Das war 2019, das wird 2020: Rück- und Ausblick auf das Kamerajahr

2019 brachte manchen Hersteller zu neuen Sensorformaten. Andere kämpften mit fiesen Gerüchten. Läutet 2020 nun sogar das Ende der klassischen DSLR ein?

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Das war 2019, das wird 2020: Rück- und Ausblick auf das Kamerajahr

(Bild: REDPIXEL.PL/Shutterstock.com)

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Inhaltsverzeichnis

2019 war turbulent und durchwachsen, sowohl für die Kamerahersteller als auch für die gesamte Branche. Zeit das Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen und einen Ausblick zu wagen, was 2020 bringen könnte.

Auch 2019 dampfte es in der Gerüchteküche außerordentlich intensiv. Oft waren die Vorhersagen der entsprechenden Blogs samt ihrer ominösen Quellen verdächtig präzise. Inwieweit hinter solchen "Leaks" nicht vielleicht doch irgendwelche Marketing-Maßnahmen stecken, wer weiß das schon. Das brisanteste Gerücht des Jahres entsprang wohl keiner Marketing-Abteilung.

Anfang November behauptete die Website mit dem bezeichnenden Namen "PersonalView", dass Olympus sein Kamerageschäft binnen der nächsten acht Monate dicht machen könnte. Außerdem wusste der Autor, dass Sony und Samsung bereits an der Entwicklungsabteilung interessiert seien und sich Olympus-Mitarbeiter in etlichen Ländern schon nach neuen Jobs umsehen würden. Quellen nannte der Autor nicht, sondern verwies lediglich auf die schlechten Geschäftszahlen. Wahrscheinlich wäre diese Geschichte als Räuberpistole im Netz untergegangen, doch dann feuerte das Nachrichtenmagazin Bloomberg los: Es titelte, Olympus könne Jobs streichen, um profitabler zu werden. Dabei bezogen sich die Autoren auf den CEO Yasuo Takeuchi und behaupteten außerdem, dass sich Takeuchi von seiner Aussage distanzierte, das Kamerageschäft stehe nicht zum Verkauf. Das liest sich, als sei an den anfänglichen Behauptungen nun doch etwas dran.

DIe neue Objektiv-Roadmap von Olympus soll zeigen, dass der Hersteller im Kameramarkt langfristig plant.

Olympus bemüht(e) sich etwas verzögert um Schadensbegrenzung und veröffentlichte auf den Bloomberg-Bericht hin ein offizielles Statement: "For Imaging, however, we currently have no plans to sell the business." Aktuell gibt es demnach keine Pläne, die Imaging Sparte zu verkaufen. Um das Geschäft zu stabilisieren, wolle man eine "klare und aufregende" Produkt-Roadmap für die nächsten Monate und Jahre vorlegen. Eilig schob Olympus zudem eine Objektiv-Roadmap für sein Micro-Four-Thirds-System hinterher. Tatsächlich ist es eher unwahrscheinlich, dass sich der Hersteller so schnell aus dem Kamerageschäft zurückzieht. Mit schlechten Geschäftszahlen in Bereich "Imaging" ist Olympus jedenfalls in guter Gesellschaft.

Es ist schon paradox, obwohl so viel fotografiert wird wie nie, werden immer weniger klassische Digitalkameras verkauft. Das dürfte viele Ursachen haben. Einer der entscheidenden: Smartphones liefern eine immer bessere Bildqualität, die all denen ausreichen dürfte, die nicht ambitioniert beziehungsweise hobbymäßig fotografieren. Für halbwegs gute Bilder braucht man schlicht keine Digitalkamera mehr. Und das sieht man dem Markt an.

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Sein absolutes Allzeithoch erreichte der Absatz von Digitalkameras hierzulande 2008. Damals gingen gut 9,3 Millionen Geräte über die Ladentheke. Smartphone-Hersteller konnten von dieser Zahl nur damals nur träumen. Mittlerweile ist das Verhältnis mehr als gekippt. Den 2018 noch knapp 2,3 Millionen verkauften Digitalkameras standen im selben Zeitraum etwa 22,6 Millionen Smartphones gegenüber. Auf diesem Niveau soll sich laut den Bitkom-Prognosen auch das Jahr 2019 bewegen. Für die Digitalkameras liegen uns noch keine aktuellen Zahlen vor. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass sich der Markt erholt hat.

Anfang des Jahres schockte Canons-Präsident Fujio Mitarai in einem Interview (via Mirrorless Rumors) mit der düsteren Prognose, dass der Fotomarkt in den nächsten zwei Jahren noch einmal um etwa 50 Prozent einbrechen könnte. Und auch die Spiegellosen seien keine wirkliche Rettung, denn die kompensierten höchstens die Einbrüche bei den Spiegelreflexkameras – Wachstum brächten sie nicht.

