US-Kriegsmarine baut Touchscreens wegen Unfallgefahr aus

Zerstörer der US Navy bekommen auf ihren Brücken wieder Hebel und Knöpfe. Derzeit genutzte Touchscreens erweisen sich als gefährlich.

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US-Zerstörer John S. McCain

Die USS John S. McCain (DDG 56) in einer Archivaufnahme aus dem Jahr 2016

(Bild: Madailein Abbott/US Navy (gemeinfrei))

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Kriegsmarine der USA setzt wieder auf mechanische Hebel und Knöpfe zur Steuerung ihrer Zerstörer (Lenkraketenzerstörer, NATO-Klassifizierung DDG). Die seit 2016 genutzten User Interfaces mit Touchscreens haben sich als Gefahrenquelle erwiesen. Der Umbau der Flotte wird eineinhalb bis zwei Jahre dauern, zumal erst der entsprechende Auftrag ausgeschrieben werden muss.

Anlass des Umbaus sind ein Unfallbericht der US-Behörde für Transportsicherheit (NTSB) und Rückmeldungen jener Seeleute, die diese Kriegsschiffe steuern. Dies berichtet das Branchenmedium USNI News. Am 21. August 2017 ist der Zerstörer John S. McCain in der Malakkastraße mit dem ungefähr drei Mal so großen Tanker Alnic CM kollidiert. Zehn Mann der Besatzung der McCain haben das nicht überlebt.

Der Unfall wurde vom NTSB untersucht. Er beschreibt in seinem Bericht eine Reihe von Faktoren, die den Unfall begünstigt haben, darunter Schlafmangel der Brückenbesatzung, mangelhafte Festlegung von Arbeitsabläufen, unzureichende Einschulung in das Touchscreen-System, dessen Interface-Design sowie das Fehlen haptischen Feedbacks. "Das NTSB kommt zu dem Schluss, dass das Design der Touchscreens zur Kontrolle von Steuerung und Antrieb der John S. McCain die Wahrscheinlichkeit für Bedienfehler erhöht und zu der Kollision geführt hat", heißt es in dem offiziellen Untersuchungsbericht.

Ein Steuerpult der John S. McCain

(Bild: NSTB-Bericht)

Derzeit kann mehr als eine Station auf der Brücke die Steuerung des Schiffes an sich ziehen. Wer gerade die Kontrolle worüber hat wird zwar auf den Schirmen angezeigt, für die Benutzer ist das aber offensichtlich nicht augenfällig. Anders als bei Hebeln gibt es bei Touchscreens auch keine fühlbare Rückmeldung, sodass Benutzer nicht spüren können, ob die Steuerung auf ihre Eingaben reagiert und ob die Steuerungen der linken und rechten Schiffsschraube separat arbeiten oder gerade miteinander verknüpft sind.

Dieser Teil des Touchscreen-Interface dient der Steuerung von Backbord- und Steuerbord-Schiffsschraube. Nur das kleine Häkchen am unteren Rand zeigt an, ob die Einstellung der beiden Schrauben gerade verknüpft ist, oder jede Schraube separat eingestellt werden muss.

(Bild: NSTB-Bericht)

Kurz vor dem Unfall hatte die Brückenbesatzung versucht, die Steuerung des Vortriebs von einer Station zur anderen zu Übertragen. Tatsächlich wurde die Steuerung aber aufgeteilt, sodass eine Station die Backbord-Schraube kontrollierte, die andere Station die Steuerbord-Schraube. Das führte zu Verwirrung und der irrtümlichen Annahme eines Ausfalls der Steuerung. Darauf wurde unter anderem mit einem Befehl zur Reduktion des Vortriebs reagiert. Obwohl die Kontrolle der beiden Schrauben inzwischen wieder an einer Station vereint war, waren linke und rechte Kontrolle nicht verbunden.

Mangels spürbaren Feedbacks fiel das dem Bediener aber nicht auf. So bremste er statt beide Schiffsschrauben nur die Backbord-Schraube, was eine ungewollte Drehung nach Backbord auslöste. Damit schnitt die McCain den ursprünglich parallel fahrenden Tanker und wurde von diesem gerammt. Zehn Mann ertranken im eindringenden Meereswasser.

Zwei Monate davor war der Zerstörer USS Fitzgerald mit dem Containerschiff MV ACX Crystal zusammengestoßen, wobei sieben Marinesoldaten ihr Leben verloren. Nach den beiden Unfällen hat die US-Kriegsmarine ihre Seeleute befragt und auch dort Negatives über die Touchscreens zu hören bekommen. Deswegen sollen nun wieder mechanische Systeme mit spürbaren Feedback eingebaut werden.

Verbesserungen soll es auch beim Empfänger für Daten des Automatischen Identifikationssystems (AIS) geben. Diese Aufgabe übernimmt derzeit ein Laptop. In der internen Umfrage bemängelten Seeleute, dass die Laptops nur mit unzuverlässigen Kabeln mit dem Schiff verbunden sind. Zudem seien diese Computer hinter anderem Gerät platziert und somit schwer erreichbar. "Wir werden die gesamte Konfiguration anders platzieren", wird der zuständige Offizier John Pope von USNI News zitiert, "Es ist einfach, einen Laptop an Bord zu bringen, aber wie stellen Sie sicher, dass er korrekt genutzt wird, korrekt konfiguriert, und dass sich ein Matrose darauf verlassen kann?"

Lenkraketenzerstörer sind die meistgebaute Schiffsklasse der US-Kriegsmarine seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Meisten dieser Schiffe sind gut 150 Meter lang, verdrängen um die neuntausend Tonnen und haben mehrere Hundert Matrosen Besatzung. Derzeit stehen bei der US-Kriegsmarine mehr als 60 Lenkraketenzerstörer in Dienst.

(ds)