heise online: Welten - eine Leseprobe aus "Hell Fever. Höllische Spiele" von Peter Schattschneider

Ein Blick in die Zukunft mit "heise online: Welten". Peter Schattschneider erzählt von ungeahnten Perfektionierungen der virtuellen Realität.

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heise online: Welten - eine Leseprobe aus "Hell Fever. Höllische Spiele" von Peter Schattschneider
Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Mit der SF-Buchreihe heise online: Welten wollen wir nicht nur die aktuellen Entwicklungen in Technik und Forschung beschreiben, sondern sie auch kritisch hinterfragen und den Lesern begreiflich machen. Dabei verfallen wir weder in apokalyptische Technik-Kritik noch in blinde Technik-Euphorie; wir wollen keinesfalls, dass die Chancen, die Neuerungen in Technik und Wissenschaft bieten, für die Gesellschaft und den einzelnen Anwender ungenutzt bleiben.

heise online: Welten / Die c't Stories

heise online und c't werfen mit zwei Science-Fiction-Buchreihen nicht nur einen Blick in die Zukunft. Mit den Reihen "heise online: Welten" und den "c't Stories" wollen wir auch den Blick dafür schärfen, wie Digitalisierung die Welt verändert. Die Bücher sind im d.Punkt-Verlag erhältlich.

Die Reihe heise online: Welten setzen wir nach "Die letzte Crew des Wandersterns" von Hans-Arthur Marsiske mit "Hell Fever. Höllische Spiele" von Peter Schattschneider fort. Er wird langjährigen SF-Fans durch seine bei Suhrkamp veröffentlichten Kurzgeschichten-Bände und ebenfalls durch seine c't-Stories ein Begriff sein. Außerdem erschien "Apokalypose Pallantau" von Arno Endler.

Schattschneider begibt sich in "Hell Fever. Höllische Spiele" in die Abgründe der virtuellen Realität, scheinbar ganz spielerisch: "Es war ganz verblüffend, wie echt sich die virtuelle Realität der Hölle anfühlte." Hagen Goldberg findet seinen Freund, einen IT-Spezialisten, ermordet auf. Zufällig kommt er dabei in den Besitz eines Spiels namens "Hell Fever". Als er den Code geknackt hat, stellt er schnell fest: Es handelt sich um eine revolutionäre Erfindung.

"Hell Fever" ermöglicht eine ungeahnte Perfektionierung der virtuellen Realität. Aber wer steckt hinter dieser Entwicklung? Wieso sterben oder verschwinden die Mitglieder des Entwicklerteams unter ungeklärten Umständen? Welche Rolle spielt der Vater von Goldbergs Nachhilfeschülerin, deren Verhalten auf ein Stockholm-Syndrom hinweist? Und warum begehen Schüler in einer Klosterschule Selbstmord? Bei seinen Recherchen wird Goldberg immer tiefer in die dunklen Bereiche der virtuellen Realität hineingezogen.

Der Roman ist im heise Shop, beim Hinstorff-Verlag, in stationären Buchläden und in Online-Buchläden wie Amazon sowohl als gedrucktes Buch als auch als eBook erhältlich.

  • Leseprobe aus "Hell Fever. Höllische Spiele"

[...]