Auch Hersteller Nikon, der Ende 2018 einen Neuanfang bei den spiegellosen Systemkameras wagte, findet in seinem aktuellen Geschäftsbericht deutliche Worte. Man habe den Markt überschätzt. Der Schritt hin zu spiegellos und der veränderte Produktmix beim Vollformat hätten sich nicht entwickelt, wie erhofft. Insgesamt schraubt Nikon deshalb seine Prognosen für das im März 2020 endende Geschäftsjahr nach unten und rechnet sogar mit einem Verlust in seiner Imaging Sparte.

Die Fotobranche verändert sich massiv und das bekam in den vergangenen Jahren auch ihre Leitmesse Photokina zu spüren, denn einige Hersteller sagten ihre Teilnahme für 2020 ab. Darunter keine kleinen Lichter, sondern die Branchengrößen Nikon, Leica und Olympus. Auch Fujifilm will der Messe fernbleiben ebenso wie – nach unseren Informationen – Zubehörspezialist Rollei.

Intern ist ebenfalls einiges in Bewegung: Der erst im März 2019 zum Director der Photokina berufene Fabian Ströter (37) hat die Top-Position aus privaten Gründen abgegeben. Auf ihn folgt der Betriebswirt Jan-Raphael Spitzhorn (39), der unter anderem Erfahrung als Director der Digility, einer Konferenz und Expo für Virtual und Augmented Reality, gesammelt hat. Die Digility wurde 2019 ihrerseits als Themenkomplex in die Business-Messe DMEXCO integriert.

Spiegelloses Vollformat. 2019 stand ganz im Zeichen des spiegellosen Vollformats. Mit Canon und Nikon wagten sich die großen Spiegelreflexplatzhirsche in diesen Markt und etablierten dafür auch neue Bajonette: Nikon Z und Canon RF. Beide Hersteller vermarkten ihre spiegellosen Vollformate sicherheitshalber mit Adapter, der auch die bewährten Objektive der DSLR-Systeme nutzbar macht. Auffällig ist, dass sich beide mit ihren Kameras an Sony orientieren und gleich mit verschiedenen Modellserien in den Markt starteten, die sich an ambitionierte Amateure (Nikon Z6 und Canon EOS RP) und an Profi-Fotografen (Nikon Z7 und Canon EOS R) richten. Mit Panasonic und Sigma starteten 2019 außerdem zwei (Vollformat-)Neulinge in den Markt, die sich Leicas L-Bajonett (L-Mount-Alliance) angeschlossen haben. Panasonic setzt ebenfalls auf verschiedene Serien unter dem Namen Lumix S, Sigma konzentriert sich mit seiner fp auf besonders kompakte Maße und Videografie.

Sensor und ein bisschen Gehäuse: Die Sigma fp ist eine besonders kompakte Vollformat-Spiegellose.


Große Zahlen. Mit den spiegellosen Vollformaten entbrannte auch ein neues Auflösungswettrennen. Bei den Profi-Serien sind mehr als 40 Megapixel längst Standard. Sony hält den aktuellen Rekord mit 61 Megapixeln. Doch auch bei kleineren Sensoren wagten sich die Hersteller weiter nach vorne: Canon integriert in seine neuen APS-C-Kameras EOS M6 II und EOS 90D eine Auflösung von 32 Megapixeln. Fujifilm bringt es in seinen neuen spiegellosen APS-C-Modellen auf 26.

Immer größere Zahlen findet man mittlerweile auch bei den Autofokus-Systemen. Mehrere Hundert Fokuspunkte sind dabei selbst in Einsteiger-Spiegellosen wie der Sony A6100 keine Seltenheit mehr. Canon weist für seine EOS R sogar wählbare AF-Positionen aus.

Hochwertige, teure Objektive. Mit dem spiegellosen Vollformat hieß es auch bei den Objektiven: "Größer, lichtstärker, teurer". Der neue Preis für lichtstarke Standardzoom mit einer Brennweite von 24 bis 70 Millimetern liegt längst bei etwa 2500 Euro und dabei kommen die Optiken auf ein Gewicht von knapp einem Kilogramm. Das müssen zwar auch DSLR-Fotografen schleppen, sie kommen aber schon wesentlich günstiger an solche Objektive. Preis- und Gewichtsspitzenreiter 2019 dürfte die Festbrennweite Nikon Z 58 mm f/0.95 S Noct für das Z-Bajonett sein. Das Normalobjektiv mit einer Lichtstärke von f/0.95 wiegt knapp zwei Kilogramm und kostet 9000 Euro.

