Coronavirus: Berliner Forscher berechnen Importrisiko

Auf der Grundlage eines mathematischen Modells haben Wissenschaftler ermittelt, wie hoch das relative Importrisiko des Coronavirus an Flughäfen weltweit ist.

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Coronavirus: Forscher der Humboldt-Universität berechnen Importrisiko

Der Coronavirus wird hauptsächlich per Flugzeug eingeschleppt.

(Bild: Fraport AG)

Lesezeit: 3 Min.

Forscher des Robert-Koch-Instituts und der Humboldt-Universität Berlin haben berechnet, wie hoch das relative Importrisiko des Coronavirus 2019-nCOV, an 1900 Flughäfen weltweit ist. Das Virus war im Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan erstmals aufgetreten. Auf der Grundlage eines mathematischen Modells mit einer Datenauswertung von Flugverbindungen erstellten die Wissenschaftler einen Risikomonitor. Das Risiko an deutschen Flughäfen ist den Ergebnissen zufolge weltweit im mittleren Bereich angesiedelt.

Die Forscher nutzen für ihre Analyse ein netzwerktheoretisches Modell, das auf dem Konzept der effektiven Distanz basiert. Dieses Modell von 2013, das in der wissenschaftlichen Arbeit "The Hidden Geometry of Complex, Network-Driven Contagion Phenomena" (Die verborgene Geometrie komplexer, netzwerkgetriebener Ansteckungsphänomene) von Brockmann und Helbing beschrieben ist, verfeinerten die Wissenschaftler und wendeten es auf die ihnen vorliegenden Daten an.

Ausgewertet wurden Daten des Worldwide Air Transportation Network (WAN), das 3893 Knotenpunkte, also Flughäfen, sowie 51.476 Direktverbindungen zwischen den Flughäfen umfasst. Die Forscher gewichteten dabei den Verkehrsfluss zwischen den einzelnen Knoten, wie beispielsweise die durchschnittliche Anzahl von Passagieren, die täglich eine bestimmte Route fliegen. Berücksichtigt wurde dabei auch die Heterogenität der Flughäfen, denn einige von ihnen sind klein, andere dagegen sehr groß. Dies hat Auswirkungen auf den jeweiligen Passagierdurchfluss und etwa der Anzahl der ausgehenden Flüge, die ebenfalls einberechnet wurden. Nur wenige der Flughäfen seien für das Netzwerk strukturell bedeutend, wie etwa die großen internationalen Drehkreuze. Die Mehrheit der Flughäfen seien strukturell zu vernachlässigen, heißt es in der Datendokumentation der beteiligten Wissenschaftler.

Die Forscher geben in den Rankings das relative Importrisiko in Prozent an. Ein Importrisiko von 0,208 Prozent am internationalen Flughafen Charles de Gaulle (CDG) bedeutet, dass von 1000 am Wuhan Tianhe Flughafen (WUH) eingestiegenen infizierten Passagieren etwa zwei voraussichtlich als Ziel Paris haben werden.

Die Berechnungen ergaben, dass das relative Importrisiko des Coronavirus an einem chinesischen Flughafen rund 91 Prozent beträgt, an anderen Flughäfen außerhalb Chinas lediglich 9 Prozent. Den Ergebnissen nach ist die Gefahr einer Einschleppung des Virus an den chinesischen Flughäfen Kunming (KMG) mit 5,38 Prozent, Chengdu (CTU) mit 4,3 Prozent und Shanghai (SHA) mit 4,25 Prozent am höchsten.

Risikomonitor von Flughäfen außerhalb Chinas.

(Bild: Humboldt-Universität Berlin (Screenshot))

Das relative Importrisiko an Flughäfen außerhalb Chinas fällt prozentual deutlich geringer aus: Am Flughafen von Hongkong (HKG) ist das Risiko mit 1,17 Prozent am höchsten. Dahinter folgen Bangkok Don Mueang (DMK) mit 0,94 Prozent und Taipeh (TPE) mit 0,73 Prozent. Als erster außerasiatischer Flughafen liegt Paris Charles de Gaulle auf Platz neun mit 0,21 Prozent. Der deutsche Flughafen Frankfurt (FRA) rangiert unter den ersten 40 gelisteten Flughäfen mit 0,05 Prozent im hinteren Mittelfeld, für München (MUC) beträgt das Importrisiko 0,04 Prozent.

Risikomonitor europäischer Flughäfen.

(Bild: Humboldt-Universität Berlin (Screenshot))

Im europäischen Vergleich liegen die deutschen Flughäfen mit 0,14 Prozent hinter Frankreich mit 0,24 Prozent. Am unwahrscheinlichsten ist es der Analyse nach, dass in Norwegen das Coronavirus eingeschleppt wird: Hier beträgt das Risiko lediglich 0,009 Prozent. (olb)