1. Kapitel: Worin eine Leiche gefunden wird

Tageslicht brach durch ein schmales Fenster in das Dun­kel des Landeskriminalamts. Ich saß dem Kommissar ge­genüber, der aussah wie ein Kommissar. Ein spartanischer Schreibtisch – Handy, ein Ordner, drei Kugelschreiber, ein rotes, aufgeschlagenes Notizbuch. Hinter einem zwei­ten Schreibtisch unter dem Fenster in die Freiheit saß Jane Rizzoli. Jedenfalls sah sie so aus wie die TV­Polizistin aus meinen Jugendtagen.
Kommissar Skorzil leitete die Untersuchung. Und Kon­trollinspektorin Rizzoli hieß im wirklichen Leben Saskia Helfgott oder so ähnlich.
Wann war der Anruf? Was haben Sie dann gemacht? Kön­nen Sie das präzisieren? Wann haben Sie die Leiche gefun­den? Beschreiben Sie den Fundort. Ist Ihnen etwas verdächtig vorgekommen? Und so weiter. Ich wurde langsam müde. Der Kommissar prüfte wieder sein Notizbuch. „Sie sind
Gymnasiallehrer, ist das richtig?“ Als wüsste er es nicht.
„Physik und Mathe“, präzisierte ich. Er starrte weiter in sein Buch.
„Hatten Sie jemals Probleme an der Schule?“
„Probleme kann man nicht sagen. Es gab dumme Gerüchte, darum habe ich vor zwei Jahren die Schule gewechselt.“
„Können Sie das erläutern?“
„Herr Kommissar, wir müssen nicht Katz­und­Maus spielen, Sie haben das sicher schon recherchiert. Es gab eine Anzeige wegen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Ich wurde freigesprochen. Es war ein Racheakt wegen schlech­ter Noten.“
Rizzoli blickte mich skeptisch an. Ich kannte diesen Blick. Du bist ein widerlicher Sexstrolch, sagte dieser Blick. Egal, was du uns erzählst …
„Nimmst du das auf, bitte?“ Dies zu Rizzoli, die sich sowieso ständig Notizen machte. Übereifrig kam sie mir vor.
„Kommen wir zur Sache: Wann hat Wunderer Sie angerufen?“ Das hatte er mich schon gefragt; er wollte mich testen, der Schlaumeier. Ich spielte mit, überlegte erneut ernsthaft, bevor ich bestätigte, dass es so gegen 19 Uhr gewesen sein musste. Natürlich wusste ich, dass Walters Anruf um 19:07 Uhr auf mein Handy gekommen war, aber ich hielt es nicht für erforderlich, ihm das auf die Nase zu binden. Zweifellos konnte die Polizei das unschwer mit einer Rufdatenabfrage herausfinden. Und eigentlich sollte er wissen, dass ich das wusste.
„Können Sie das Gespräch wiedergeben?“
„Er bat mich, rasch zu kommen, er werde verfolgt. Er sagte mir nicht, worum es ging. Das wollte er mir persönlich erklä­ren. Und es sei eilig.“
„Eine Andeutung, was ihm Angst machte?“
„Es schien sich um seine Arbeit zu handeln. Er verwendete den Begriff unsicherer Datenkanal. Er ist – ich meine: er war IVR­Experte.“ Ich wartete auf Erklärungsbedarf seitens des Kommissars, der vermutlich nicht wusste, was IVR war, aber der nickte nur und schien sich Notizen zu machen.
„Und Sie sind gleich zu ihm?“
Ich nickte. Jetzt schwieg er, aber ich konnte auch wortkarg sein.
„Wann sind Sie bei ihm angekommen?“
„Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Die Situation war nicht danach. – Ich habe die S­Bahn und den Bus zum Ins­
titut genommen, ich denke, ich war so um 20:30 Uhr dort. Plusminus 5 Minuten.“
Der Kommissar nickte verstehend. „Plusminus, soso“, murmelte er.
Du bist ein arrogantes Arschloch, dachte ich.
„Was war dann?“
„Ich bin rein und habe ihn gefunden. Er lag auf dem Boden. Überall war Blut.“
Er blickte ganz ruhig zur Decke, als gäb’s dort was zu sehen.
„Wieso wussten Sie, dass er tot ist?“
„Ich hab’ ihn angesprochen, ihn geschüttelt, mich dann zu ihm runtergebeugt und gehorcht, ob er atmet. Und – er hatte keinen Puls.“
„Wo haben Sie den Puls gefühlt?“
„Am Handgelenk.“
„Normalerweise macht man das am Hals.“
„Das wäre schwer gewesen. Der war ja durchtrennt.“ Ich schluckte, als mich das Bild überfiel.
„Erzählen Sie weiter.“
„Das war’s eigentlich schon. Ich habe sofort die Polizei angerufen. Die ist schnell da gewesen.“
„Um 20:46 Uhr. Sie haben um 20:40 Uhr angerufen. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?“
„Was meinen Sie mit gemacht? Ich war ziemlich fertig. Ich glaube, ich habe mich auf einen der Laborstühle gesetzt.“
„Haben Sie irgendetwas berührt?“
„Sicher nicht. Grober Fehler. Das weiß ich aus dem Fernsehen.“
Wenn er mich für einen solchen hielt, konnte ich den Idioten spielen.
„Und die Leiche?“
„Die hab’ ich schon ––– Ich will sagen, als ich ihm den Puls –––“ Ich schluckte, legte mir die Hand vor die Augen, so als ob mich die Emotion plötzlich überkäme. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass ich tatsächlich den Tränen nahe war. Eine schreckliche Scheiße. Walter, wo bist du da hineingeraten? Warum hast du mir das angetan?
„Sie haben auch den Computer nicht angerührt.“ Das klang eher nach einer Drohung als nach einer Frage. Ich schüttelte nur den Kopf.
Er seufzte, schob seinen Block zur Seite. „Fürs Erste wär’s das, Doktor Goldberg. Meine Kollegin wird das Protokoll verfassen, Sie können es in den nächsten Tagen unterschreiben“, sagte er im Aufstehen.
„Haben Sie schon einen Verdacht, warum …?“
Er hob die Schultern. „Wir wissen nur, dass er neben seiner universitären Forschung für eine Firma gearbeitet hat, die IVR­Software vertreibt.“
Er wusste tatsächlich, was Immersive Virtuelle Realität bedeutete. Er war doch nicht so bescheuert, wie ich gedacht hatte.

