IGF: Techno-Nationalismus in der Huawei-Debatte

Ausrüstungsverbote, Tech-Nationalismus und digitale Souveränität werden heiß gehandelt beim IGF. Für mehr Sicherheit sorgen sie nicht zwangsläufig.

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IGF: Techno-Nationalismus in der Huawei-Debatte

(Bild: Paul2015/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Australien folgte als erstes Land dem Aufruf des US-Präsidenten, Huawei nicht zum Ausrüster des 5G-Netzausbaus zu machen. Indien hat sich noch nicht erklärt und in Deutschland bekommt der Wirtschaftsminister böse Post, weil er sein Nein zu einem Verbot auch mit dem Verzicht auf Boykotte gegen US-Firmen im NSA-Skandal erklärt hat. Sind die aufgeheizten Debatten allein Ergebnis von Sicherheitsbedenken oder auch Ausdruck eines um sich greifenden Tech-Nationalismus? Darüber diskutierte ein vom Internet Governance Project organisierter überfüllter Workshop beim 14. Internet Governance Forum in Berlin.

Australiens Entscheidung gegen Huawei als Ausrüster des 5G-Kernnetzes im eigenen Land habe nichts mit Tech-Nationalismus zu tun, versicherte nun Tobias Feakin, Australiens Botschafter für den Cyber-Bereich. Er sei Ergebnis einer auf der Basis vieler Kriterien und herstellerunabhängiger Prinzipien gefällten Entscheidung. Zukunftssicherheit für australische Unternehmen sei dabei mindestens ebenso wichtig gewesen wie nationale Sicherheit, verteidigte Feakin die australische Linie.

"Ich würde nicht sagen, dass Australien dem Tech-Nationalismus anhängt. Ich würde eher von einer strategischen Haltung im Bereich Technologie sprechen", so Feakin. "Technologie ist heute zentraler Teil geostrategischer Politik".

Das Thema digitale Souveränität steht auch in Indien, wo eine eigens von der Regierung eingesetzte Expertengruppe sich kürzlich gegen einen kompletten Bann von Huawei für 5G ausgesprochen hat, klar auf der politischen Agenda, sagte Jyoti Panday, die am Indian Institute für Management Indiens Telekommunikationspolitik erforscht. "Der Aufstieg Chinas hat in den vergangenen Jahren illustriert, wie eine techno-nationalistische Politik als Entwicklungsstrategie funktionieren kann", sagt Patay. Die zwei Seiten des Tech-Nationalismus, eigene Kapazitäten aufbauen und abschotten gegen Technik von außen, waren auch Thema der Eröffnungsrede von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Abschottung, so die Kanzlerin, geht nicht. Als Individuum und Gesellschaft Kontrolle über die eigene Entwicklung zu behalten, sei aber wichtig.

Die Expertenrunde diskutierte eingehend die möglichen Folgen für die Sicherheit. Donald Morrissey, Leiter U.S. Congressional, State, and Local Government Affairs für Huawei – vorgestellt aber nur kurz als "Huaweis Lobbyist in Washington" – wehrte ab. Ausrüstungsentscheidungen nach der Herkunft eines Unternehmens zu treffen, mache wenig Sinn, wenn auch das Innenleben der Konkurrenzprodukte je zu einem Drittel aus den USA, China und Europa komme.

Huawei sei überdies bereit, sich externen Prüfungen durch Dritte zu unterwerfen, und setze auf Sicherheit und gute Designkonzepte von Anfang an. Morrissey wiederholte auch die Zusicherungen des Unternehmensgründers Ren Zhengfei, dass man eher die Firma zusperren als den Kunden schaden würde.

Durch einen Bann von Huawei werde man von chinesischer Technologie unabhängiger, widersprach Jan-Pater Kleinhans, Projektleiter IT-Sicherheit beim Internet der Dinge bei der Stiftung Neue Verantwortung. Das Thema Sicherheit müsse davon aber getrennt betrachtet und auch geprüft werden. Kleinhans verwies unter anderem darauf, dass in der 5G-Standardisierung dezidiert auf eine verbindliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Mobilkommunikation verzichtet worden ist. Vertreter des Innenministeriums hatten dazu zuletzt beim deutschen IGF in Berlin unterstrichen, natürlich beanspruche man "keine Hintertür". Vielmehr wolle man eine "Vordertür", um auf die Mobilfunkkommunikation zugreifen zu können.

Kleinhans blickt optimistisch auf die weitere Entwicklung des Streits um Huawei als Ausrüster. Genauso wie nach den Snowden-Enthüllungen US-Sicherheitsgesetze novelliert wurden, werde auch die chinesische Regierung mit der Zeit erkennen, dass sie ihren eigenen Unternehmen durch Bestimmungen über den Zugriff auf deren Daten schade.

In Washington, so Kleinhans, hätten mit den Unternehmensverlusten US-amerikanischer Konzerne die Telefone geklingelt. In China würde das vielleicht noch eine Weile dauern. Moderator und Telekom-Politikexperte Mueller dämpfte diese Erwartungen allerdings mit dem Hinweis, dass die Änderungen in den US-Gesetzen sich praktisch ausschließlich auf den Schutz von US-Bürgern bezogen. (mho)