Russland: Geheimdienst betreibt Blockade von Mailbox-Anbietern

Angeblich wurden Anfragen der Medienaufsicht Roskomnadzor nicht beantwortet. Ein Mail-Anbieter streitet das ab.

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Russland: Geheimdienst FSB fordert Blockade von Mailbox.org und Scryptmail

Die Lubjanka – früher Hauptquartier der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka, dann des KGB – beherbergt heute den Inlandsgeheimdienst FSB.

(Bild:  NVO, CC BY-SA 3.0 )

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel

Nach der Blockade des Messengers Telegram im vergangenen Jahr hat die russische Regierung nun offenbar die beiden Mailanbieter Mailbox.org und Scryptmail im Visier. Wie der russische Medienkonzern RBK berichtet, begründet die Medienaufsicht Roskomnadzor die drohende Blockade mit unzureichenden Antworten der betroffenen Unternehmen auf Informationsgesuche staatlicher russischer Stellen. Mit den Maßnahmen folgt die Aufsichtsbehörde offenbar einer Empfehlung des notorischen Inlandsgeheimdienstes FSB.

Dem Bericht von RBK sowie einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge sollten Mailbox.org und Scryptmail auf Aufforderung der im Jahr 2008 gegründeten Aufsichtsbehörde Roskomnadzor eine Reihe von Fragen beantworten, damit die Dienste in das Verzeichnis der Informationsverbreitungs-Organisatoren aufgenommen werden können. Da man diese Informationen nicht erhalten habe, erwäge Roskomnadzor nun eine Sperrung der Dienste in Russland. Auch der Schweizer Anbieter ProtonMail wird in Berichten zu diesem Thema genannt.

Mailbox.org, ein unabhängiger und auf Privatsphäre fokussierter Mailanbieter, der von der Berliner Heinlein Support GmbH betrieben wird, weist die Darstellung der russischen Behörde zurück. "Uns ist keine Anfrage von Roskomnadzor bekannt, die wir hätten beantworten sollen", erklärte Geschäftsführer Peer Heinlein. Es liegt uns weder ein offizielles Schreiben der Behörde vor noch hat uns eine entsprechende Anfrage über ein Rechtshilfeersuchen von deutschen Behörden erreicht."

Mailbox.org versucht sich im hart umkämpften Markt der E-Mail-Dienste immer wieder dadurch abzugrenzen, dass der Anbieter die Privatsphäre seiner Nutzer in den Vordergrund stellt. So ist es im Mailbox.org-Webmail-Dienst unter anderem möglich, sämtliche auf den Servern des Dienstes gespeicherte E-Mails mit einem eigenen PGP-Schlüssel abzusichern. Seit 2016 bietet der Dienst seinen Kunden außerdem eine eigene Tor-Exit-Node an, um ihre Anonymität weiter zu erhöhen.

Der in den USA ansässige, estländische Entwickler Sergei Krutov verfolgt mit seinem Dienst Scryptmail ähnliche Ziele. Auch diese Firma stellt die Privatsphäre ihrer Kunden in den Vordergrund. Allerdings scheint die Entwicklung am Scryptmail-Dienst seit Jahren stillzustehen. Scryptmail hat bisher auch nicht auf eine Anfrage von heise online zu den Vorwürfen der Medienaufsicht Roskomnadzor reagiert.

Beide Anbieter gehen ziemlich transparent mit Behördenanfragen nach den Daten ihrer Kunden um. Mailbox.org veröffentlicht regelmäßig Transparenzberichte und Scryptmail betreibt eine Webseite, auf der entsprechende Anfragen aufgelistet sind.

Man beantworte sämtliche rechtmäßig gestellte Auskunftsanfragen von Behörden, erklärt Mailbox.org in der Stellungnahme. Diese müssten allerdings der deutschen und europäischen Gesetzeslage Folge leisten. "Wenn jedoch aufgrund einzelner Vorfälle ein freier Telekommunikationsanbieter gesperrt wird und alle seine Nutzer unter Generalverdacht gestellt werden, ist das maßlos überzogen und reine Willkür."

Mailbox.org empfiehlt von etwaigen Internetsperren des eigenen Dienstes betroffenen Anwendern ausdrücklich, auf den Dienst über das Tor-Netzwerk zuzugreifen. Es sei fragwürdig, dass dieser Zugang vom FSB geblockt oder zensiert werden könne. Der Mail-Anbieter stellt auf seiner Webseite eine Anleitung bereit, die erklärt, wie die Tor-Exit-Node des Dienstes für einen solchen Zugang verwendet werden kann.

Wann und wie Roskomnadzor die Internetsperren umsetzen will, ist bisher nicht bekannt. Im Sommer dieses Jahres hatte die Behörde bereits die Sperrung einiger VPN-Anbieter angekündigt. Medienberichten zufolge sind die VPN-Anbieter allerdings nach wie vor aus russischen Netzen zu erreichen. Im vergangenen Jahr hatten die russischen Behörden eine Sperrung des Messenger-Dienstes Telegram veranlasst.

Hinweis: Der Autor dieser Meldung nutzt ein Mailbox.org-Konto, das ihm zu Testzwecken eingerichtet wurde. (fab)