Indien: Internet-Sperre in Kaschmir dauert an – mit dramatischen Folgen

Der indische Teil Kaschmirs bleibt quasi von der Außenwelt abgeschnitten: Internet, Mobilfunk und Festnetztelefonie und sogar Fernsehsender werden blockiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 67 Kommentare lesen
Indien: Internet-Sperre in Kaschmir dauert an – mit dramatischen Folgen

(Bild: panumas nikhomkhai/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Nach anderthalb Wochen ohne Internetzugang oder andere Telekommunikationsmöglichkeit wird die Lage im indischen Teil Kaschmirs immer problematischer. Das beschreiben Reporter, die nun immer wieder Berichte senden, nachdem die Situation anfangs völlig unübersichtlich war.

Sie beschreiben eine Region, in der nicht nur das öffentliche Leben weitgehend lahmgelegt ist – mit teilweise dramatischen Konsequenzen. So erklärte ein Apotheker in der Stadt Srinagar Reportern der New York Times, dass er den Menschen rät, nicht krank zu werden. Denn es könne sein, dass er keine Medikamente hat, um ihnen dann zu helfen.

"Wir haben das Internet für alles genutzt", zitieren sie den Apotheker. Er habe nicht nur für seine Filiale auf diesem Weg Nachschub bestellt, sondern auch Anfragen abgelegener Apotheken erfüllt. Aber jetzt, "können wir nichts mehr machen". In den Geschäften geht demnach das für Diabetiker lebenswichtige Insulin aus, genauso wie Babynahrung. Bargeld sei rar, weil Banken geschlossen und Geldautomaten ohne Internetverbindung nicht funktionsfähig seien. Lokale Zeitungen haben ihre Publikation eingestellt, berichtet The Hindu.

Das indische Online-Magazin The Wire berichtet von einer hochschwangeren Frau, die ohne Kommunikationsmöglichkeit mit ihrem Mann zu Fuß 17 Kilometer in ein Krankenhaus laufen musste und dort ihr Baby verlor. Ihre Familie warteten noch darauf, es zu begrüßen, während das Ehepaar nicht wieder nach Hause kommt.

Die indische Regierung hatte Anfang August den Internetzugang und weitere Kommunikationsverbindungen in dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir gekappt. Damit und mit der massiven Aufstockung der Militärpräsenz in diesem indischen Teil Kaschmirs wollte sie wohl Unruhen vorbeugen, die nach einer umstrittenen Entscheidung befürchtet wurden: Nach Beginn des totalen Blackouts begann die Regierung in Neu Delhi damit, der Region ihren verfassungsmäßig garantierten Sonderstatus zu entziehen. Prominente Politiker der Region waren außerdem vorab inhaftiert worden.

In keinem anderen Land der Welt wird Beobachtern zufolge so oft der Internetzugang auf staatliche Anordnung hin gesperrt, wie in Indien. Trotzdem geht die aktuelle Sperre in Kaschmir noch einmal darüber hinaus, unter anderem weil sie neben Mobilfunk und Festnetztelefonie sogar den Rundfunk umfasst. Inzwischen gibt es den Berichten zufolge jeweils ein für die Öffentlichkeit zugängliches Telefon in Verwaltungsbehörden, dort bilden sich aber Schlangen von Hunderten Menschen, die Kontakt zu Angehörigen aufnehmen wollen. Gegenüber dem Guardian hatte der UN-Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit die Sperre als außergewöhnlich drakonisch kritisiert.

Indiens Regierung begründet solche Internet-Sperrungen immer wieder auch mit dem Kampf gegen "Fake News", die für Unruhe oder Panik sorgen könnten. Im aktuellen Fall zeige sich aber, dass sich gefährliche Gerüchte und falsche Behauptungen dann eben ungehindert mündlich verbreiten, schreibt die New York Times. Als es vergangenen Woche zu großen Protesten in Srinagar gekommen sei, habe sich nach Schüssen der Sicherheitskräfte das Gerücht verbreitet, es habe ein Massaker gegeben. Reporter hätten aber keinen Hinweis auf Todesopfer gefunden, schreibt die Zeitung. Ohne Internetverbindung können solche Richtigstellungen aber nicht verbreitet werden. (mho)