Consumer's Cut

Netflix will seinen Nutzern erlauben, Filme schneller abzuspielen. Ist das ein unerlaubter Eingriff in Kunstwerke?

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Es gibt Innovationen, bei denen man sich wundert, warum es sie nicht schon lange gibt. Dazu gehört zum Beispiel die Ankündigung, dass Netflix seine Filme und Serien künftig auch in halber oder anderthalbfacher Geschwindigkeit abspielen will. Der Ton soll dabei erhalten und entsprechend angepasst werden, so dass die Schauspieler nicht plötzlich wie Schlümpfe klingen.

Die Regisseure sind "not amused", weil sie das für einen Eingriff in ihre Kunst halten. Tja, liebe Freunde, vielleicht solltet ihr einfach bessere Drehbücher schreiben, die Zuschauer auch ohne Zeitraffer bei der Stange halten? Im Moment ist es doch so: Kein Stoff kann intelligent oder originell genug sein, dass Hollywood-Autoren darin mehr als einen Vorwand sehen, möglichst viele Verfolgungsjagden, Schießereien oder Prügeleien hineinzupacken.

Ich persönlich ertrage Mainstream-Filme nur noch mit der Möglichkeit, bei solchen Stellen jederzeit vorspulen zu können. Ich traue mir sogar zu, komplette Filme in vier- oder achtfacher Geschwindigkeit zu sehen, ohne den Handlungsfaden zu verlieren. Ich weiß schon vorher, dass der Held seine Kämpfe immer knapp gewinnt, auf Verfolgungsjagden um Haaresbreite entkommt, und dass Kugeln halbe Häuserblocks durchlöchern können, ohne lebenswichtige Organe handlungswichtiger Charaktere zu treffen.

Ich weiß, dass sich Protagonist und Protagonistin in den ruhigen Momenten nach etwa zwei Drittel der Filmlänge, wenn sie zum ersten Mal von ihren Verfolgungsjagden verschnaufen können, über ihre Kindheit in Iowa oder Idaho unterhalten werden, und darüber, was ihr Daddy sie immer gelehrt hat. Ich weiß, dass beim Showdown erst ganze Stadtviertel zerlegt werden müssen, bevor den Bösewicht die gerechte Strafe ereilt. Wozu sollte ich mir das Ganze noch in Echtzeit anschauen?

Hier wäre doch ein schöner Einsatz für Künstliche Intelligenz: Schnittfassungen nach eigenen Vorlieben – Consumer’s Cut gewissermaßen. Wer auf Action steht, bei dem werden sentimentale Liebesszenen ausgeblendet, und umgekehrt. Ich würde mir beispielsweise einen Schnitt von "Herr der Ringe" wünschen, der nur aus Landschaftsaufnahmen besteht, und der mir alle Massenschlachten erspart und Dialogzeilen wie "Ein Schatten bemächtigt sich meiner Seele, nun, da wir uns trennen müssen, mein teurer Freund".

Eine Nebenwirkung dürfte allerdings sein, dass man die Längen des wahren Lebens schlechter erduldet. Schon heute erwische ich mich oft dabei, mir eine Fernbedienung zu wünschen, um langatmige Gespräche zu beschleunigen.

(grh)