Was ich ihm erzählt hatte, war fast wahr, wenn ich die aristotelische Logik ein wenig interpretieren darf. Walter hatte mich am Vorabend angerufen, hörbar verstört.
„Hast du Zeit?“, hatte er ohne Einleitung gefragt.
„Ja, was ist?“
„Ich möchte dir noch ein paar Dateien zur Aufbewahrung anvertrauen.“
„Hat das mit dem Koffer zu tun?“
„Das sag ich dir, wenn du da bist. Der Datenkanal ist mir zu unsicher. Kannst du gleich kommen?“
„Hmm, ich bin grad beim Schreiben. Geht‘s morgen Abend?“
„Morgen ist vielleicht zu spät. Ich wär’ dir wirklich wahnsinnig dankbar, wenn du jetzt …“
Als ich nichts sagte, fügte er hinzu: „Ich werde verfolgt.“ Ich zögerte kurz, bevor ich zustimmte: „Ich bin in einer
Stunde bei dir.“
„Super. Bis gleich! – Sag, hast du den Koffer auch gut versteckt?“
„Ja, sicher, er ist in –––“
„Sag nichts!“, fiel er mir ins Wort. „Komm einfach!“
Von daher wehte der Wind also. Ich hatte schon eine Woche zuvor sehr unwillig einen Koffer angenommen, als er mich gebeten hatte, etwas für ihn sicher aufzubewahren. Vorübergehend. Walter war ganz gegen sein sonstiges Verhalten sehr fordernd gewesen. Als ich zögerte, hatte er fast beleidigt reagiert, als wäre es selbstverständlich, dass ich meinem besten Freund bei dubiosen Machenschaften half. Seither lagerte der kleine Alukoffer in einem Schließfach am Wiener Hauptbahnhof.
Seit einigen Monaten war Walter verändert. Seine freundliche Art war einer nervösen Ungeduld gewichen; es kam vor, dass er, wenn wir bei einem Bier saßen und ich eine scherzhaft abfällige Bemerkung über IVR machte, mich mit Hinweis auf meine Inkompetenz zurechtwies. Dabei schien das Feuermal auf seiner linken Wange vor Empörung aufzuleuchten. Gleich tat es ihm dann leid, er überspielte den Ausbruch ebenfalls mit einem Scherz, zu dem er keckernd lachte auf seine unnachahmliche Art, und wir waren uns wieder einig in der zynischen Betrachtung des Universums. Aber ohne Zweifel hatte er sich verändert, war unduldsam
und aggressiv geworden. Vermutlich wegen seiner Arbeit an diesem Geheimprojekt.
Es ging um eine Erfindung, welche das unüberschaubare Universum der Computerspiele revolutionieren würde. Augmented, Immersive und Virtual Reality waren die Stichwörter. Das Problem der Verwertung von Forschungsergebnissen. Um wissenschaftlich weiterzukommen, muss man publizieren, aber dann ist die Katze aus dem Sack, und jeder kann die Erkenntnisse nutzen, der Erfinder schaut durch die Finger. Patentieren? Danach kann man zwar publizieren, aber das interessiert dann kein Schwein mehr. Patentschutz? Geschenkt. Große Konzerne kaufen die Lizenz und lassen die Pläne in der Schublade verschwinden, um ihre eigenen Produkte nicht zu konkurrenzieren, oder sie bauen das Ding einfach. Klagen des Erfinders sitzen die aus. Daher weder publizieren noch patentieren, sondern alles geheim halten und diskret einen Sponsor suchen. Die Unsicherheit, der Stress der Geheimhaltung, das Misstrauen, ständige Wachsamkeit – da konnte einer leicht aggressiv werden. Um 20:25 Uhr war ich da. Die Security der Technischen Universität filzte mich nur flüchtig, da ich keinen Halbmond am Revers trug. Ein Iris­Scan, und ich war drin. Die Tür zum Labor stand offen. Drinnen brannte Licht. Ich klopfte und trat
gleich ein.
„Walter?“ Ich hatte ein eigenartiges Gefühl des Schwebens. Leises Summen war zu hören, ich vermeinte auch einen schwachen ungewohnten Geruch wahrzunehmen, aber mein olfaktorischer Sinn ist einseitig auf Weinaromen fokussiert.

