US-Wahl 2016: Trump wollte Zugriff auf Demokraten-Mails bei Wikileaks

Das US-Justizministerium muss Gesprächsnotizen aus den Mueller-Ermittlungen freigeben. Trumps Wahlkampfteam versuchte demnach, an geleakte E-Mails zu kommen.

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US-Wahl 2016: Trump wollte Zugriff auf Demokraten-Mails bei Wikileaks

(Bild: Gemeinfrei (US Navy))

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Während des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 haben der spätere Wahlsieger Donald Trump und mehrere Mitglieder seines Wahlkampfteams darüber diskutiert, wie sie Zugriff auf E-Mails der Demokratischen Partei erlangen und damit Trumps Gegnerin Clinton Schaden zufügen könnten. Die E-Mails befanden sich damals nach einem erfolgreichen Angriff russischer Hacker auf die IT-Systeme der Demokraten im Besitz der Enthüllungsplattform Wikileaks, die die Nachrichten ab Juli 2016 nach und nach veröffentlichte.

Diese Informationen gehen aus Gesprächsnotizen des Sonderermittlers Mueller hervor, die er im Zuge seiner Untersuchung zu russischer Einflussnahme auf die US-Wahl 2016 bei Zeugenbefragungen anfertigte. Der Nachrichtensender CNN und das Online-Magazin Buzzfeed News hatten vor Gericht erfolgreich auf Herausgabe der Unterlagen geklagt. Das US-Justizministerium muss nun auf richterliche Anordnung die angeforderten Dokumente veröffentlichen; an diesem Wochenende gab es die erste Tranche frei, eine nach CNN-Angaben 274 Seiten umfassende, stark redigierte Sammlung von Zusammenfassungen. Laut dem Buzzfeed-Bericht (in dem auch mehrere Auszüge aus den Dokumenten zu lesen sind) muss das Justizministerium zudem in den kommenden acht Jahren monatlich Dokumente zu den Mueller-Ermittlungen an CNN und Buzzfeed herausgeben.

In den Gesprächsnotizen wird unter anderem Trumps damaliger stellvertretender Wahlkampfleiter Rick Gates damit zitiert, dass Trump, sein Sohn und weitere führende Mitglieder des Wahlkampfteams auf die Herausgabe der E-Mails hofften, um an belastendes Material gegen Clinton zu gelangen. Der damalige außenpolitische Berater Michael Flynn sollte seine guten Kontakte zu Geheimdienstkreisen nutzen, um an die E-Mails zu kommen. Flynn wird in den Unterlagen zudem als derjenige mit den besten Kontakten zu Russland beschrieben.

Außerdem habe Donald Trump selbst gehofft, dass die E-Mails rasch veröffentlicht würden. Er soll über den langsamen Fortschritt der Veröffentlichung bei Wikileaks frustriert gewesen sein. Wikileaks hatte Ende Juli 2016 damit begonnen, die ihnen zugespielten zahlreichen E-Mails mehrerer DNC-Mitarbeiter ins Internet zu stellen. Sie offenbarten hauptsächlich innerparteiliches Taktieren zwischen den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern sowie mögliche Kampagnen zum Schlechtmachen des Konkurrenten Trump und des demokratischen Mitbewerbers Bernie Sanders.

Der im März 2019 vorgelegte Bericht des FBI-Sonderermittlers Robert Mueller zu einer möglichen Beeinflussung der US-Wahl 2016 durch Russland fand zwar keine direkten Beweise für Absprachen zwischen Trump und seinem Team mit Russland, entlastete den Präsidenten aber nicht vom Vorwurf der Justizbehinderung. Jedoch fand Mueller heraus, dass sich Trumps Wahlkampfteam für die E-Mails der Demokraten bei Wikileaks interessierte – Details dazu sind in der bisher einzigen verfügbaren Version des Mueller-Berichts geschwärzt. Die jetzt veröffentlichten Notizen füllen einige der Lücken.

Allerdings enthüllte Mueller im Verlauf seiner Ermittlungen auch Details zum Hackerangriff auf das Büro Clintons, die schließlich im Juni 2018 zu einer Anklage gegen 12 namentlich bekannte russische Hacker in Diensten des russischen Militärnachrichtendienstes GRU führten. Trump hatte 2016 während des Wahlkampfs live im Fernsehen Russland dazu aufgerufen, E-Mails von Clinton zu suchen, die sie nach eigenen Angaben von einem privat betriebenen Server gelöscht hatte.

Aus den nun veröffentlichten Gesprächsnotizen Muellers geht weiterhin hervor, dass Trumps damaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort die These verbreitete, nicht Russland stecke hinter dem Hackerangriff, sondern er sei "das Werk von Ukrainern". Dies widerspricht jedoch den Erkenntnissen der FBI-Untersuchungen, die russische Hacker verantwortlich machen. Manafort wurde Anfang 2019 wegen Falschaussage bei den Ermittlungen zur Russland-Affäre von einem Gericht verurteilt.

Die angeblichen ukrainischen Hacker seien in die IT-Systeme der Demokraten eingedrungen – so die in Trumps Umfeld mittlerweile etablierte Behauptung – und hätten dort Spuren hinterlassen, die auf Russland hindeuteten und so Trumps Legitimität als Präsident untergraben sollten. Diese Theorie verbindet die Russland-Untersuchungen auch mit der aktuellen Ukraine-Affäre, in deren Verlauf die Demokraten eine Amtsenthebungs-Untersuchung gegen Trump eingeleitet haben. Trump hatte den ukrainischen Präsidenten telefonisch unter anderem dazu aufgefordert, die Rolle der Ukraine bei dem Hackerangriff damals zu untersuchen.

Dass ausgerechnet Donald Trump ungeduldig auf die Veröffentlichung belastenden Materials seiner Gegnerin durch Wikileaks hoffte, entbehrt nicht einer bitteren Ironie für die Enthüllungsplattform und ihre Zuträger. Musste sich Wikileaks wegen der Veröffentlichung der Demokraten-E-Mails viel Kritik anhören, als unfreiwilliger Wahlhelfer Trumps zu agieren, hat die Plattform in einem anderen Fall den Zorn der derzeitigen US-Regierung auf sich gezogen: 2010 hatte Wikileaks zusammen mit tausenden Seiten geheimen Materials auch ein Video veröffentlicht, das ein Massaker einer US-Hubschrauberbesatzung im Irak 2007 dokumentiert und weltweit Kritik am US-Militär hervorrief.

Die verantwortliche Informantin Chelsea Manning wurde dafür verurteilt, dann begnadigt und kürzlich wegen Aussageverweigerung erneut inhaftiert. Und Wikileaks-Gründer Julian Assange wartet derzeit in einem Londoner Gefängnis auf sein Verfahren über eine Auslieferung an die USA unter anderem wegen Geheimnisverrats. Die Anklage Assanges in den USA wurde vielfach als Aushebelung des Schutzes der Rede- und Pressefreiheit kritisiert. (tiw)