BKA-Chef: Sicherheitsgefühl aufgrund der Digitalisierung so schlecht

Hasskommentare, Filterblasen und Berichterstattung im Internet sorgen für ein schlechtes Sicherheitsgefühl, obwohl die Kriminalität sinkt, meint der BKA-Chef.

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Internet: Sicherheitsgefühl trotz sinkender Straftaten schlecht

(Bild: Pixabay)

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Trotz sinkender Straftaten verschlechtert sich das Sicherheitsgefühl vieler Menschen in Deutschland. Das ist für Holger Münch, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), kein Widerspruch. Es gebe keinen direkten Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Kriminalität und dem Sicherheitsgefühl. Zu der Verunsicherung in der Bevölkerung tragen laut Münch neben der Digitalisierung auch Hasskommentare, Filterblasen und die Medienberichterstattung bei.

Die Digitalisierung bringe Veränderungen in der Arbeitswelt mit sich und die Menschen erleben einen gesellschaftlichen Umbruch, was zur Verunsicherung beitrage. Die Folgen der Digitalisierung würden neben der Auswirkung auf unsere Kommunikation auch das Risiko bergen, sich in den Echoräumen des Internets nicht mehr objektiv informieren zu können. "Hasskriminalität hat beispielsweise durch die Möglichkeit, sich im Internet öffentlich und gleichzeitig weitgehend anonym zu äußern, eine völlig andere Bedeutung gewonnen", sagt Holger Münch dem Nachrichtenportal t-online. Der veränderte Umgang miteinander beeinflusse ebenfalls das Sicherheitsgefühl.

Die Gefahr, die von Hassbotschaften im Internet ausgehe, sei sehr groß. "Allein dass jemand sich bedroht fühlt und sich nicht mehr traut, seine Meinung zu äußern, seinen Zielen nachzugehen und sein Amt auszuüben, ist eine Bedrohung für das demokratische Zusammenleben," kritisiert Münch mit Blick auf die Berichte von Kommunalpolitikern und Ehrenamtlichen über Bedrohungen im Internet. Bund und Länder benötigten effektivere Möglichkeiten zur Verfolgung von Hasskriminalität im Netz. Hass und Hetze im Netz müsse die Polizei konsequent bekämpfen und für eine vernünftige Diskussionskultur sorgen.

An eine Klarnamenpflicht zur Strafverfolgung im Internet glaubt Münch nicht. "Wenn Sie heute mit dem Auto bei Rot über die Ampel fahren, kann man Sie anhand des Kennzeichens ermitteln, also anhand eines Pseudonyms. So etwas gibt es auch im öffentlichen Raum des Internets: die IP-Adresse. Deshalb brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung, um die IP-Adresse bei Bedarf zuordnen zu können," erklärt Münch. Der große Auftrag sei die Umsetzung von Rechtsetzung, Rechtsprechung und polizeilichem Handeln im Internet, für einen Gleichklang zwischen analoger und digitaler Welt.

Die Kriminalität wird laut Münch auch immer digitaler. So müsse "man kein Nerd mehr sein" um einen Cyberangriff durchzuführen, sondern man könne auf Dienstleistungen im Internet zurückgreifen – Crime as a service. Kinderpornographie finde mittlerweile zu fast 100 Prozent im Internet statt, aber auch der Drogen- und Waffenhandel setze zunehmend auf illegale Marktplätze im Netz.

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Medienberichte über Straftaten führen sehr schnell zu Spekulationen und Reaktionen im Internet und den sozialen Medien, bevor tatsächliche Informationen zur jeweiligen Tat vorlägen. So schnell könne der Staat gar nicht reagieren. "Man muss sich doch die Frage stellen: Ist es richtig, mit einer aufputschenden Sprache sofort auf ein Ereignis zu reagieren, dessen genauen Ablauf man noch gar nicht kennt? Ich halte das für verantwortungslos," sagte Münch außerdem gegenüber t-online. All diese Umstände könnten zu dem Bild einer steigenden Kriminalität beitragen, obwohl die Zahlen der Kriminalitätsstatistik auf dem niedrigsten Stand seit vielen Jahren sind. (bme)