Das terroir des Labors war anders. Das unbestimmte Gefühl des Schwebens schon im Flur, das Summen, die An­
deutung einer fremden „Nase“ … Das Summen kam vom Computer. Ein riesiger Display auf einem großen Schreibtisch, der im rechten Winkel zur Wand stand. Rundherum Stapel von Zeitschriften und lose Blätter mit Walters Gekritzel. Auf der Ablage über dem Schreibtisch ein Chaos aus Visitenkarten, USB­Sticks, badges von Konferenzbesuchen, Minikameras, Elektronikbauteilen. An der schmucklosen Wand zwei historische Fotos von Alan Turing und John von Neumann.
Der fensterlose Raum – überhoch, um große Maschinen unterbringen zu können – befand sich im Kernbereich des TU­Gebäudes. Das Labor war vollgeräumt mit Technik. 3DKameras, Roboterarme, Scheinwerfer, 90 Zoll­Bildschirme, Mikros hingen von der Decke, dicke Kabelbäume schlängelten sich über den Boden. Links von der Eingangstür ein ausgeleuchteter Bereich von etwa 3 mal 3 Metern, eine weiße Studiowand war zylindrisch als Hintergrund raumhoch aufgespannt. Ein Beamer warf ein pastorales Bild an die Leinwand – eine Kirche inmitten eines Gebäudekomplexes, umgeben von sommergrünen Wiesen und Wäldern. Die Kirche hatte einen Turm mit dunkelgrünem Zwiebeldach, und auf einer Anhöhe hinter dem Kloster lugte idyllisch ein weiterer Turm aus dichtem Wald hervor wie ein Wächter für die Ewigkeit.
Auf einem Tisch daneben Datenhandschuhe, VR­Brillen
in verschiedenen Formen, eine Minidrohne mit Kamera neben dem Modell einer Stadt, es war verrutscht, einige Häuser lagen am Boden, als hätte sich jemand daran festgeklammert und sie in die Unterwelt geschleudert. Der Bürosessel war umgekippt. Walter lag daneben auf einem ovalen Teppich und blickte nachdenklich an die Decke. Ein Herzin­
farkt, dachte ich. Seit wann hat er einen Teppich am Arbeitsplatz?, dachte ich. In Rot obendrein.
Es war kein Teppich. Ich brauchte einige Zeit, bevor ich begriff, dass das Blut war. Walters Blut. An seiner Kehle klaffte ein breiter Spalt.
Ich kniete mich neben ihn, schüttelte ihn, horchte vergeblich auf seinen Atem, fand keinen Puls. Er war tot.
Ich setzte mich in einen der Laborsessel und dachte nach. Ich musste die Polizei verständigen. Nur – was sollte ich wegen des Koffers sagen? Ich hatte ihm versprochen zu schweigen. Und nun hatte ihn jemand daran gehindert, mir noch etwas zur Aufbewahrung zu geben. Dokumente, die Rohfassung eines Artikels, was sonst? Alles war im Computer – üblicherweise. Es sei denn, er hatte es vorsorglich gelöscht und die Files woanders gelagert. Ich ging in die Küche, suchte, die Hände mit einem Tuch schützend, nach Einweghandschuhen, die unter der Spüle lagen. Zog sie an und kramte auf dem Schreibtisch zwischen den Zetteln. Kryptologie­Zeitschriften, ein Buch über Virtual Reality, Artikel über Alan Turing und das Halteproblem, Fuzzy Logic … massenhaft Handschriftliches. Keine Chance, das durchzusehen. Ich musste die Polizei verständigen. Bald, spätestens in fünf Minuten. Was kann ich in fünf Minuten tun?
Fünf Minuten sind lang. Lang genug für den sprich­
wörtlichen Lebensfilm. War der abgelaufen, als man Walters Carotiden durchtrennt hatte? Kaum, denn man ver lor wohl innerhalb von Sekunden das Bewusstsein. Aber vielleicht beschleunigte der schwindende Geist das Geschehen. Kalorienverbrauch, Schlafdauer, Lebensdauer, Herzfrequenz, Reaktionszeit – die Kleiber‘schen Gleichungen beschreiben das von der Fliege bis zum Wal. Und hier
lag Walter, der Wal. Seine Reaktionszeit war unendlich lang geworden.
Am Bildschirm ein geöffneter Browser, die Homepage einer Firma „RealGames“ war zu sehen, und im nächsten Tab ein Computerspiel. Ich klickte es an, eine Szenerie wie aus einem Fantasyspiel öffnete sich, der Blick ging von einer Anhöhe in ein grünes, friedliches Tal, Vögel kreisten, Blumen blühten, am Talgrund konnte man sonnenbeschienene winzige Gestalten erkennen, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Im blauen Sommerhimmel schwebte der Titel des Spiels:

