Massenüberwachung: Pentagon setzt auf Spionage-Ballons in der Stratosphäre

Das US-Militär testet ein Auge im Himmel in Form eines solarbetriebenen Hightech-Ballons. Bürgerrechtler schlagen Alarm.

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Startvorrichtung für Project Loon Ballon

Startvorrichtung für Loon-Ballons, die ebenfalls von Raven Aerostar gefertigt werden.

(Bild: Alphabet X)

Lesezeit: 4 Min.
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Satelliten, Flugzeuge und Drohnen sind dem Pentagon nicht mehr genug. Das US-Militär erprobt nun zur breitflächigen Überwachung von Menschen und Gegenständen auf der Erde auch über einigen Bundesstaaten im Mittleren Westen in der Stratosphäre fliegende Ballons, die mit Solarstrom angetrieben werden. Die in Höhen zwischen 18 und 20 Kilometer stationierten unbemannten Flugobjekte sind mit ausgefeilten Radarsystemen und Videokameras ausgerüstet, sodass sie etwa die Bewegungen von Autos oder Booten unbemerkt aus dem Himmel heraus bei jedem Wetter verfolgen können.

Für Versuch an einer rund 400 Kilometer langen Teststrecke über Minnesota, Iowa, Wisconsin, Missouri und Illinois hat die US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) dem Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Sierra Nevada Corporation (SNC) eine Sondergenehmigung erteilt. Diese bezieht sich auf die Datenverbindung der Überwachungssysteme per Mobilfunk untereinander und mit Bodenstationen teils über sogenannte Mesh-Netze im Funkspektrum bei 2,3 und 9,5 GHz.

Der Probebetrieb ist zunächst eingeschränkt auf den Zeitraum vom 12. Juli bis zum 1. September. Die Technik soll laut der Lizenz nach dazu dienen, den Drogenhandel und "Bedrohungen für die innere Sicherheit" auszumachen und zu verhindern.

Der Guardian berichtet über weitere Details: So soll der Test mit bis zu 25 Ballons ablaufen und vom Southern Command (Southcom) des Pentagons in Auftrag gegeben worden sein. Diese Stabsstelle ist für Katastrophen- und Geheimdienst-Operationen sowie Sicherheitskooperationen in Süd- und Mittelamerika sowie in der Karibik zuständig. Sie koordiniert Einheiten der Army, der Navy, der Air Force und Spezialkräfte. Zu ihren Schlüsselaufgaben gehört, Drogentransporte in Richtung USA zu identifizieren und möglichst auch abzufangen.

Die eingesetzte Radartechnik ist dem Bericht nach darauf ausgelegt, sämtliche Bewegungen etwa von Fahrzeugen in einem 40 Kilometer breiten Streifen unterhalb des Ballons auszumachen und zu verfolgen. Dazu komme vermutlich das von SNC entwickelte Videoüberwachungssystem Gorgon Stare zum Einsatz, das neun hochauflösende Kameras umfasst, die gleichzeitig Panoramabilder eines stadtgroßen Gebiets aufnehmen können sollen. Bisher ist Gorgon Stare unter anderem an Drohnen oder Zeppelinen genutzt worden.

Hersteller der verwendeten Stratosphären-Ballons ist laut der Zeitung die Firma Raven Aerostar, die über eine eigene Startbasis in South Dakota verfügt und auch die Fluggeräte für Loon fertigt. Die Tochter der Google-Mutter Alphabet will darüber Teile der Erde mit Internet und Mobilfunk aus großen Höhen versorgen. Raven wirbt damit, dass die Ballone bis zu einen Monat lang in der Luft bleiben können.

Die fliegenden Himmelsaugen werden so in Militärkreisen als günstige und lang einsetzbare Alternative insbesondere zu bisherigen bemannten Überwachungsflugzeugen gehandelt. Für die Navigation hat das Forschungsinstitut des Pentagons, die DARPA, bereits einen speziellen Windsensor entwickelt. Er soll dafür sorgen, dass hoch fliegende Ballons stets die richtige Strömung erwischen und so dauerhaft ein bestimmtes Gebiet beobachten können. Im Bereich der Stratosphäre wehen Winde in unterschiedlichen Höhen in verschiedene Richtungen. Das spezielle Lidar-System der DARPA hilft dabei, immer die gewünschte Richtung zu finden, indem der Ballon seine Höhe ändert.

Starker Gegenwind kommt aber von US-Bürgerrechtlern. Jay Stanley von der American Civil Liberties Union (ACLU) bezeichnet es als "verstörend", dass einschlägige Tests durch das Militär überhaupt zugelassen worden seien. Amerikanische Städte dürften nicht großflächig mit Anlagen überwacht werden, die auch einzelne Fahrzeuge beschatten könnten. Selbst bei einem solchen Probebetrieb würden eine Unmenge an Daten gesammelt, etwa darüber, wer zur Gewerkschaft, zur Kirche, zur Moschee oder zur Alzheimer-Klinik fahre. (ea)