Münchner Sicherheitskonferenz: Zerstritten beim "Familientreffen des Westens"

Unter dem Titel "Westlessness" geht es zur anstehenden Konferenz um den Zerfall des Westens, den Klimawandel und vermeintliche technologische Souveränität.

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Münchner Sicherheitskonferenz: Zerstritten beim "Familientreffen des Westens"

(Bild: MSC / Kuhlmann)

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Von
  • Monika Ermert

Nachdem die Münchner Sicherheitskonferenz schon Handelskriege, Cyberwar und globale Gesundheit in den Fokus genommen hat, rücken in diesem Jahr der Zerfall des Westens und die katastrophalen Entwicklungen des Klimawandels ins Zentrum. Das zeigt der Bericht zur diesjährigen Konferenz mit dem Titel "Westlessness". Darunter verstehen die Autoren "ein weitverbreitetes Gefühl des Unbehagens und der Rastlosigkeit angesichts wachsender Unsicherheit über die Zukunft und Bestimmung des Westens". Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), die schon als "Familientreffen des Westens" bezeichnet wurde, findet mit 500 hochrangigen Politikern vom 14. bis 16. Februar im Bayerischen Hof in München statt.

Indifferenz gegenüber der anhaltenden humanitären Katastrophe in Syrien, Ratlosigkeit angesichts der gescheiterten Militärinterventionen in Afghanistan und dem Irak und eine Neigung zu einem "Nicht-Interventionismus" konstatiert der diesjährige Bericht der MSC-Experten. Einige von ihnen warnen davor, die Lektionen aus den gescheiterten Militäraktionen zu überinterpretieren. Denn die Konflikte, für die die westliche Wirtschaft weiterhin die Waffen lieferten, verschwinden nicht, wenn die intervenierenden Koalitionen zerfallen und verschwinden.

In dem Bericht nehmen die Autoren Zuflucht zur Idee, dass neue Allianzen wie die D10 – von neun großen Demokratien und der EU – den Westen neu erfinden. Ein westlicher Westen soll als für Menschenrechte, liberale Demokratie, Marktwirtschaft und internationale Zusammenarbeit stehendes Bollwerk gegen die Erstarkung völkischer, nationalistischer und rassistischer Tendenzen in der Politik vieler Länder errichtet werden. Doch gehören den D10 auch Trumps Vereinigte Staaten an, die aktuell Pate stehen für weniger internationale Zusammenarbeit und bröckelnde Rechtsstaatlichkeit.

Auch Technologie wurde laut dem Bericht noch nie zuvor so stark im Dienst einer vermeintlichen nationalen Souveränität gesehen – die Debatte um Huawei und Europas fehlende Champions lässt grüßen. Während aber Konzepte für solch ein europäisches "digitales Galileo" – also analog zu dem Navigationssystem aus Europa – als mögliche Motoren für Europa beschrieben werden, soll auf der Konferenz mal wieder ein US-"Champion" sprechen: Facebook Chef Mark Zuckerberg wird sich über die Verbindung von Technologie und internationalem Handel auslassen.

Umgang mit Huawei in verschiedenen Staaten

(Bild: MSC)

Für einen Technologiebereich – das Rennen auf einen eigenen Platz im Weltraum – empfehlen die Macher der Sicherheitskonferenz dagegen Abrüstungsgespräche, wohl wissend, dass internationale Vereinbarungen ziemlich aus der Mode gekommen sind.

Den katastrophalen Entwicklungen im Bereich der Klimapolitik und der Leugnung der Effekte durch einige Regierungen widmet der Bericht nur ein kurzes Kapitel. Aber die Autoren stellen klar fest, während die Welt entgegen aller Beteuerungen auf dem Weg zu 3,2 Grad Celsius Erwärmung bis 2100 ist, entfielen zwischen 2008 und 2018 schon 87 Prozent der Flüchtlingsströme innerhalb der jeweiligen Landesgrenzen auf Wetter- und Naturkatastrophen, nicht auf Militärkonflikte. "Es geht hier nicht um abstrakte Debatten oder Zahlen: für viele Menschen ist heute der Klimawandel bereits ein Sicherheitsproblem", konstatiert der Bericht.

500 hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter erwartet die MSC dieses Jahr im rundum abgeschirmten Bayerischen Hof, darunter Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, Kanadas Premierminister Justin Trudeau und die Außenminister aus den USA, China, Japan, Indien, Russland und dem Iran. Der WHO-Generalsekretär wird ein Update zum Coronavirus geben.

Zwar wollen die Teilnehmer in München nach Lösungen suchen, aber ob sie die in den drei Tagen finden, das bezweifelt wohl nicht nur das Aktionsbündnis gegen die Münchner Sicherheitskonferenz. Das ruft für den Samstag zur schon traditionellen Gegendemo auf. Auch Europas Piraten erwarten sich von der Konferenz wohl nicht so viel und rufen bereit zum sechsten Mal zu ihrer eigenen Sicherheitskonferenz. (mho)