Das Ding in der Tiefe

Die Antwort auf manche Fragen könnte Sie beunruhigen.

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Nerd sind verschrien als detailverliebte Langeweiler. Schüchterne Brillenträger, die zwar wie aus der Pistole geschossen auch die obskursten Details wiedergeben können. Das macht Nerds oft zu guten Wissenschaftlern. Wissenschaft lebt vom Exakten, dem eindeutigen Benennen, dem geduldigen Sortieren von Schmetterlingsflügeln. Aber nicht nur.

Wissenschaftler stellen auch gerne Fragen. Fragen, die mit "Warum ist eigentlich" anfangen, oder auch gerne mal mit "Was passiert eigentlich, wenn wir". Ein schönes Beispiel für diese Art Wissensdurst bietet Craig Robert McClain vom Louisiana Universities Marine Consortium. Der wollte wissen, was passiert, wenn man tote Krokodile mit Steinen beschwert, und auf den Meeresgrund im Golf von Mexiko sinken lässt. Das ist etwa 2000 Meter tief. Kein Scherz. Es gibt ein richtiges wissenschaftliches Paper dazu.

In 2000 Meter Tiefe lebt nicht viel. Dachten die Forscher jedenfalls. Denn die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist recht eingeschränkt. Was es gibt, sind im Wesentlichen kleinste organische Partikel, abgestorbene Reste, die von oben auf den Meeresboden sinken. ”Meeresschnee“ nennen die Forscher das. Klingt poetisch.

Weniger poetisch ist allerdings, was McClain und Kollegen herausfanden. Sie beobachteten die versenkten Kadaver mit Hilfe von Roboter-U-Booten. Und fanden handtellergroße, rosa Asseln, die den Krokodilskörper innerhalb weniger Tage bis auf die Knochen abnagten.

Jedenfalls passierte das bei zwei von drei Kadavern. Der dritte Kadaver war nach einigen Tagen komplett verschwunden. Weg. Das Seil, mit dem das tote Krokodil an Steinen festgebunden war, war glatt durchgebissen. Soll heißen: Etwas ziemlich großes lebt da unten. Etwas, das Krokodile am Stück fressen kann.

Das kann bei solchen Experimenten passieren: Plötzlich stößt man auf das Unbekannte. Manchmal dringt es in unsere Welt ein – oder wir in seine und dann passieren interessante Dinge. Erinnert mich an H. P. Lovecrafts Cthulu-Erzählungen, in denen es um "die Alten in der Tiefe" geht. Unvorstellbar mächtige Monster, die irgendwo in der Tiefsee schlafen und von ihren Jüngern durch geheimnisvolle Rituale wieder aufgeweckt werden sollen. Und die ganze Zeit erfährt man als Leser nicht, was nun eigentlich so schrecklich an diesen Monstern ist – sie sind halt wirklich "unvorstellbar" schrecklich.

Service-Tipp: Wenn Sie als Wissenschaftler auf so etwas stoßen, veröffentlichen Sie es nicht nur in seriösen Fachzeitschriften. Auch in sozialen Medien läuft sowas gut. Die American Chemical Society hat für solche Fälle extra eine Einführung veröffentlicht. Es muss ja nicht gleich so laufen wie in diesem Tweet.

(wst)