Klassiker neu gelesen: Walden Two

Wie lebt es sich in einer Kommune, ausgerichtet nach Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie? B.F. Skinner verwandelte diese Frage 1948 in einen Roman.

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So bekannt der Psychologe B. F. Skinner für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Verhaltenskontrolle wurde – so umstritten machten sie ihn. Gab er doch das Bild eines eiskalten Rationalisten ab, der sich rühmte, mit "operanter Konditionierung" Verhaltensweisen "wie Lehmklumpen formen" zu können. Skinner selbst aber verstand seine Wissenschaft nicht als Kontrollinstrument, sondern als Weg zu einem besseren Leben. Zugleich war ihm bewusst, wie nah beides beieinander liegt. Und damit ist sein Werk wieder ziemlich aktuell, leben wir doch in Zeiten der von seinem Behaviourismus inspirierten Digitalplattformen.

1948 veröffentlichte Skinner einen Roman, in dem er diese Gedanken explizit ausspann: "Walden Two" schildert eine utopische Kommune, die sich nach den Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie ausrichtet. Der Ich-Erzähler besucht diese Kommune gemeinsam mit einem Kollegen und zwei Studenten samt deren Freundinnen und findet ein wahrhaft utopisches Szenario: Den Gemeinde-Mitgliedern gehört alles gemeinsam. Im Schnitt muss jeder nur vier Stunden pro Tag arbeiten. Die Kinder werden von allen gemeinsam erzogen. Hauptsächliches Erziehungsmittel ist positive Verhaltensverstärkung, während auf Strafe bewusst verzichtet wird. In zahlreichen Gesprächen mit Frazier, dem Gründer der Kolonie, diskutieren die Besucher ihre Fragen und Einwände. Wenig überraschend behält Frazier argumentativ stets die Oberhand.

Doch die schöne neue Welt wird von einer technokratischen Elite regiert, die ihren Bewohnern keine freie Wahl lässt. Vielmehr wird jedes Detail des Lebens so gestaltet, dass niemals der Wunsch aufkommt, sich regelwidrig zu verhalten. In den 1960 Jahren hat der Roman in den USA die Gründung realer Kommunen inspiriert. Eine davon, Twin Oakes, existiert zwar noch immer. Die undemokratische Führungsstruktur und die strikt kollektive Kindererziehung gaben die Bewohner jedoch schon kurz nach der Gründung auf.

B.F. Skinner: "Walden Two" Hackett Publishing, 300 Seiten, 16,50 Dollar

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(jle)