Mehr Kennzeichenfahndung in Brandenburg für Gefahrenabwehr

Das Erfassen von Kfz-Kennzeichen durch die Polizei in Brandenburg ist umstritten. Das Innenministerium hat neue Zahlen dazu veröffentlicht.

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Mehr Kennzeichenfahndung in Brandenburg für Gefahrenabwehr

(Bild: Ulf Wittrock/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marc-Oliver von Riegen
  • dpa
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Die Zahl der Fälle der automatischen Fahndung von Kennzeichen zur Gefahrenabwehr in Brandenburg ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Jahr 2018 sei die anlassbezogene Kennzeichenfahndung der Polizei in 147 Fällen eingesetzt worden, wie aus dem neuen Bericht des Brandenburger Innenministers über Datenerhebungen nach dem Polizeigesetz hervorgeht. Im Jahr 2017 hatten die Beamten die automatische Fahndung in 126 Fällen eingesetzt, im Jahr 2016 in 73 Fällen.

Mit dem Erfassungssystem Kesy registriert die Brandenburger Polizei Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge – das ist allerdings umstritten. Im Jahr 2018 ging es nach Angaben des Innenministeriums in 125 Einsätzen um eine Erfassung für das Auffinden vermisster und suizidgefährdeter Menschen, 17 Mal um eine Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten und fünf Mal um die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Feststellung der Identität vorliegen.

Aus dem Bericht (PDF-Datei) geht hervor, dass einer Erfassung im Januar 2018 beispielsweise die Bekämpfung des internationalen Terrorismus zugrunde lag, im Juni die Warnung vor einem Terroranschlag. Im Dezember 2018 gab es demnach einen Fall der Vorbereitung eines Anschlags mit Explosion beziehungsweise Sprengstoff, eine Fahndung nach dem Terroranschlag in Straßburg und einen Verdacht terroristischer Aktivitäten.

Die Polizisten unterstützten auch Kollegen anderer Länder. In einem Fall im Juni 2018 leistete die Brandenburger Polizei Amtshilfe für Sachsen, als jemand mit Waffen gedroht habe, die Ex-Frau und beide Kinder zu töten. In vielen Fällen ging es um eine Erfassung für 24 Stunden oder darunter, in Einzelfällen auch länger.

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Die Polizei kann Kennzeichen von Fahrzeugen ohne Wissen eines Fahrers automatisiert erheben, um eine Gefahr etwa für Leib oder Leben einer Person abzuwehren oder wenn jemand oder ein Fahrzeug polizeilich ausgeschrieben wurde und entsprechende Straftaten bevorstehen könnten. Die Daten können mit bestehenden Informationen abgeglichen werden – bei fehlender Übereinstimmung müssen sie sofort gelöscht werden. Dies ist im Brandenburgischen Polizeigesetz unter Paragraf 36a geregelt. Im Jahr 2017 wurden dem Bericht von 2018 zufolge 22 Treffer erzielt, bei denen die eingegebenen Fahrzeuge auch festgestellt werden konnten.

Die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge bezweifelt die Rechtmäßigkeit. Sie erstellt derzeit ein Rechtsgutachten. Ihr Sprecher hatte im Oktober 2019 erklärt, das System mit der Aufzeichnung und der Erfassung nicht beschuldigter Personen könne nicht auf die Strafprozessordnung gestützt werden.

Ein Mitglied der Piratenpartei Brandenburg sieht durch die massenhafte Speicherung von Kennzeichen vorbeifahrender Autos einen ständigen Beobachtungsdruck durch die Polizei. Nachdem seine Klage vom Amts- und vom Landgericht Frankfurt (Oder) abgewiesen wurde, wandte er sich an das Landesverfassungsgericht. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar zwingt die Bundesländer allerdings dazu, ihre Praxis der Kennzeichenüberwachung zu korrigieren – Brandenburgs Innenministerium will die Praxis jedoch unverändert beibehalten. Die Grünen wollten die dauerhafte Erfassung während der Koalitionsverhandlungen mit SPD und CDU stoppen.

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Seit November ist Michael Stübgen (CDU) Innenminister in Brandenburg, der Zeitraum des Berichts geht noch auf seinen Vorgänger Karl-Heinz Schröter (SPD) zurück. (tiw)