Klassiker neu gelesen: Simulacron-3

Die Science Fiction von Daniel F. Galouye bietet genügend Filmstoff und nimmt 1964 gar die Idee der virtuellen Realität vorweg.

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Was haben Rainer Werner Fassbinder, Roland Emmerich und die Wachowski-Geschwister gemein? Sie alle haben "Simulacron-3" von Daniel F. Galouye (1920–1976) verfilmt. Der Roman handelt vom "Simulektroniker" Douglas Hall, der zwecks Marktforschung eine Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern simuliert und bisweilen virtuell besucht. Dabei stellt er bestürzt fest, wie lebensecht seine Geschöpfe sind.

Gleichzeitig ­bekommt seine eigene Welt Risse: Ein Mensch verschwindet, und niemand ­außer Hall kann sich an ihn erinnern. Der heutige Leser ahnt schnell (Achtung, Spoiler): Hall lebt selbst in einer simulierten Welt. Aber 1964, als der Roman erschien, dürfte das die Zeitgenossen ziemlich von den Socken gehauen haben. Schließlich nimmt Galouye in einer Zeit, in der Computer noch tumbe, mit Lochkarten gefütterte Zahlenfresser waren, bereits die virtuelle Realität vorweg – und malt sogenannte agentenbasierte Simulationen aus, mit denen heutige Forscher versuchen, die Folgen politischer Entscheidungen abzuschätzen.

Der Plot ist nicht ganz frei von Logiklücken, aber spannend, voller Wendungen und Cliffhanger. Kein Wunder, dass er gern verfilmt wurde. Den Anfang machte Fassbinder 1973 mit dem zweiteiligen Fernsehfilm "Welt am Draht". Er verlegte die Geschichte aus den 2030er-Jahren in die 1970er, blieb ansonsten aber recht nahe an der Vorlage. Mehr Freiheiten nahm sich "The 13th Floor", ein recht konventioneller Actionfilm von 1999, produziert von Roland Emmerich. Im gleichen Jahr brachten die Wachowskis auch den ersten Teil der "Matrix"-Trilogie in die Kinos. Dabei handelt es sich zwar um keine direkte Adaption, aber die Parallelen sind frappierend: Selbst die Idee, Telefonzellen zur Schnittstelle zwischen realer und virtueller Welt zu machen, haben die "Matrix"-Macher von Galouye übernommen.

Daniel F. Galouye: "Simulacron-3" Scipio, 240 Seiten, 19,90 Euro (epub: 7,10 Euro)

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(jle)