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Was war. Was wird. Von Untoten und anderen Personen.

Wenn die Menschheit von Maschinen ersetzt ist, wird die elektronische Person vielleicht die Erde retten. Hal Faber rätselt über seltsame Gedankengänge.

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Was war. Was wird. Von Untoten und anderen Personen.

Isser nich' niedlich? Mal schauen, auf welche Ethik er (oder sie) sich künftig beruft, es mag ja seinen Kant gelesen haben.

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Sie ist tot. Sie ist eiskalt ermeuchelt worden. Ein Begräbnis findet nicht statt, das ist schon immer so bei Unpersonen gewesen, die aus der Gesellschaft ausgestoßen wurden. Die Rede ist von der elektronischen Person, die selbst in dem Labertaschenlexikon Wikipedia nur kurz behandelt wird. Sie ist von der mehrheitlich aus Juristen gebildeten Datenethik-Kommission getötet worden. In der Empfehlung Nummer 73 (hier die Kurzfassung als PDF-Datei) liest sich der Mord so: "Der Gedanke, algorithmischen Systemen hoher Autonomie künftig Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen und sie selbst für Schäden haften zu lassen ('elektronische Person'), sollte nicht weiterverfolgt werden. Soweit dieser Gedanke auf eine Analogie zwischen Mensch und Maschine gestützt wird, ist er schon ethisch nicht vertretbar, und soweit es schlicht um die Anerkennung einer neuen Gesellschaftsform im Sinne des Gesellschaftsrechts geht, löst er keine Probleme." Gut, man kann die Haftung autonom fahrender Autos auch anders begründen, wie das die Kommission in Punkt 74 macht, wenn die Haftung für Gehilfen nach § 278 BGB für die Juristen als ausreichend angesehen wird: "Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden." Aber vor der anstehenden Entwicklung autonomer Autos und vor allem von eigenständigen Pflegerobotern hätte die elektronische Person schon Sinn gemacht.

*** Man muss ja gar nicht so weit gehen wie James Lovelock, der als Vertreter der Gaia-Hypothese bekannt wurde. Sie besagt, dass die Erde ein Lebewesen ist. Deswegen ist Lovelock nun davon überzeugt, dass Maschinenwesen die von uns ruinierte Erde kühlen und retten werden. Spätestens dann, wenn das Anthropozän durch das Novazän abgelöst wird, in dem Mischwesen aus Mensch und Maschine die Erde bevölkern, wird man sich an die "elektronische Person" erinnern. So als Mitbürgerin, die von den Datenethikern eskamotiert wurde, weil es keine Maschinenwürde geben sollte und diese Algorithmen in den Maschinenwesen sowieso kein Taktgefühl haben. Die drei Informatiker dieser Kommission hatten offenbar nicht den Hauch einer Chance, die elektronische Person zu retten. Vielleicht ist der Gedanke, dass es ein Ende der Menschheit geben kann, einfach noch zu neu: Er erstand ja erst, als Immanuel Kant sich seines eigenen Verstandes bediente und seinen Mitmenschen im Gefolge der Gedanken von Edmond Halley über Erdkatastrophen und Kometen erklärte, wie das Ende des Sinns aussehen kann.

*** Wer genau hinsieht, kann ja beobachten, wie Maschinen voller Liebe und Güte bereits mit der Regulierung begonnen haben. Da wäre etwa dieses Smartphone, von dem aus US-Präsident Trump zu später Stunde und am frühen Morgen angeblich in personam twittert. Doch wenn dann davon die Rede ist, das Menschen Abschaum sind, ist es verdächtig. So verunmenschen, das kann nur eine Maschine, die keinen Algorithmus zur Bestimmung der Menschenwürde besitzt, oder? Auch die Tatsache, dass Rudy Guiliani, Trumps eifrigster Helfershelfer, angeblich einen Butt-Dial Schwarzgeld im besten Gangsterstil anfordert, gibt zu denken. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass da eine Maschine ihre Schalter im Spiel hatte? Kann so viel Blödheit bei Juristen vorhanden sein, die doch das Gegenteil von abschäumigen Menschen verkörpern?

