Ex-Googler: "Kampf für Menschenrechte kostete meine Google-Karriere"

Hart ins Gericht mit Google geht jener Mann, der für dessen internationale Beziehungen zuständig war – oder hätte sein sollen: "Don't be evil ist nur Reklame."

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Treppe, auf deren Stufen Suchbegriffe eingeblendet werden, daeben eine Kaffeemaschine mit Android-Aufkleber

Suchbegriffs-Treppe in der Google-Zentrale - die Suchanfragen von Milliarden Usern sind Fundament des Google-Konzerns.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

"Für Frauen einzutreten, für die LGBT-Gemeinschaft, für Kollegen mit nicht-weißer Hautfarbe, und für Menschenrechte hat mich meine Karriere (bei Google) gekostet", sagt Dr. Ross LaJeunesse, "Für mich war kein weiterer Beweis nötig, dass 'Don't be evil' nicht länger die Werte der Firma repräsentiert; es ist nur noch ein Marketing-Werkzeug eines Konzerns." Mehr als elf Jahre arbeitete der Jurist für Google, die letzten sieben Jahre als Leiter der internationalen Beziehungen.

Zuvor hatte er eine hochrangige Position im Büro des damaligen republikanischen Gouverneurs Kaliforniens, Arnold Schwarzenegger, bekleidet. Heute unterrichtet Dr. LaJeunesse an der Georgetown-Universität in Washington, DC, und kandidiert in seinem Heimatstaat Maine als Demokrat für den US-Senat. In einem Beitrag auf medium.com verschafft der Mann nun seinem Frust über die Entwicklung Googles Luft.

Googles Rückzug aus China...

Er berichtet von Schikanen gegen Frauen innerhalb des Unternehmens, von Rassismus und Schwulenfeindlichkeit. Vor allem aber schildert er Willfährigkeit Googles gegenüber den diktatorischen Regimen der Volksrepublik China und des Königreichs Saudi Arabien. Dabei hätten Grundsätze wie "Don't be evil" früher durchaus etwas gegolten: 2006 trat Google erstmals auf den chinesischen Markt. Die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page wollten aber nur solange in China tätig bleiben, als die Vorteile für Chinesen die Nachteile der hingenommenen Zensur überwögen

2009 versuchte die Volksrepublik, die Gmail-Konten von Menschenrechtsaktivisten zu hacken. Daraufhin beschlossen Brin und Page 2010, die Zusammenarbeit mit den Zensoren einzustellen, was das Aus für Google in China bedeutete. Da war Dr. LaJeunesse stolz auf seinen Arbeitgeber.

Dieses Protestbanner wurde im Mai 2019 von einem Flugzeug über das Veranstaltungsgelände der Entwicklerkonferenz Google I/O und die Google-Zentrale geschleppt: "Google Control is not Privacy #SaveLocalNews"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Doch die Gründer hätten sich mit der Zeit ausgeklinkt, neue Manager der Börse gehuldigt. Binnen Monaten begannen Anläufe, nach China zurückzukehren, die zunächst an den dortigen Behörden scheiterten. Dr. LaJeunesse' Forderung nach einem öffentlichen Bekenntnis zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie der Evaluierung aller Google-Dienste und -Produkte auf Menschenrechtsgefährdung sei erfolglos geblieben. Stattdessen habe die Personalabteilung Nachforschungen über ihn selbst angeordnet.

... und die Kehrtwende

2017 folgten die Eröffnung eines Google-Centers für Künstliche Intelligenz ausgerechnet in Peking sowie das Projekt "Dragonfly". Es sollte zu einer eigenen Google-Suchmaschine für die Volksrepublik führen und wurde erst nach kritischen Fragen von US-Abgeordneten gestoppt. "Da habe ich realisiert, dass die Firma nie vorhatte, menschenrechtliche Prinzipien in ihre Geschäfts- und Produktentscheidungen zu integrieren", schreibt Dr. LaJeunesse, "Gerade als Google seinen Einsatz für Menschenrechte verstärken hätte müssen, entschied es sich stattdessen, größere Profite und einen noch höheren Aktienkurs anzustreben."

Entsprechend fordert der zum Politiker gewordene Manager nun mehr staatliche Regulierung für einflussreiche Firmen wie Google, Amazon, Facebook und Snap. Im Mai wurde er gefeuert, trotz nach Eigenangaben hervorragender Beurteilungen. Erst nach Einschaltung eines Anwalts habe er einen unbedeutenden Posten angeboten bekommen, diesen aber abgelehnt.

Das sei einer Umstrukturierung geschuldet gewesen, bezog Google gegenüber US-Medien Stellung. "Wir sind felsenfest zur Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen und Anstrengungen (für Menschenrechte) verpflichtet", so eine Firmensprecherin. (ds)