Kindesmissbrauch: Reul fordert Sonderzugriffsrechte auf Computer

Ermittlungen gegen Kindesmissbrauch sind auch ein Rennen gegen die Zeit, die Fristen für Datenlöschungen kurz. Der NRW-Innenminister fordert eine Sonderlösung.

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Kindesmissbrauch: Reul fordert Sonderzugriffsrechte auf Computer

(Bild: mahc/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Im Kampf gegen Kinderpornografie, Kindesmissbrauch und Rechtsextremismus fordert Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) Sonderzugriffsrechte auf die IP-Adressen Verdächtiger. Solange die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland "auf Eis" liege, müssten die demokratischen Parteien in diesen Fällen Sondermöglichkeiten finden, sagte Reul im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf.

Der Anstieg der Fallzahlen bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie sei erschreckend, bilanzierte Reul. "Allein im laufenden Jahr gibt es in NRW bei den Strafanzeigen wegen Kinderpornografie bis Ende November schon einen Anstieg um 63 Prozent auf 2097 Strafanzeigen gemessen am gleichen Vorjahreszeitraum." Immerhin liege die Aufklärungsquote bei 92 Prozent. "Bei Kindesmissbrauch ist es ein Anstieg um 18 Prozent auf 2623 Strafanzeigen bei einer Aufklärungsquote von 83 Prozent."

Das Bundeskriminalamt hat nach Angaben einer Sprecherin noch keine bundesweiten Zahlen für das laufende Jahr. Für 2018 weist die Polizeiliche Kriminalstatistik über 12.000 Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland aus mit einer Aufklärungsquote von rund 86 Prozent.


NRW war Schauplatz massenhafter Verbrechen an Kindern, die in diesem Jahr ans Licht kamen: Nach Bekanntwerden des jahrelangen Missbrauchs auf einem Campingplatz im lippischen Lügde stießen Ermittler ausgehend von Bergisch Gladbach auf zahlreiche Verdächtige, die Kinder missbraucht und Bilder davon bundesweit getauscht haben sollen. "Die Anzeigebereitschaft ist gestiegen und es wird intensiver ermittelt", stellte Reul fest. "Jetzt wird viel ans Licht gezerrt, was vorher in der Dunkelheit war."

Allerdings kämen die Anzeigen nur selten aus den betroffenen Familien, obwohl die meisten Täter mit den Opfern verwandt oder bekannt seien. "Das ist das Hauptproblem", sagte Reul. "Deswegen ist wichtig, dass Leute, die was sehen, es sagen – insbesondere in Kindergärten, Schulen, Jugendämtern und -verbänden. Die Leute sind wacher geworden."

Angesichts der enormen Datenmengen und der ständig wachsenden Zahl an Verfahren stießen die Ermittler trotz "radikaler Verbesserung der Personalausstattung und Technik" allerdings an ihre Grenzen. "Im Oktober hatten wir im Bereich Kinderpornografie noch 500 nicht vollstreckte Durchsuchungsbeschlüsse in NRW", räumte der Minister ein. Im vergangenen März seien es über 580 gewesen. "Der Berg bleibt leider derzeit noch hoch." Allerdings hätten im Oktober 415 Verfahren abgeschlossen werden können und damit rund 54 Prozent mehr als in den Vormonaten.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz werde angesichts der Datenfluten immer wichtiger, betonte Reul. "Das können wir mit Menschen allein nicht mehr hinkriegen." Nötig seien intelligente Softwaresysteme, die nur die polizeilich spannenden Daten für die Ermittler aussortierten.

"Wir wollen das alles über eine schnelle Datenautobahn im Landeskriminalamt (LKA) betreiben", erklärte Reul. Alle 47 Kreispolizeibehörden sollten bis Ende 2020 an einen Hochleistungsrechner im LKA angeschlossen werden. Auch die Zahl der Datenträgerspürhunde solle bis Ende 2021 auf 20 vervierfacht werden.

Nach dem Missbrauchsfall in Lügde hatte Reul den Kampf gegen Kindesmissbrauch zu einem polizeilichen Schwerpunktthema erklärt und dafür nach eigenen Angaben rund 260 Kräfte zusätzlich in den Kreispolizeibehörden und im Landeskriminalamt eingesetzt. Die Sonderkommission Bergisch Gladbach arbeitet darüber hinaus mit 300 Leuten zusätzlich. Gemessen an der Personalstärke und technischen Ausstattung fahndeten die Ermittler im Bereich Kinderpornografie und Missbrauch inzwischen ähnlich spezialisiert wie die Terrorbekämpfer in NRW, sagte Reul. (mho)