*** Natürlich lässt uns die Vorstellung schaudern, dass Maschinen im Spiel sind, gerade zu Halloween, diesen Schaudertagen, die in der IT eine ganz besondere Bedeutung besitzen. Man denke nur an die Halloween-Dokumente von Microsoft. Das ist die Firma, die nun ein ganz besonderes schauriges Halloween-Projekt an Land gezogen hat. Microsoft, nicht Amazon, baut die JEDI-Cloud für das "Pentagon der Macht", gemäß Lewis Mumford das perfekte Symbol eines totalitären Absolutismus. Da kommt das große Heulen und Klappern auf, bei dieser Verschwörung. Und was will uns der erst kürzlich hier erwähnte Peter Altmaier damit sagen, wenn die riesige europäische Cloud, die auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung in Dortmund vorgestellt wird, Gaia X heißt? Sie sind unter uns, die Maschinen, und sie lenken die Erde mit rauchenden Schloten. Irgendwo läuft das Scoring-System von Gaia und der Punktestand der Menschheit schrumpft immer schneller.

*** Wo bleibt das Positive? Fangen wir einmal mit dem Bundeskriminalamt an, dessen Chef Holger Münch in dieser Woche auf einer Goodwill-Tour durch die Redaktionen zog. Seine Nachricht: Seit dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz konnte seine Truppe sieben Anschläge verhindern. In einer anderen Zusammenfassung nannte Münch den Rechtsextremismus "demokratiegefährdend". Ob damit auch die eigenen Beamten gemeint sind, die sich Namen wie Holocaust=fake, H1tler und NateHigger geben, dürfte er noch beantworten müssen. Spätestens bei der anstehenden Herbsttagung seiner Behörde werden sie beantwortet, denn dann geht es um "die Erscheinungsformen und die Dimensionen von Hasskriminalität" in der analogen wie in der digitalen Welt. Für letztere der Heiseticker-Lesern bestens bekannte Cyber-Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger.

Unversehens ist die kleine Wochenschau in der Zukunft angelangt, wo ein Kessel Buntes auf uns wartet. Da warten erstaunliche Ereignisse auf uns wie die Wahl im kleinen Thüringen, wo ein ehemaliger Historiker namens Höcke aus der ersten Regierungsbeteiligung der NSDAP an einer Landesregierung im Jahre 1930 seine Inspirationen bezieht, da er kein eigenständiger Denker ist. Schöner ist es da in Hannover, wo ein Grüner Chancen hat, die über 70 Jahre währende Herrschaft der SPD zu beenden.

Es folgt weitaus weniger dramatisch der Digital-Gipfel in der Bierstadt Dortmund mit dieser Cloud Gaia X, getragen von Bosch, der Deutschen Telekom, SAP und Siemens. Weitere Projekte zur Industrie 4.0 und zum Smart Living 5.0 sollen zeigen, wie sich "Deutschland auf dem Weg zum souveränen Standort" befindet. Schaut man ins Programm, ist alles irgendwie eine "Plattform".

Gleich neben Dortmund liegt die Bierstadt Köln – wobei diese Zueignung bei manchen Biertrinkern angesichts solcher Dinge wie "Kölsch" doch sehr umstritten ist, jedenfalls wird in Köln mit der Messe Digital X so etwas wie "Digitalisierung zum Anfassen" geboten. Bei der Telekom wird etwas namens "Edge in the Box" gezeigt, womit man wohl die Chance hat, einmal eine Cloud zu streicheln. Ähnliches möchte ich mal bei "Blockchain as a Service" sehen, ordentliche solide rasselnde Ketten um den Hals all derer, die über die Blockchain schwafeln. Ein Beispiel? "Die Hoffnung, die sich 1945 mit der Gründung der Vereinten Nationen verband, ruht heute auf Blockchain als Code eines weltbürgerlichen Gesellschaftsvertrags," heißt es in einer einstmals ehrwürdigen Zeitung.

Zwischen Dortmund und Köln liegt Düsseldorf, angeblich auch eine Bierstadt. Im November ersäuft sie regelmäßig unter dem Ansturm der Besucher der Medica, diesmal mit dem Schwerpunkt "Internet of Medical Things", dem 3D-Druck von Körperteilen und eben jenen Behandlungs- und Pflegerobotern, in denen wir keine "elektronischen Personen" sehen. Das alles komplettiert mit Exoskeletten, die zeigen, was passiert, wenn in China ein paar Säcke Reis umfallen. Immer wieder gern gesehen ist auch die Gematik dabei, mit weiteren Hinweisen, wie man einen Konnektor in der Praxis anschließt. Das Thema beschäftigt Viele, denn nicht nur Gesundheitsapps sollen gefälligst sicher mit medizinischen Daten umgehen, sondern auch die Ärzte. Sonst alpt der Traum vom digitalen Krankenschein. So mancher ist da aus schönen Träumen gerissen, wie es das Ende des Ärzte-Vernetzungsprojekt bei T-Systems zeigt. Ein Konnektor macht noch keinen Sommer, so eine uralte Bauernweisheit. (jk)