Hell Fever
©RealGames Inc.

Ein Datenbus verband den Rechner mit einem Minicluster neben dem riesigen Display. Inmitten von Kabelgewirr vier Stereolautsprecher, ein toter Bildschirm, und unter der Tischplatte eine kleine externe Festplatte an einem USB­Kabel, so versteckt, dass sie ein eiliger Eindringling vielleicht übersehen hatte.
Vermutlich enthielt sie nichts Geheimes mehr, aber einen Versuch war es wert. Ich öffnete den Taskmanager, sah, dass die letzte Aktivität Walters Skype­Anruf bei mir vor mehr als einer Stunde war, setzte die interne PC­Uhr um eine Stunde zurück, kopierte alle Ordner, die in den letzten zwei Wochen aktiv gewesen waren, auf die externe Festplatte, entfernte sie, setzte die Uhr wieder eine Stunde vor und rief die Polizei an. Es war 20:40 Uhr. Ich steckte die Festplatte und die Handschuhe in meine Brusttasche und wartete.
Das war alles reflexartig abgelaufen, ich hatte mir die Konsequenzen nicht überlegt. Erst nach dem Ermittlungs­
gespräch im Kommissariat nahm mein Frontallappen seine Funktion wieder auf. Walter war verfolgt worden, und es ging um viel, so weit hatte ich schon gedacht. Was hatte der Mörder gesucht? Auch das war nicht schwer zu erraten: etwas, das Walter für so wertvoll und gefährdet hielt, dass er es mir heimlich zur Aufbewahrung übergeben hatte. Und der Mörder suchte weiter, würde wieder vor nichts zurückschrecken, um es zu bekommen … wusste vermutlich schon, dass ich es hatte.
Ich musste verschwinden. Bevor ich beseitigt wurde, sollte ich das lieber selbst tun.

[...] (jk)