Tiefer Fußabdruck

Weltüberlastungstag: es ist mal wieder soweit, wir haben den Jahresvorrat der Speisekammer Erde schon im Sommer geleert. Und wir schauen weiter zu.

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Weltüberlastungstag – ein sperriges Wort für ein schweres Erbe. Gestern war es soweit: Wir Menschen haben weltweit mehr natürliche Ressourcen verbraucht, als die Erde nachliefern kann. Dabei geht es nicht um seltene Metalle, Edelsteine oder Gelee Royal. Es geht um die Basis: Wasser, Luft, Land, Holz. Ein Tag, den Umweltschützer des Global Footprint Network jedes Jahr ausrufen, aber selten hat der Ruf so sehr ins Mark getroffen, wie in diesem Jahr. Und in jedem Jahr liegt er ein paar Tage früher.

Die Auswirkung, die unser Raubbau auf diesen herrlichen Planeten hat, kann inzwischen jeder spüren. Mal heiß, mal trocken, mal sehr stürmisch – das ist nur Wetter, das ist Zufall... So haben wir in den letzten Jahren immer noch die Prognosen über den Klimawandel verdrängen können und den nächsten Urlaub mit dem Flieger gebucht. Aber seit diesem Jahr ist nicht mehr zu übersehen, dass hinter heiß, trocken und stürmisch System steckt.

Bedauerlich, dass wir einen speziellen Tag benötigen, um auf das Problem der Überlastung aufmerksam zu machen. Mit Temperaturen jenseits der 40 Grad Celsius in Deutschland, Arten- und Waldsterben werden wir täglich konfrontiert, aber wir tun nichts. Wenn man sich umschaut, scheint uns das alles nichts anzugehen. Und am Wochenende Rad zu fahren reicht leider nicht aus, um die Erde von uns zu entlasten – zumal inzwischen das Gros der Freizeitradler mit E-Bikes statt mit rein biologischer Muskelkraft unterwegs ist. Weil es so bequem ist.

Und da liegt vermutlich der Hase im Pfeffer. Es geht uns an den Komfort. Um das Ruder rumzureißen, müssen wir uns aus der Komfortzone bewegen und an so vielen Schrauben gleichzeitig drehen, dass wir vor lauter Erschöpfung über diese Gedankengänge gleich den nächsten Flug in den Erholungsurlaub buchen.

Haben Sie Kinder? Schauen Sie sie gut an: Sie sind die Erben der Erschöpfung, die wir der Erde jedes Jahr aufbürden. Der Ruf unserer Kinder von "Fridays for Future" – "Es ist unsere Zukunft" – trifft den Kern. Wir haben die Pflicht, unseren Kindern den Weg in eine gute Zukunft zu ebnen. Sie sollen es besser haben, als wir. Aber das wird schwierig. Und wenn einige wenige ihren Lebensstil überdenken und bewusste Entscheidungen für ein nachhaltiges Leben treffen – das übrigens nicht zwingend in einer Waldhütte mit schmierigen Haaren und einem Fuchsfell um den Hals enden muss – reicht das leider nicht.

Ja, andere Länder hinterlassen einen noch schlechteren Fußabdruck als wir – aber ist es schlau, sich an den schlechteren zu messen? Ja, das Problem ist komplex und keiner weiß so genau, welche Maßnahmen wirklich greifen. Ja, selbst wenn wir unser Verhalten grundsätzlich ändern, halten wir den Prozess der Veränderung nicht gleich auf. Also ist die Konsequenz: nichts tun. Und nach der Politik schreien. Die Politik muss eingreifen, eine CO2-Steuer muss her, selbst die Wissenschaft lehnt sich politisierend mit einem Leitpapier der Leopoldina aus dem ansonsten neutralen Fenster. Die Botschaft ist so banal, dass man sich fragt, ob wir dafür eine Wissenschaftselite benötigen: Wer Dreck macht, muss dafür zahlen.

Das ist letztlich ein Armutszeugnis für die Menschheit. Haben wir so wenig Selbstverantwortung, dass nur Schmerz (in diesem Fall finanzieller Verlust) uns dazu bringt, nachhaltiger zu leben? Oder reicht selbst dieser Schmerz nicht aus? Die Zeit wird es zeigen, sie wird sicher heiß, trocken und stürmisch.

(jsc)