Autovernetzung: Massenproduktion startet in China

Der Chipsatz-Hersteller Autotalks liefert Mobilfunkbausteine zur Massenfertigung nach China. Die WLAN-basierte Autovernetzung tritt hingegen auf der Stelle.

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Autovernetzung: Massenproduktion startet in China

(Bild: Autotalks)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dusan Zivadinovic

Die Autovernetzungstechnik kommt nach Jahren des Stillstands in Gang. Nachdem sich in China das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie schon 2018 für eine Mobilfunk-gestützte Vernetzung entschieden hat (Cellular Vehicle-to-Everything, C-V2X), nimmt nun mit Autotalks der erste Chipsatzhersteller die Massenproduktion auf.

Autotalks meldet, dass sein Chipsatz in China für die Massenproduktion ausgewählt worden sei. Die Firma liefert eine nicht näher bezeichnete Menge ihres C-V2X-Chipsatzes an einen "führenden Autozulieferer", der sie in seine Telematics Control Units einbaut (TCU). Zuvor hat Autotalks 2019 Interoperabilitätsprüfungen mit diversen Partnern abgeschlossen, darunter dem Chip-Riesen Qualcomm (C-V2X-Test in Shanghei: 20 Unternehmen, 50 Fahrzeuge).

Einzelheiten zu den Chipsatzeigenschaften nannte Autotalks nicht. Aus früheren Tests ist immerhin bekannt, dass Autotalks für seine C-V2X-Implementierung den PC5 genannten Mobilfunkkanal verwenden kann.

Generell können Autos mittels der C-V2X-Technik über zwei Schnittstellen kommunizieren, Uu und PC5: Bei Einsatz der Uu-Schnittstelle nutzt das C-V2X-Modem das Mobilfunknetz als Vermittler. Weil das Netz die Ressourcen zuteilt, sind mit Uu Paketkollisionen seltener. Allerdings ist völlig offen, wer und wieviel für die Nutzung der Mobilfunknetzinfrastruktur zahlen soll. Auch sind die Paketlaufzeiten bei Uu-Übertragung länger als bei PC5. Bei PC5 kommunizieren Autos direkt miteinander. PC5 und Uu lassen sich simultan aktivieren. Wenn ein Mobilfunknetz fehlt, bleibt nur PC5 übrig.

PC5 lässt sich wahlweise im Mode 3 oder Mode 4 betreiben. Im Mode 3 merken sich C-V2X-Modems die Zuteilungen des Netzes und nutzen sie eine Weile lang, wenn sie mangels Mobilfunknetz direkt miteinander kommunizieren müssen. Wenn die netzseitige Zuteilung der Funkressourcen fehlt, verwenden sie Mode 4. Dabei scannen sie das Spektrum selbstständig und versuchen eine freie Ressource eine Zeit lang zu belegen (Stichwort semi persistent scheduling).

Wenn Modems im C-V2X-Sidelink-Modus (PC5) Funkressourcen selbst wählen (links), kommen Paket-Kollisionen immer mal vor. Wenn das Mobilfunknetz die Ressourcen zuteilt, passiert das erst bei Überlastung einer Basisstation.

Laut den Analysten von IHS Markit, schwingt sich China in diesem Jahr zum Marktführer der Autovernetzung auf. Der Studie zufolge produzieren Autohersteller in China bis Ende 2020 rund 629.000 Autos mit C-V2X. Der Trend soll sich laut IHS Markit bis mindestens 2024 fortsetzen.

Die vor über zehn Jahren eingeführte WLAN-basierte V2X-Technik (IEEE 802.11p, auch DSRC genannt) kommt hingegen kaum voran, obwohl 11p-Chipsätze seit rund zehn Jahren erhältlich sind. Autotalks bietet mit Craton2 und Secton sogar Kombi-Chipsätze mit 11p- und C-V2X-Implementierungen aus einer Hand. Von11p ist beim chinesichen Großauftrag allerdings keine Rede.

In Japan und den USA sind lediglich je ein Automodell mit 11p erhältlich (Toyota Crown und Cadillac CTS). Die Absatzzahlen in den USA sind dürftig; im gesamten Jahr 2018 zählte das US-Verkehrsministerium nur 3340 Fahrzeuge mit 11p/DSRC-Modul. Unterdessen hat die US-Regulierungsbehörde FCC die Geduld mit der 11p-Technik verloren. Ajit Pai, Chef der FCC sagte im Dezember 2019: "Die ausgebliebene Entwicklung der 11p-Technik fällt noch stärker auf, wenn man bedenkt, dass 1999 auch das Geburtsjahr der Wi-Fi-Technik ist". Deshalb will die FCC der 11p-Technik das Funkspektrum entziehen und womöglich komplett C-V2X zuschlagen.

Weil Autos mit 11p grundsätzlich direkt miteinander kommunizieren (ohne Basisstation), ist die Vernetzungstechnik erst dann wirklich nützlich, wenn zahlreiche Autos damit ausgerüstet und auch in Reichweite sind (wenige hundert Meter). So lassen sich plötzliche Bremsvorgänge an nachfolgende Fahrzeuge umgehend übermitteln, um etwa Notbremsungen auszulösen oder vor Glatteis oder unübersichtlichen Baustellen zu warnen. Der 11p-Funk ist grundsätzlich nicht gegen Paketkollisionen gewappnet.

Die EU hat noch keine Entscheidung gefällt, ob sie die Autovernetzung mittels 11p oder per Mobilfunk zur Pflicht machen will. Im Sommer 2019 sah es noch ganz danach aus, dass 11p das Rennen macht, bis sich große Teile der Autoindustrie und der Politik für C-V2X ausgesprochen haben. Manche Fachleute bringen ins Spiel, die EU möge einfach nur die Vernetzung selbst zur Pflicht machen und beide Techniken zulassen. VW hat im Herbst 2019 angekündigt, 11p in der Massenfertigung des Golf-Modells ab 2020 einzusetzen.

Autotalks will seine V2X-Implementierung auf dem Mobile World Congress vorstellen, der vom 24. bis 27. Februar in Barcelona läuft. Autotalks stellt in Halle 5 auf Stand 5D81 aus.

Einzelheiten zu den beiden Verfahren für die Autovernetzung, darunter auch Kostenfragen, finden Sie in den folgenden c't-Beiträgen:

[Update]: 12.02.2020, 12:05 Uhr, PC5 Mode 3 und Mode 4 ergänzt (dz)