FOSDEM: LibreOffice skizziert seine Zukunft

Collabora-Entwickler Michael Meeks blickt zur FOSDEM 20 auf zehn Jahre LibreOffice zurück, stellt die wichtigen Themen der Zukunft heraus und wirbt um Mithilfe.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 288 Kommentare lesen
FOSDEM: LibreOffice skizziert seine Zukunft

(Bild: rawf8/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • David Wolski

Gut zehn Jahre ist die Aufspaltung der freien Office-Suites LibreOffice und OpenOffice her. Oracle zeigte 2010 nach der Übernahme von Sun Microsystems kein Interesse, das bereits unter der GNU Public License stehende OpenOffice weiter zu entwickeln. Maßgebliche Entwickler fanden sich daraufhin in der Document Foundation zusammen, um LibreOffice unter dem Dach der neu gegründeten Stiftung voranzubringen. Teile der Codebasis sind aber deutlich älter, wie der prominente LibreOffice- und Collabora-Enwickler Michael Meeks in einer anektodenreichen Rückschau auf der diesjährigen FOSDEM-Konferenz in Brüssel zeigt.

Open-Source-Konferenz FOSDEM 2020

Genau genommen ist Starwriter aus dem Jahr 1985 schon der Vorläufer von Staroffice, dessen Quellcode Sun Microsystems nach dem Kauf der Entwicklerfirma vor zwanzig Jahren unter der GPL und Lesser GPL freigab. Michael Meeks erklärte, dass der Kauf für SUN günstiger war, als der Preis für alle Arbeitsplatzlizenzen des noch rein kommerziellen, damals aktuellen Staroffice 5.2. Tatsächlich stammt von Staroffice bis heute noch das Gerüst, auf dem LibreOffice und auch das weniger aktiv entwickelte Apache OpenOffice aufbauen.

Michael Meeks liefert mit seinen Einsichten in den oft steinigen Entwicklungsprozess keinen Grund zu nostalgischen Verklärungen: Schon die OpenOffice-Entwicklung war von allerlei Possen geplagt. So ließen es sich die Verantwortlichen von Low-Level-Bibliotheken nicht nehmen, ohne große Ankündigung APIs zu ändern und das Team darüber nachträglich in einer knappen E-Mail zu informieren. Der Build-Tree befand sich in einem Zustand permanenter Inkonsistenz und wollte sich nur als Branch bauen lassen.

Nach der Gründung der Document Foundation ging erheblicher Aufwand zunächst in die Verbesserung des Build-Prozesses, in Unit-Tests, Crash-Tests und eine präzise Revisionskontrolle. Viele der Schwierigkeiten stammen aber aus Fehlern im fundamentalen Aufbau der Office-Software aus Staroffice-Tagen.

LibreOffice 6.4 ist das letzte Feature-Release vor Version 7: Die Document Foundation hat die Versionsnummer des Entwicklungszweigs auf 7.0.0.0.alpha0 geändert. Das nächste LibreOffice soll bis zum Sommer 2020 fertig werden.

Nach Ansicht von Michael Meeks hat LibreOffice nun immerhin einen Großteil der übernommenen Altlasten beseitigt und hat damit den Weg einer halbjährlichen Entwicklungsfrequenz gefunden, aus der im Dezember LibreOffice 6.4 mit vielen Verbesserungen in der Kompatibilität mit Microsoft-Formaten hervorging. Die nächste große Feature-Release in diesem Jahr wird schon die Hauptversionsnummer 7 tragen. Nach den gemessenen Downloadzahlen der Document Foundation wächst LibreOffice weiterhin und wird jede Woche zwischen 800.000 bis 1.200.000 mal heruntergeladen. Michael Meeks sieht die spannenden, anstehenden Entwicklungen aber nicht in neuen LibreOffice-Versionen für klassische Desktop-PCs. Wichtiger sei jetzt, LibreOffice als gehostete Anwendung auf einem Server oder in der Cloud voranzubringen und mit bestehenden Cloud-Diensten zu verbinden. LibreOffice soll dort idealerweise zu einem Drop-in-Replacement für Microsoft Office 365 werden. Auch Mobilgeräte mit Android oder iOS bekommen als Zielplattform wieder mehr Aufmerksamkeit, nachdem die Verkaufszahlen dieser Geräte dem traditionellen PC schon längst den Rang abgelaufen haben.

Um die Ziele zu erreichen, ist die Document Foundation weiterhin auf tatkräftige Hilfe von gelegentlichen Entwicklern angewiesen. Nun ist es kein einfaches Unterfangen, sich in ein Projekt wie LibreOffice einzuarbeiten. Diese Hürde will die Document Foundation mit der Übersichtsseite "Easy Hacks" senken, die lohnende Einstiegspunkte und offene Bugs nach Schwierigkeitsgrad, vorausgesetzter Erfahrung und Programmiersprachen einstuft. (bme)