Metall auf Metall: EuGH stärkt Sampling

Der Europäische Gerichtshof stärkt im Rechtsstreit um ein Kraftwerk-Sample den Musikproduzenten Moses Pelham – und stellt das deutsche Urheberrecht in Frage.

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Metall auf Metall: EuGH stärkt Sampling

Kraftwerk spielen ein Konzert in der Berliner Nationalgalerie (2015).

(Bild: Shutterstock/360b)

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Im jahrelangen Rechtsstreit um die musikalische Wiederverwertung einer Rhythmussequenz aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall" hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Sampling ohne Einverständnis des Urhebers nicht zwingend dessen Rechte verletzt. Mit seinem am Montag veröffentlichten Urteil weicht der EuGH von der harten Linie des Generalanwalts ab und stärkt die Position des beklagten Musikproduzenten Moses Pelham – und kippt eine deutsche Sonderregelung (Rechtssache C-476/17).

In dem Verfahren geht es um eine kurze Rhythmussequenz aus dem Titel "Metall auf Metall" der deutschen Elektro-Pioniere Kraftwerk, die Pelham ohne Genehmigung in dem 1997 erschienenen Stück "Nur mir" von Sabrina Setlur verwendet hatte. Dagegen hatte Kraftwerk-Gründungsmitglied Ralf Hütter 2004 Klage eingereicht und war durch die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof (BGH) erfolgreich.

Der BGH musste sich nun schon zum dritten Mal mit dem Fall befassen, nachdem das Bundesverfassungsgericht gerügt hatte, dass in den vorangegangen Entscheidungen die Kunstfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die Karlsruher Richter verwiesen das Verfahren dann mit einigen konkreten Fragen an den EuGH, der jetzt die Position Pelhams gestärkt hat. In dem Verfahren dort hatte der Generalanwalt argumentiert, die Schutzrechte gelten für das gesamte Werk und damit auch für kürzeste Audiofragmente.

Dem ist das Gericht in seinem Urteil nicht gefolgt: Die Technik des Samplings sei eine "künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 der Charta geschützte Freiheit der Kunst fällt", entschied der EuGH. Sampling könne zwar "einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellen, wenn es ohne dessen Zustimmung erfolgt". Aber: Die Nutzung eines Audiofragments "in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form stellt jedoch auch ohne Zustimmung keinen Eingriff in diese Rechte dar." Auch sei ein Sample, mit dem ein neues und vom Ursprungswerk "unabhängiges Werk" geschaffen werde, keine Kopie im rechtlichen Sinne.

Der EuGH betont zwar das ausschließliche Recht der Tonträgerhersteller, "die Vervielfältigung ihrer Tonträger ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten". Auch die Vervielfältigung eines sehr kurzen Stücks sei rechtlich gesehen "grundsätzlich eine teilweise Vervielfältigung". Wenn ein Nutzer hingegen "in Ausübung seiner Kunstfreiheit" dem Tonträger ein "Audiofragment entnimmt, um es in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form in ein neues Werk einzufügen", liege keine Vervielfältigung vor.

Weiter stellt der EuGH fest, wenn ein genutztes Sample seine Herkunft klar erkennen lässt, dies "unter bestimmten Voraussetzungen ein Zitat sein kann" – insbesondere dann, "wenn die Nutzung zum Ziel hat, mit diesem Werk zu interagieren". Inwiefern diese vom EuGH bestätigten Ausnahmen für das strittige Stück von Pelham und Sabrina Setlur gelten, hat nun erneut der BGH zu bewerten.

Darüber hinaus trifft der EuGH eine für das deutsche Urheberrecht weiterreichende Feststellung. Auf die Frage des BGH nach Regelungsspielräumen für die nationale Gesetzgebung betont das Gericht, dass das europäische Recht hier abschließend ist. Die im deutschen Urheberrecht vorgesehene Ausnahme für Werke, die in "freier Benutzung" eines Werks eines Dritten geschaffen wurden, ist laut EuGH "nicht mit dem Unionsrecht vereinbar".

Dem deutschen Urheberrecht zufolge stellen Werke, die in "freier Benutzung" eines Werks eines Dritten geschaffen wurden, keine Rechtsverletzung dar (§24 UrhG). Das betrifft etwa eine Collage aus zahlreichen Fotografien, die einzeln jeweils urheberrechtlich geschützt sind. Eine solche Collage durfte bisher ohne Zustimmung der Urheber der benutzten Fotos veröffentlicht und verwertet werden. Dies gilt allerdings nicht für Musikwerke, deren "Melodie erkennbar" genutzt wurde.

Der BGH hatten bei der Vorlage des Verfahrens in Luxemburg im Hinblick auf die ungenehmigte Nutzung von Werken wissen wollen, ob EU-Mitgliedsstaaten Einschränkungen des EU-Rechts wie im Paragraph 24 in der nationalen Gesetzgebung überhaupt vornehmen dürfen. Das hat der EuGH verneint.

Update: EuGH-Entscheidung zur Ausnahme für "freie Benutzung" in den letzten drei Absätzen klarer ausgeführt. (vbr)