Missing Link: Folgen Sie Trump, Trump und Trump auf Twitter

Autorin Elisabeth Bauer pflegt eine On-Off-Beziehung mit Twitter. Doch die Follow-Empfehlungen des Dienstes bleiben eine Konstante.

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Trump, Twitter
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Elisabeth Bauer
Inhaltsverzeichnis

Twitter hat sich gerade ernsthaft Gedanken gemacht, wie es mit "World Leadern" umgehen will, wenn sie ihre Regeln verletzen. Wenn Politiker keine "World leader" sind, ist die Sache ja einfach, da kann man ohne langen Prozess sperren. Aber so einen Trump sperren? Schwierig, schwierig...

Mir würde etwas anderes allerdings schon ausreichen. Dazu ein bißchen Vorgeschichte: Ich bin auch bei Facebook und Twitter. Allerdings bin ich deren einsamste Nutzerin. Ich habe keine Follower, keine Freunde und ich folge auch niemand.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Als ich das erste Mal einen Facebook-Account anlegte, schlug Facebook mir meine Schulfreundin A. vor. Facebook konnte das nur wissen, indem es ihre Kontakte ausgelesen hat. A. war immer computerfeindlich gewesen, "Ich will das nicht verstehen, mit den Dingern will ich nichts zu tun haben". Und so lässt du dich heute also von den Konzernen übertölpeln mit deiner Ignoranz, dachte ich mir.

Ich schloss keine FB-Freundschaft mit A. (die inzwischen eine steile Karriere bei der UNO hingelegt hatte) sondern spielte nur ein paar Runden Farmville mit Freundin B., bis uns langweilig wurde. Facebook kündigte den Account später, weil lisa_underscore ja offensichtlich kein echter Name sei und bei Facebook Realname-Pflicht herrsche.

Ein Beitrag von Elisabeth Bauer

Nach einem Politikstudium und Ausflügen in die Forschung und den Journalismus u. a. bei c't, EasyLinux und Linux-Magazin arbeitet Elisabeth Bauer heute als Software-Entwicklerin für eine Münchner IT-Firma. In ihrer Freizeit engagierte sie sich mehrere Jahre bei der freien Enzyklopädie Wikipedia.

2017 – es war gerade Bundestagswahlkampf – legte ich mir wieder einen Facebook-Account an, mit einer frischen, nie verwendeten Mail-Adresse. Ich wollte sehen, was Facebook so tut, wenn es gar nichts über einen weiß und browste durch die Kategorien. Bei Politik schlug Facebook mir dann vor, ich könne ja den Patrioten, den Freunden der Afd oder den Besorgten Deutschen beitreten.

Ups, klarer Fall von manipulierten Algorithmen, kann ja mal passieren. Facebook sagte "man wolle sich das genauer anschauen".

Ob Facebook bis zum heutigen Tag unbedarften Neulingen den Beitritt zu "Ich-bin-ja-kein-Nazi"-Gruppen nahelegt, hab ich nicht weiter verfolgt. Ich zog dann wieder des Wegs. Facebook schickt mir seitdem verzweifelte Mails "Eugenie Hinterhuber, du hast mehr Freunde als du denkst". Gelegentlich hab ich Eugenies Account noch verwendet, um irgendein Facebook-Posting zu öffnen (fast alle linken Gruppen meinen ja immer noch, sie müssten diesem US-Konzern und seinen Werbepartnern sämtliche Demo-Termine und deren Sympathisanten und Teilnehmer mitteilen).

Twitter war nett. Man brauchte keine Zeitung mehr, sondern bekam von irgendwo trotzdem alles vermeintlich Wichtige mit. Ich folgte interessanten Leuten und hatte nette Follower, bis eines Tages jemand sagte "Ich wandere aus nach Mastodon, kommt doch mit".

Mastodon war netter. Es war Open-Source und dezentral. Die Leute waren herzlicher, haben nicht so viel gestritten und sich nicht gegenseitig niedergemacht. Wenn man über negative Dinge redet, kann man seinem Tweet, der dort Toot heißt, eine Content Warning verpassen. Das machen viele und man muss kein Trauma haben, um positive Auswirkungen auf das geistige Wohlbefinden zu spüren. Meinen Twitter-Account löschte ich.

Aber auch wenn Twitter kein solcher Walled-Garden wie Facebook ist und Inhalte auch ohne Login anzeigt, stellte sich das als unpraktisch heraus. Ich legte also doch wieder einen Account an, mit frischer Mailadresse und so weiter. Dieser folgt niemand und hat auch keine Follower. Er hat nur eine Liste verschiedenster Leute, deren Tweets ich ab und zu ganz oldstyle in zeitlicher Reihenfolge lese.

Wie Facebook will auch Twitter diesen intolerablen Zustand meiner Social-Media-Einsamkeit beenden. Doch wo Facebook die Mailinglisten-Archive der Welt durchflöht, Adressbücher ausspioniert und mit Machine-Learning die Vox populi zu bestimmen glaubt, ist das Ergebnis des Twitter-Algorithmus viel simpler.

Der Standard für Twitters Empfehlungen.

Wann immer ich meine Twitter-Liste aufrufe, ruft mir Twitter zu "Who to follow: Donald J. Trump". Die Nummer 2 und 3 in der Box wechseln durch, meist zwischen Justin Timberlake (über deinen Musikgeschmack müssen wir wann andermal reden, Twitter), Elon Musk und Barack Obama, aber Donald steht verlässlich an erster Stelle. Egal, ob ich als Sprache Griechisch wähle und Grönland als mein Herkunftsland, Twitter ruft: Folge Donald Trump.

Kein Trump? Ein Fehler in der Matrix?

Halt, nicht immer. Am 5. Oktober passierte etwas ganz Seltsames. An der Stelle von Trump sah ich plötzlich so einen komischen Typen im Kapuzenpulli.(Sachdienliche Hinweise, was am 5. Oktober bei Twitter intern passiert ist, nimmt der Heise-Whistleblower-Account dankend entgegen). Am 6. war aber alles wieder beim alten. Trump, Trump, Trump.

Deshalb meine Frage an Twitter: Wieviel bezahlt euch eigentlich der amerikanische Präsident für diesen exzellenten Werbeplatz? Und falls ihr das tatsächlich umsonst macht: Wollt ihr diesen Platz nicht lieber jemand geben, der die Welt retten will statt aktiv daran arbeitet, sie zu zerstören? Mir fiele da eine gute Kandidatin ein. (axk)