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Was war. Was wird. Vom erneuerbaren Stoff, aus dem die Daten sind

Daten – der erneuerbare Treibstoff dieses Jahrhunderts. Was wird in Zukunft damit angetrieben, fragt sich Hal Faber, und wer denkt sich so etwas aus?

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Was war. Was wird. Vom erneuerbaren Stoff, aus dem die Daten sind

(Bild: Pixabay)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Sapperlot, da hat die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem CDU-Parteitag eine lange, nörgelnde und anklagende Rede gehalten, als hätte die Partei 14 Jahre lang die harten Bänke der Opposition gedrückt. Stolz wird prompt vermeldet, ihre mitschläfernde Rede habe die DNA der CDU zum Ausruck gebracht. Immerhin gab es mal Beifall, als sie kämpferisch ein "Digitalisierungsministerium" forderte. Das soll mutig gewesen sein, so die einschlägigen Kommentare. Da geht noch was, liebe Große Koalition unter Beteiligung der CDU! Wie wäre es mit zwei Digitalisierungsministerien? Eines ist für die 0 zuständig, das andere für die 1. Jeweils zur Mittagspause treffen sich dann 0 und 1, um im Digitalisierungslabor von Horst Seehofer ein Mittagsschläfchen zu halten. Ist ja soo anstrengend, dieses Neuland. Natürlich hat AKK Akzente gesetzt. Während die aktuelle Bundeskanzlerin Angela Merkel davon gesprochen hat, dass die Daten das neue Öl sind, hat die kommende Bundeskanzlerin davon gesprochen, dass "Daten der erneuerbare Treibstoff" dieses Jahrhunderts sind. "Erneuerbarer Treibstoff", klingt das nicht fantastisch und irgendwie voll öko-logisch? Schimmert da nicht das große Heilsversprechen vom Datenreichtum mit? Was erneuerbar ist, kann man speichern, kopieren und nochmal speichern und verhökern, es kommt ja immer was dazu.

Erneuerbarer Treibstoff.

*** Wenn Treibstoff ausfließt, dann gibt es eine große Sauerei und die Feuerwehr kommt. Das ist bei diesem Datentreibstoff nicht anders, wie der Datenknaller der Woche zeigt. Zehntausende von Patientendaten offen im Internet dank offener SMB-Ports, verursacht durch eine vergeigte Konfiguration bei den Benutzerrechten in Kombination mit einem nachlässig geprüften Router der Telekom. Zur Explosion wäre es gekommen, wenn jemand diese Daten verscherbelt. Jetzt gibt es eine muntere Debatte, wer alles in der Haftung ist. Der Arzt, der technische Dienstleister, die Telekom oder alle zusammen. Da wiederhole ich doch glatt einen Link der letzten Wochenschau auf einen Text zur Haftungspflicht des Arztes, im Vorfeld der Medica gepostet. Während auf dieser Messe von den Chancen des Digitalen-Versorgungs-Gesetzes geschwärmt wurde und wieder mal ein Besucherplus erzielt wurde, wollte niemand die reale Gefahr des Datenminus beim Abfangen der Patientendaten kommentieren. Gesundheitskritisch gab man sich allenfalls im Stil des Silicon Valley, wo das Dopamin-Fasten der Ditouzou très chic geworden ist. Ditouzou ist chinesisch und kann als "Volk der Kopfbeuger" übersetzt werden, ein Volk, das den aufrechten Gang verlernt, weil es immerzu aufs Smartphone starrt.

*** Die Rede von den Daten als erneuerbarer Treibstoff erklärt auch, warum ein mit begrenzten kognitiven Fähigkeiten ausgestatteter Verkehrsminister gleichzeitig Minister für die digitale Infrastruktur ist. Wo Treibstoff, da Verkehr, wo Verkehr, da viel Arbeit. Die digitale Infrastruktur wird nun von der neuen Staatssekretärin Tamara Zieschang mit ruhiger Hand geführt, die zuvor Staatssekretärin für Inneres und Sport in Sachsen-Anhalt war. Das ist das Land mit dem Hashtag #moderndenken und dem Slogan "Hier macht das Bauhaus Schule". Zieschangs Posten bekommt jetzt der 62-jährige Rainer Wendt, im Hauptberuf Scharfmacher bei der Deutschen Polizeigewerkschaft. Zuletzt hatte Wendt den Fall Miri kommentiert und von skrupellosen Anwälten gesprochen, die den Rechtsstaat aushebeln wollen. Ach, was heißt schon Rechtsstaat, für Wendt ist es die Kuscheljustiz. In Sachsen-Anhalt wird er ganz gewiss die innere Sicherheit fördern und besonders die Außengrenzen des Landes gegen die invasive Migration stärken. Der eine oder andere Vorstoß zu der von seiner Gewerkschaft angepriesenen Videoaufklärung (PDF-Datei) dürfte da nicht fehlen. #moderndenken geht anders.

