Zahlen, bitte! 10 Sekunden bis zum Start

Der 10-Sekunden-Countdown bis zum Raketenstart ist unverzichtbar für die Raumfahrt. Die Idee hatte Fritz Lang, um seinem Stummfilm mehr Dramatik zu verleihen.

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Zahlen, bitte! - 10 Sekunden Countdown bis zum Start
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Inhaltsverzeichnis

Ob an Silvester, Geburtstagen oder vor besonderen Anlässen: Um die Spannung bis zu einem besonderen Ereignis aufzubauen und in die Höhe zu treiben, ist der Countdown ein fester Bestandteil der Gegenwartskultur. Seine Hauptaufgabe bleibt aber in der Raumfahrt, die einzelnen Phasen einer Weltraummission sekundengenau durchzutakten. Ursprung des Raumfahrt-Countdown ist allerdings ein Stummfilm: "Die Frau im Mond" von Fritz Lang.

Fritz Lang (rechts) beim Dreh zum "die Frau im Mond".

(Bild: Bundesarchiv)

In diesem Film, der aufwändig in den UFA-Studios in Potsdam gedreht wurde und am 15. Oktober 1929 Premiere hatte, zelebrierte Lang den Start einer Mondrakete durch einen Countdown. Dabei waren weniger die ernsthaften Belange eines Raketenstarts Maßstab für die Idee, sondern die dramaturgische Überlegungen um einen Spannungsaufbau zu erzeugen, da bei einem Stummfilm ja der Ton als unterstützendes Element fehlt.

Regisseur Lang meinte einmal: "Als ich das Abheben der Rakete drehte, sagte ich: Wenn ich eins, zwei, drei, vier, zehn, fünfzig, hundert zähle, weiß das Publikum nicht, wann es losgeht. Aber wenn ich rückwärts zähle: Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, NULL! – dann verstehen sie.“

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Dabei hatte er sich Expertenwissen zunutze gemacht: Raumfahrtpionier Hermann Oberth sowie Rudolf Nebel unterstützten Lang insbesondere in physikalischen Aspekten des Films und beim Bau der Film-Rakete. Und das so gut, dass die Rakete der späteren V2 der Nazis in vielen Aspekten ähnelte (was eben auch daran liegen dürfte, dass Oberth später in Wernher von Brauns Team zum Bau der V2 war). Möglicherweise war es diese realistische Darstellung, die die Nazis dazu brachte 1937 den Film zu verbieten, um keine Rückschlüsse auf die Raketenforschung zu geben.

Alleiniger und erster Erfinder des Countdowns war Lang aber nicht. Bereits in Kapitel 19 von Jule Vernes Buch "Der Schuss am Kilimandscharo" oder auch "Kein Durcheinander" wird die Zeit bis zu einem Ereignis zurückgezählt. Hier ist es allerdings ein Schuss mit einer gewaltigen Kanone.

Vom Countdown bis 3 Minuten nach dem Start - Die Checks und Anweisungen laut Apollo 11 - Flugplan

(Bild: NASA)

Wernher von Braun wiederum war später der Konstrukteur der Saturn V - Rakete des Apollo-Programms. Und hier bekam der Countdown eine zentrale Bedeutung. Durch das Planen eines Zeitablaufs um einen festgelegten Startpunkt konnte das Apollo-Team hochkomplexe Startvorbereitungen, Startabläufe sowie Steuer- und Überwachungsschritte nach dem Start sekundengenau timen, ohne dass es bei einem möglichen Startabbruch oder einer Verschiebung des Starts zu Ablaufschwierigkeiten gekommen wäre. Und das gilt in der Weltraumfahrt bis heute, auch wenn die Countdown-Abläufe mit den Raumfahrtorganisationen im Detail variieren können.

Als "the father of the rocket science" wurde Lang zu Ehren seiner Idee 1964 von der NASA zu einem Space-Science-Seminar eingeladen. Und wahrscheinlich nicht ganz zufällig hatte "Die Frau im Mond" seine deutsche Fernsehpremiere am 12. und 13. Juli 1969 im ZDF, wenige Tage vor Beginn des Countdowns zu Apollo 11.

In der Popkultur nahm dadurch der Countdown auch seinen festen Platz ein. Wenn beispielsweise die "Raumpatroullie Orion" den Frogs einen Besuch abstattet, darf die verzerrte Countdownstimme natürlich nicht fehlen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist darin besonders vernarrt: Der DLR-Newsletter nennt sich Countdown. Und sie haben mit Alexander Gersts Start zur zweiten ISS-Mission einen ganz besonderen Countdown gestartet: Eine Zeitkapsel, die mit Gerst die Erde umrundet hat, wird genau 50 Jahre später im Haus der Geschichte in Bonn wieder geöffnet.

Und nicht nur in Fritz Langs Klassiker, sondern auch in unzähligen weiteren Filmen sind Countdowns ein dramaturgisches Element. Einer der eindrücklichsten ist sicherlich in Wargames zu sehen: Hier handelt der Countdown nicht von einem Raketenstart, sondern von scheinbaren Raketeneinschlägen im Kalten Krieg, die beinahe einen Atomkrieg auslösen.

Der wohl meistbesungenste Astronaut darf natürlich nicht fehlen: Major Tom, den David Bowie einst 1969 in den seltsamen Weltraum brachte, der 1983 laut Peter Schilling trotz Countdown noch Fragen hatte und den der kanadische ISS-Kommandant Chris Hadfield 2013 in einer Sojuz-Raumkapsel zurück zur Erde schickte. Für die schwedische Hard-Rock-Band Europe gab es 1986 hingegen nur einen, the Final Countdown!

Dass nicht jede mit Countdown beworbene Ankündigung glückt, musste jüngst die US-amerikanische Metalband Metallica erfahren. Der Countdown auf der eigens dafür geschalteten Website metallica.xx brachte die Fans weltweit zum Frohlocken: Welttournee? Neues Album? Die Ewartungen wurden aber enttäuscht: Lediglich fünf Festivalauftritte in den USA wurden angekündigt.

[update] Musikabsatz hinzugefügt. (mawi)