Ethik für die Blockchain

Eine interdisziplinäre Gruppe von Akademikern hat begonnen, sich mit ethischen Fragen von Blockchain-Technologie zu beschäftigen ­– denn Forschung auf diesem Gebiet kann ausgesprochen heikel sein.

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Blockchain-Technologie braucht gesetzliche Grundlagen

(Bild: Davidstankiewicz (Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Mike Orcutt

Das Wort "Ethik" scheint auf den ersten Blick nicht recht in die Nachbarschaft von "Blockchain" zu passen – die Digitalwährung ist schließlich nicht zuletzt für viele Betrügereien mit ihr bekannt. Trotzdem findet eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, dass es nicht nur Sinn hat, über „Blockchain-Ethik“ zu diskutieren – sie finden es sogar dringend erforderlich.

Denn wenn man davon ausgeht, dass Blockchain-Technologie erhebliche Bedeutung in der Gesellschaft bekommen wird, dann verdient auch sie ihre eigene Abteilung der Ethik, so wie Biotechnologie, künstliche Intelligenz oder Nukleartechnologie. So sieht es jedenfalls Rhys Lindmark, Leiter Community und Long-term Societal Impact bei der Digital Currency Initiative des MIT.

Lindmark äußerte sich Anfang Oktober beim Cryproeconomic Systems Summit, einer Konferenz für Blockchain-Entwickler, Ökonomen, Finanztechniker, Juristen und andere Wissenschaftler aus relevanten Disziplinen. Die Teilnehmer wollten die Grundlagen für ein neues Forschungsgebiet schaffen, das sich mit den vielen interdisziplinären Aspekten der Blockchain-Entwicklung befasst. Blockchain-Ethik könnte man als Teilgebiet davon verstehen. Lindmark sprach von "einer Gruppe von Menschen, die sich auf die Frage konzentrieren, wie sie die Entwicklung dieser Technologie positiv beeinflussen können".

Noch ist Blockchain-Technologie größtenteils eine Nischenanwendung – verglichen mit traditionellen Finanzmärkten ist der Wert des Kryptowährungsmarktes winzig, und er hat geringen oder gar keinen Einfluss auf das globale Finanzsystem. Eher gelten Kryptowährungen als Möglichkeit, mit volatilen Preisen zu spekulieren. Doch das könnte sich ändern. Etablierte Institutionen wie Fidelity Investments und die Intercontinental Exchange (Eigentümerin der New Yorker Börse) setzen die Technologie bereits ein. Facebook möchte eine eigene globale Digitalwährung starten. Und auch Zentralbanken stehen kurz davor, bei digitalem Geld mitzumischen.

Wie Lindmark sagte, gilt für Blockchain-Ethik dasselbe wie für andere Gebiete der "Technologie-Ethik": Man muss sich damit beschäftigen, zu was die Technologie fähig ist, und die möglichen Konsequenzen durchdenken. So machen Blockchains es möglich, "führerlose" dezentralisierte Organisationen zu schaffen. Bedeutet das, dass niemand verantwortlich ist, wenn etwas schiefgeht? In öffentlichen Blockchains wie Bitcoin sollen die gemeinsamen Regeln der Netzwerk-Software automatisch festlegen, welche Verhaltensweisen zulässig sind.

Aber ist es dann unethisch, wenn ein Nutzer versucht, von Lücken im Protokoll zu profitieren, ohne seine Regeln zu brechen? Unterdessen könnten globale Digitalwährungen wie die von Facebook vorgeschlagene den Charakter von Geld verändern. Wie würde sich das auf Politik und Machtdynamiken auswirken?

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Ein konkreterer, kurzfristiger Punkt hängt mit Blockchain-Forschung zusammen. Ähnlich wie Biotechnologien und Nanotechnologien bringen auch Blockchains und Kryptowährungen eine neue Klasse von "ethischen Risiken" für Forscher mit sich, sagte Quinn DuPont, Assistant Professor am University College Dublin.

Blockchain-Forscher sollten sich auf standardisierte Richtlinien für ihre Arbeit verständigen, sagte Quinn weiter. Denn die Untersuchung von Krypto-Netzwerken kann das Geld anderer Leute gefährden, etwa beim Suchen und Offenlegen von Sicherheitslücken. Eine der Folien in der Rede von DuPont auf der MIT-Konferenz zeigte eine Twitter-Umfrage, veröffentlicht von Philip Daian, Forscher bei der Initiative for Cryptocurrencies and Contracts der Cornell University. Ob es ethisch vertretbar sei, Studenten die Aufgabe zu geben, eine Lücke in einem realen intelligenten Blockchain-Vertrag zu finden, hatte Daian gefragt. Zwei Drittel der 1262 Teilnehmer antworteten mit Ja.

In der traditionellen Computer-Sicherheitsforschung gibt es ein ähnliches Dilemma. Doch bei Blockchains kann derartige Forschung noch weiter reichen – "man knackt nicht nur ein soziales Netzwerk oder ein anderes System, das vielleicht sogar relativ wichtig ist", sagte DuPont. "Man erklärt den Leuten buchstäblich, wie sie in die Bank eindringen können."

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