Und ewig lockt der Billigflieger

Warum freiwilliger Verzicht keine festen Regeln ersetzt.

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Kürzlich lief auf HR der Beitrag „Sind SUVs asozial?“. Darin machte der Fahrers eines Sportwagens mit 450 PS eine interessante Aussage. Die Frage, ob so ein Schlitten nicht asozial sei, wollte er weder klar bejahen noch verneinen, aber immerhin sagte er sinngemäß: Wenn es ein Gesetz gegen solche Geschosse gäbe, dann könne er damit leben und würde sich eben ein anderes Auto kaufen.

Das ist weniger schizophren, als es sich anhört. Und es berührt eine zentrale Frage rund um die Klimadebatte: Ist es erforderlich / hinreichend / überflüssig, sich freiwillig an Regeln zu halten, die man von der Politik fordert? Darf man selbst etwa Billigflieger nutzen und sich gleichzeitig für deren Verbot einsetzen?

Auf den ersten Blick ist die Antwort klar: So etwas ist verlogen und hilft nicht gerade der eigenen Glaubwürdigkeit. Doch man kann die Sache auch anders drehen: Ist es dauerhaft dem Idealismus und der Charakterstärke des Individuums zu überlassen, sämtlichen Versuchungen des Kapitalismus zu widerstehen? Und widersteht man ihnen nicht, hat man dann automatisch jegliches Recht auf politische Forderungen verwirkt?

Diesen Konflikt gibt es ständig: Kauft man einen Apfel aus Deutschland oder Neuseeland? Steigt man im Hotel ab oder in einer (womöglich zwecktentfremdeten) Ferienwohnung? Fährt man mit dem Taxi oder Uber? Kauft man beim Textildiscounter gleich drei T-Shirts auf einmal? Nimmt man den Flieger oder die Bahn? Zahlt man den Aufpreis für den Fair-Trade-Kaffee?

Selbst der idealistischste Mensch dürfte irgendwann damit überfordert sein, bei jeder einzelnen Entscheidung sämtliche moralischen Implikationen mitzudenken – Kategorischer Imperativ hin oder her. Zumal es dafür in der Regel auch schlicht an Informationen fehlt: Ist ein Apfel aus Übersee wirklich klimaschädlicher als einer aus heimischer Produktion, wenn der dafür ein halbes Jahr im Kühlhaus lag? Das hängt unter anderem von der Jahreszeit ab und ist ohne tiefgehende Recherche kaum zu beantworten.

Als Verbraucher muss man ein gewisses Vertrauen in die Unternehmen und/oder den Staat haben dürfen, dass alles, was legal zu erwerben ist, zumindest keine allzu wüsten Kollateralschäden verursacht, weder ökologisch noch sozial. Und wo es keine entsprechenden Siegel, Vorschriften oder Kontrollen gibt, ist es völlig legitim, sie von der Politik einzufordern – und zwar unabhängig von den persönlichen Kaufentscheidungen. Sich beim Konsum nicht völlig gleichgültig zu verhalten, kann darüber hinaus nicht schaden.

(grh)