandeln lässt. So kann man einen Fachartikel oder einen Zeitungsbeitrag gleich direkt in der Schrift anzeigen, ohne dass man händisch mit Kopieren und Einfügen tätig werden müsste.

(bsc)