Klassiker neu gelesen: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung

Das Buch machte Joseph Schumpeter zum Lieblingsvolkswirt aller Entrepreneure und Innovatoren. Dabei kommt das Wort "Innovation" gar nicht darin vor.

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Der Markt, heißt es gerne, gleiche Angebot und Nachfrage stets mehr oder weniger geräuschlos aus. Woher kommen dann die regelmäßigen Auf- und Abschwünge einer jeden Volkswirtschaft, fragte sich der junge österreichische Ökonom Joseph Schumpeter (1883 – 1950) vor mehr als hundert Jahren.

Seine Antwort veröffentlichte er 1912 in der "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", einem über 500-seitigen Wälzer, den er für die zweite Auflage von 1926 stark einkürzte. Das Werk machte ihn zum Lieblingsvolkswirt aller Entrepreneure, Disruptoren und Innovatoren. Dabei kommt das Wort "Innovation" darin noch gar nicht vor. Stattdessen schreibt Schumpeter von einer "neuen Kombination von Produktionsmitteln", welche zu neuen Gütern, Herstellungsmethoden oder Märkten führe.

Um solche Kombinationen durchzusetzen, brauche es "Unternehmer", nicht zu verwechseln mit Kapitalisten oder Managern. Deren Tätigkeit sei vom Unternehmertum so verschieden "wie einen Weg bauen und einen Weg gehen". Der Unternehmer habe laut Schumpeter eine "besondre Art, die Dinge zu sehen – dabei nicht so sehr durch den Intellekt als durch den Willen, ganz bestimmte Dinge anzufassen, durch die Fähigkeit, Unsicherheit und Widerstand nicht als Gegengründe zu empfinden."

Haben solche Unternehmer Erfolg, bringen sie die ganze Volkswirtschaft aus dem Gleichgewicht, weil die von ihnen beanspruchten Produktionsmittel andernorts fehlen. Dafür können sie eine gewisse Zeit lang, bis die Konkurrenten aufgeholt haben, Monopolgewinne einstreichen – die berühmte "schöpferischen Zerstörung", die heute fest mit dem Namen Schumpeter verbunden ist. Dieser Begriff taucht hier allerdings noch gar nicht auf, sondern erst 1942 in Schumpeters Werk "Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie".

Vom "Homo Oeconomicus", jenem rationalen und eigennützigen Modellwesen der Volkswirtschaftslehre, hat sich Schumpeter übrigens schon vor mehr als hundert Jahren verabschiedet. "Egoistisch gefärbt sind zwar seine Motive – ist er doch traditions- und beziehungslos, und dem System der überindividuellen Werte fremd", schreibt Schumpeter über den Unternehmer. "Rational auch: Hat er doch auszuarbeiten, was die andern fertig vorfinden." Allerdings strebe er nicht nach dem "Lustgefühl, das die Konsumtion der erworbenen Güter auslöst" und widme trotzdem seine ganze Kraft dem "Erwerbe weiterer Gütermengen". Insofern sei sein Verhalten "überhaupt irrational oder von einem andersgearteten Rationalismus." Der typische Unternehmer, so Schumpeter, "schafft rastlos, weil er nicht anders kann." Was ihn antreibe, sei "Machtgefühl, Siegerwille und Freude am Gestalten".

Joseph Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 9. Auflage, Duncker & Humblot, 395 Seiten, 39,90 Euro

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(jle)