➤ Mehr zum Thema: Lichtstarker Allrounder mit guter Bildqualität: Panasonic S1R mit Lumix S 24-70mm f/2.8 im Kurztest

Hier eine Liste der Digitalkamera-Ankündigungen nach Hersteller geordnet, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Insgesamt wurden deutlich mehr als 40 Kameramodelle angekündigt. Spitzenreiter war übrigens Canon mit acht angekündigten Kameras, dicht gefolgt von Sony und Panasonic mit jeweils sieben Kameras.

Digitalkameras 2019 (43 Bilder)

Canon

Könnte pünktlich zu den olympischen Sommerspielen 2020 auf den Markt kommen: Canon EOS-1D X Mark III. Viel ist noch nicht bekannt: Schneller, kommunikativer, attraktiver für Videografen und sparsamer soll sie sein. Kräftig will der Hersteller außerdem die Autofokus-Sektion überarbeitet haben. Bei der Analyse des Bildes zur Motivverfolgung während des Scharfstellens setzt die Kamera nun auf künstliche Intelligenz (KI) und Deep Learning (DL). Die Autofokus-Routinen lernen dabei vom Verhalten des Fotografen.

(Bild: Canon)

Das neue Jahr könnte genauso starten, wie das vergangene: mit einer Produktvorstellung von Sony. Die Hinweise verdichten sich, dass die spiegellose Vollformatkamera A7S II eine Nachfolgerin bekommt, die 4K-Videos mit 120 Bildern pro Sekunde aufzeichnet. Mehr wissen wir auf jeden Fall nach der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas. Sony hat hier bereits zur Pressekonferenz am 6. Januar geladen. Ein weiterer Anwärter auf die erste Kamera des neuen Jahres könnte die neue Fujifilm X100V sein – eine Edelkompaktkamera mit APS-C-Sensor.

Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Hersteller ihre Produktlinien weiter eindampfen werden. So deutete Canon bereits an, sich künftig vor allem auf professionelle Anwender konzentrieren zu wollen. Als Vorboten kündigte der Hersteller bereits seine neue Profi-DSLR EOS-1D X III an, die vermutlich rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 2020 auf den Markt kommen wird. Nikon wird ihr dann voraussichtlich die D6 entgegenstellen. Die klassische Spiegelreflexkamera findet damit als schnelles, belastbares Arbeitswerkzeug ihre Nische. Einsteiger- und auch Mittelklasse-DSLR für Hobby- beziehungsweise ambitionierte Amateurfotografen könnten bald ganz durch spiegellose Modelle ersetzt werden.

➤ Mehr zum Thema: DSLR oder Spiegellose? Canon 90D und EOS M6 Mark II im Vergleichstest

Canon ist dafür mit seinem EOS-M-System bereits gut aufgestellt und positioniert die Geräte auffällig parallel zu bewährten DSLR-Linien wie der 90D. Als einer der letzten DSLR-Hersteller schwenkte erst kürzlich Nikon mit der Z 50 auf die spiegellose Mittelklasse. Wir gehen davon aus, dass der Hersteller sein Z-System 2020 massiv ausbauen wird. Unklar ist, wie sich Ricoh Imaging mit seiner DSLR-Marke "Pentax" positioniert. Spiegellose Systemkameras finden sich in seinem Portfolio aktuell nicht mehr und wir gehen auch nicht davon aus, dass sich das ändert. Der Hersteller sucht sein Heil mit Spezialkameras wie der G900, der Ricoh Theta oder der GR III offenbar in der Nische bei professionellen Anwendern.

Wenn sie vielleicht auch Produktlinien verschlanken, weiter ausbauen werden die Kamerahersteller die Software-Extras ihrer Geräte: Canon und Panasonic zeigten mit ihren spiegllosen Vollformatkameras bereits, dass Fotografen beispielsweise für Focus-Stacking nicht mehr den Umweg über den PC gehen müssen. Die Kameras erstellen selbst Fokusreihen und kombinieren die Belichtungen zu einer einzigen scharfen Aufnahme. Auch Olympus stattet seine Spiegellosen bereits mit vielen technischen Helferlein für Nacht- und Actionaufnahmen sowie für Makrofotografie aus.

Mit Extras, die neue fotografische Kreativität einfach ohne teuren Zubehörpark erschließen, könnten die klassische Kameras auch wieder für eine jüngere Generationen spannender werden. Denn die sind von ihren Smartphones durchaus verwöhnt. Gerade die High-End-Mobiltelefone beherrschen mittlerweile schon beeindruckende Tricks, die Nachtfotografie teils ohne Stativ möglichen machen oder Bokehs mit verschiedenen Looks ins Bild rechnen. Und dabei werden sie tatsächlich immer besser. Doch der Preis für diesen Komfort ist auch hoch, denn das Bildermachen überlässt man so Google, Apple und Co.

(ssi)