Amazon will auch in Europa verstärkt gegen Produktfälschungen vorgehen

Gefälschte Markenprodukte sind für die Handelsplattform ein gewaltiges Problem. Das will Amazon mit "Project Zero" in den Griff kriegen – auch in Europa.

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Amazon will auch in Europa verstärkt gegen Produktfälschungen vorgehen

(Bild: Eric Broder Van Dyke/Shutterstock.com)

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Amazon hat auf seiner E-Commerce-Plattform mit massivem Betrug und der Verbreitung von Plagiaten zu kämpfen. Dagegen will das Unternehmen mit einem als "Project Zero" bezeichneten Maßnahmenbündel vorgehen, bei dem sich teilnehmende Hersteller registrieren können. An diesem Montag startet das Projekt auch in Europa, berichtet das Handelsblatt.

Bei "Project Zero" lässt Amazon selbstentwickelte Algorithmen und Künstliche Intelligenz nach Fälschungen auf seiner Plattform suchen. Außerdem können Markenhersteller sich für das Projekt registrieren und dann selbst gegen Fälschungen ihrer Produkte vorgehen und verdächtige Angebote sperren lassen. Als dritte Maßnahme können die teilnehmenden Hersteller ihre Produkte mit speziellen Codes versehen, die die Echtheit garantieren sollen. Das "Project Zero" sei vor einem halben Jahr in den USA gestartet, inzwischen hätten sich bereits 3000 Hersteller dafür registriert, schreibt das Handelsblatt. Die Teilnahme an dem Programm sei für die Hersteller kostenlos, lediglich für die Codes falle eine Gebühr an.

Wie groß das Problem mit Fälschungen tatsächlich ist, zeigt die Zahl der bislang im Rahmen des Programms gefundenen Fälschungen: Seit dem Start in den USA habe Amazon 65 Millionen verdächtige Produkte gestoppt, die registrierten Marken zugeordnet sind, sagte Amazon-Vizepräsident Dharmesh Mehta dem Handelsblatt. Zusätzlich habe Amazon zu jeder von einem Hersteller entfernten mutmaßlichen Fälschung noch über 500 Angebote gesperrt oder gelöscht. In Europa laufe für "Project Zero" bereits ein Testbetrieb mit 15 Händlern, nun gehe das Projekt in den Regelbetrieb über.

Die Freiheit der Markenhersteller, mutmaßliche Fälschungen auf Amazon zu blockieren, hat jedoch eine Kehrseite. Denn manche Händler machen davon einen nicht vorgesehenen Gebrauch und blockieren lästige Konkurrenten. So sei etwa ein Betreiber eines Modeshops in den USA bei Amazon für einen Monat gesperrt worden, weil ein anderes US-Unternehmen eine Markenrechtsverletzung geltend gemacht habe – allerdings ohne dies zu belegen. Der Shop sei nach eigener Aussage beinahe bankrott gegangen und habe mehrere Mitarbeiter entlassen müssen.

Allerdings wird den betroffenen Anbietern auch die Möglichkeit eingeräumt, einer Sperrung wegen Fälschungsverdachts zu widersprechen. Könnten sie darlegen, dass sie ein authentisches Produkt verkauften, werde die Blockade aufgehoben. Mehta gestand ein, dass Amazon den Herstellern ein "mächtiges Werkzeug" in die Hände gebe – manche seien jedoch "mit diesem Instrument nicht so umgegangen, wie wir uns das vorstellen". Amazon habe daher eine "kleine Zahl" von Herstellern von dem Projekt wieder ausschließen müssen.

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Kritik an dem aus Sicht mancher Markenhersteller zu zögerlichen Vorgehen Amazons gegen Produktfälschungen gibt es schon lange. In einem exemplarischen Fall hatte der deutsche Schuhfabrikant Birkenstock schließlich frustriert den Vertrieb seiner Produkte über Amazon eingestellt, zuerst 2016 in den USA und schließlich zu Anfang 2018 auch in Europa. In einem Schreiben an die eigenen Mitarbeiter warf Birkenstock damals Amazon vor, nicht energisch genug gegen Fälschungen vorzugehen und kein Interesse am Schutz der Kunden vor Irreführung zu haben.

Auch eine seit Jahren bekannte Betrugsmasche mit USB-Sticks mit vermeintlich hoher Kapazität bekommt Amazon nicht in den Griff. 2017 tauchten gefälschte AMD-Ryzen-Prozessoren in scheinbar unbeschädigten Verpackungen auf, die direkt über Amazon versandt worden sein sollen (und nicht über einen Marketplace-Händler). Ein Hersteller von Apple-Zubehör warf Amazon eine Mitschuld an Produktpiraterie vor, da Verkäufer schlechter Kopien sich über die Original-Artikelnummern einfach auf den legitimen Produktseiten als Verkäufer eintragen könnten.

Daher ist es wohl als Reaktion auf diese Kritik zu verstehen, wenn Mehta sagt, es sei "entscheidend für das Kundenvertrauen", dass Amazon-Kunden erwarten dürften, authentische Produkte zu kaufen. Amazon sei in dieser Hinsicht "noch nicht perfekt", arbeite aber daran, die Zahl der Fälschungen "auf null zu bringen." (tiw)