*** Den Hashtag #verkehrtdenken gibt es noch nicht. Eigentlich schade, denn das, was unter dem amtierenden SPD-Finanzminister Olaf Scholz gerade passiert, ist ein Skandal erster Güte. Die einst mit vielen Vereinen wie dem Deutschen Freidenker-Verband gesegnete SPD will das Gemeinnützigkeitsrecht "reformieren". Vereine dürfen sich künftig zwar politisch engagieren, doch sind sie nur dann steuerlich begünstigt, wenn das Engagement thematisch dem Vereinszweck entspricht. Das ist ein elendes Armutszeugnis, entspricht aber der harten Linie, denen Vereine wie Attac oder die Petitionsplattform Campact zum Opfer gefallen sind. Jetzt ist nach einer Entscheidung des Finanzamtes Berlin der VVN-BDA an der Reihe, der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, gegründet von Überlebenden der Konzentrationslager, basierend auf dem Schwur von Buchenwald. Im Prüfverfahren habe der von SPD und KPD-Mitgliedern gegründete Bund nicht nachweisen können, dass man keine extremistische Organisation sei. Auf diese verquere Sicht der Geschichte sattelt nun der künftige SPD-Parteiführer seine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Mit Grausen kann man zusehen, wie die SPD die letzten Schritte vom aufrechten Gang verlernt und in die Bedeutungslosigkeit stolpert. Irgendwann ist sicher auch Politik digital dran, denn PolitikerInnen sind Fleisch und Blut und niemals digital. Ehrenwerte Bürger sind bei der Zivilen Koalition. So endet das Projekt Aufklärung als Appell an den Bürger, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen.

*** Achja, die Aufklärungstechnik, da gibt es immer etwas zu erzählen. Die erste von fünf Global Hawk-Überwachungsdrohnen der NATO ist bei ihrem Heimatstützpunkt im sizilianischen Signorella angekommen. Von dort aus wird sie in großen Höhen Frankreich und Deutschland überfliegen, um dann iihre Überwachungschleifen über der Ukraine drehen. Wer will, kann die Drohne verfolgen. Vielleicht findet sie ja diese geheimnisvollen Server, von denen republikanische US-Politiker und ihr Präsidentendarsteller faseln. Etwas ernster ist da die Frage, was aus der deutschen Drohne Euro Hawk wird, die in Manching vor sich herrostet. Die Ersatzteile, Werkzeuge und Prüfgeräte wurden an die NATO verkauft, zurück ist nur die fluguntaugliche Drohne geblieben. Zuletzt soll Kanada ein Kaufinteresse gehabt haben, ist dann aber abgesprungen.

*** Als Hacker kann man Millionär werden, wenn man eine richtig wichtige Schwachstelle findet. Da Andere auch Geld haben wollen, liegt das Interview mit dem deutschen Super-Hacker Julien A. hinter einer Paywall. Er ist noch nicht einer der fünf bis sechs Bounty-Millionäre, konnte sich und seiner Partnerin aber schon eine Weltreise leisten. Sein Geschäftsgeheimnis: mit mehreren Bounty-Firmen arbeiten, und aus vielen kleinen Sicherheitslücken und Unachtsamkeiten einen Angriff vorzuerfinden, der eine Firma wirklich im Mark so treffen kann, dass ihr der erneuerbare Treibstoff flöten geht, zerstört oder verschlüsselt wird. Je komplexer, je teurer, je höher der Gewinn für den Bounty-Kopfgeldjäger.

So sieht das Automatenzeitalter im Theater aus.

(Bild: Konrad Fersterer)

In Nürnberg wird Theater gespielt. Seit Donnerstag gibt es ein Stück über das Automatenzeitalter, frei nach dem 1930 veröffentlichten Roman von Ludwig Dexheimer. Die Sache ist deswegen erwähnenswert, weil der im Jahr 2500 spielende Roman das Internet vorweggenommen hat, auch die künstliche Intelligenz sowie eine Art Wikipedia und erneuerbare Energien sind im Roman zu finden. Allerdings entstand der Roman in Offenbach am Main. Die Bavarian Space Force von Markus Söder gehört zur künstlerischen Freiheit, ist er doch der größte Sohn seiner Stadt und niemand anders. Mit seinem Roman hatte der Pazifist Dexheimer keinen Erfolg. Als die Nazis an die Macht kamen, wurde das Buch verboten, weil in ihm alle Völker und Rassen in Frieden miteinander leben und es keine Kriege gibt.

Das bringt uns zurück in die Gegenwart. In der anstehenden Woche beginnt das zehnte Internet Governance Forum der UN in Berlin, auf dem über eine Friedensordnung für das Internet diskutiert wird. Die Vorlage liefert die Global Commission on the Stability of Cyberspace. Sie hat in einem auf dem Pariser Friedensforum vorgestellten Report acht Normen aufgestellt, die von allen UN-Staaten eingehalten werden müssen, damit der Cyberspace friedlich bleibt und nicht in ihm herumgecybert wird, weder als Angriff noch als Hack-Back. Sie reichen vom Verbot, Botnetze einzusetzen bis zur Verpflichtung der Staaten, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, die eine Cyber-Hygenie garantieren. Das oberste Gebot ist natürlich "Du sollst das Internet nicht töten", ausformuliert als "State and non-state actors should neither conduct nor knowingly allow activity that intentionally and substantially damages the general availability or integrity of the public core of the Internet, and therefore the stability of cyberspace." Die Friedensordnung für das Internet enthält auch die Verpflichtung für Staaten, Unternehmen und Entwickler, alle erkannten Sicherheitslücken sofort offen zu melden und gemeinsam an dem Schließen dieser Lücken zu arbeiten. Die Zeit der Bounty-Kopfgeldjäger ist dann vorbei und Router, die gleich eine ganze Reihe von Ports für den Zugriff auf Patientendaten öffnen, sind ein Ding der Vergangenheit. "Kühe und Bären werden auf der Weide gehen, daß ihre Jungen beieinander liegen; und Löwen werden Stroh essen wie die Ochsen." (bme)