Fahrplan ins All für Satelliten

Raketenstarts nach einem festgefügten Muster sollten es viel einfacher und billiger machen, kleine Satelliten in den Orbit zu befördern.

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Fahrplan ins All

(Bild: SpaceX)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Neel V. Patel
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Wenn Sie mit dem Bus in die Stadt fahren wollen, schauen Sie auf dem Fahrplan nach, wann der nächste abfährt. Sie kaufen ein Ticket, mit dem Sie einsteigen dürfen. Zur vorgesehenen Zeit fährt der Bus los, ob er ausverkauft ist oder fast leer. Dann fährt er seine Route ab und lässt unterwegs Passagiere ein- und aussteigen.

Willkommen bei der Zukunft der Raketenstarts, die zunehmend nicht anders organisiert werden als Fahrten mit dem Bus – das „Mitflug“-Modell für Reisen in eine Umlaufbahn, bei dem Unternehmen Plätze in Raketen mit festem Zeitplan buchen, wird die Branche auf den Kopf stellen.

SpaceX hat bereits eine Mitflug-Mission für nächsten März geplant und will diese künftig einmal pro Monat anbieten. Ähnlich plant die multinationale Weltraumfirma Arianespace für Mai 2020 eine Mitflug-Mission in eine niedrige Erdumlaufbahn und für 2022 sogar einen Flug in einen geostationären Orbit. Auch Unternehmen wie Rocket Lab und Spaceflight planen Mitflug-Programme. „Sie sind entscheidend, um die Satelliten-Industrie voranzubringen“, sagt Asal Naseri vom Space Dynamics Laboratory im US-Bundesstaat Utah.

Mitflug-Starts sind keine vollkommen neue Idee. Die Nasa hat seit fast 30 Jahren ihre eigene Version davon, die mit dem Space-Shuttle begonnen hat. Doch bei ihr bedeutet Mitfliegen meist nur, dass kleinere Lasten zusätzlich zu größeren Missionen mitgenommen wurden, deren Startkosten schon bezahlt waren. Außerdem gab es solche „Huckepack“-Lasten bis vor sehr kurzem nur sehr selten.

Neuerdings aber verlangt auch die Weltraumbranche mehr für ihr Geld, sodass die Mitnahme von Sekundärlasten üblicher geworden ist. Zudem sind viele kleine Satellitenfirmen entstanden, was die Anbieter von Transportkapazität dazu gebracht hat, die Wirtschaftlichkeit von vielen kleinen Lasten auf einer gemeinsamen Mission mit geteilten Kosten zu prüfen.

Für Satelliten-Unternehmen hat dieses Modell gegenüber dem Huckepack-Flug als Zweitlast Vorteile. „Satelliten-Anbieter nehmen gern Mitflüge, weil sie dann besseren Service bekommen“, sagt Charles Swenson, Raumfahrtingenieur an der Utah State University. Sie können ihre Satelliten an bestimmten „Haltestellen“ entlang der Route der Mission aussetzen lassen, haben mehr Einfluss auf die Missionsstrategie und bessere Chancen, Sonderwünsche erfüllt zu bekommen.

Der Trend zum Teilen beeinflusst wiederum das Design von Satelliten. Statt nur wenige leistungsfähige und teure Satelliten für eine Anwendung loszuschicken, werden jetzt große Konstellationen von hunderten oder sogar tausenden Kleinsatelliten für dieselben Aufgaben konstruiert. Außerdem denken Hersteller über Satelliten nach, die kompakt und sicher zusammen mit vielen anderen in einen geteilten Laderaum passen.

Am stärksten dürften sich geteilte Starts auswirken, wenn es darum geht, Satelliten einfacher und billiger in höhere und längere Umlaufbahnen zu bekommen. Bei traditionellen Starts ist es nicht möglich, Lasten direkt in Regionen wie den geostationären Orbit (GEO, in knapp 36.000 Kilometern Höhe) zu bringen.

Meist werden Satelliten weiter unten ausgesetzt und müssen dann mit eingebauten Antriebssystemen selbst weiterfliegen, und die können teuer, sperrig und schwer sein.

Bald können sie entbehrlich werden. Die Mission GO-1 von Arianespace soll 2022 direkt in den GEO führen. „Wir erwarten, so etwas wie die Mission GO-1 mindestens einmal pro Jahr anbieten zu können“, sagt Wiener Kernisan, Präsident der US-Tochter Arianespace.

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Natürlich gibt es beim Modell Mitfliegen auch Herausforderungen. Ein halbes Dutzend Satelliten oder mehr für einen einzigen Start vorzubereiten, zu lagern und zu verwalten bedeutet enorm viel Arbeit. So wie manche Menschen den Bus verpassen, könnten manche Satelliten-Kunden ihren Start verpassen. Außerdem könne man leicht den eigenen Satelliten aus den Augen verlieren, wenn viele zur selben Zeit ausgesetzt werden, sagt Swenson.

Und trotzdem: „Damit sich das Geschäft weiterentwickelt, müssen wir neue Lösungen finden“, sagt Kernisan. Tatsächlich denken Arianespace und SpaceX denken bereits darüber nach, ob es möglich ist, mit Hilfe von Booster-Raketen komplexere Routen zu realisieren, um Lasten in extremeren Umlaufbahnen abzusetzen.

(sma)