MSC: Mehr Richter, mehr Beamte und Befugnisse unzureichend bei Hasskriminalität

Die sozialen Netze sind bei der Münchner Sicherheitskonferenz unter Beschuss. Eine Runde des World Jewish Congress wollte wissen, wann Deutschland mehr tut.

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MSC: Mehr Richter, mehr Beamte und mehr Befugnisse unzureichend bei Hasskriminalität

Michel Friedman, Andreas Frank, Markus Kerber, Peter Neumann, Alex Samos (von links nach rechts)

(Bild: Monika Ermert / heise online)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert

Das Bundesinnenministerium steht erst am Anfang einer „breiten Initiative“ zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz. Das versprach Markus Kerber, Staatssekretär in Bundesinnenministerium, in einer vom World Jewish Council veranstalteten Runde am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Das Ministerium analysiert laut Kerber aktuell verschiedene Kategorien von Hassrede und hofft auf die Zustimmung für mehr Befugnisse.

Hassrede und Fake News werden bei der MSC als Motor extremistischer Strömungen und rassistischer Parteien in mehreren Runden diskutiert. Der Gesetzgeber und die Justiz tun zu wenig und handeln zu spät bei Kriminalisierung und Verfolgung von 'Hate Crime', kritisierte der Publizist Michel Friedman. Friedman ärgert sich, dass Cybercrime im Bereich Wirtschaft akribischer verfolgt wird, als wenn einzelne Bürger die Opfer sind.

Das Streamen von Anschlägen auf Gotteshäuser der verschiedenen Glaubensrichtungen veranlassten mittlerweile Vertreter aller großen Religionen zu drastischen Worten, sagte Rabbi Pinchas Goldsmith, Vorsitzender der Konferenz europäischer Rabbiner. Goldsmith zitierte dabei eine Äußerung des Erzbischofs von Canterbury, der Facebook und Twitter Anfang Februar mit dem „Teufel“ verglich.

Erst ein Anschlag wie der in Halle erlaubten dem Innenministerium, 250 neue Beamte im BKA für das Thema einzusetzen. Das Innenministerium hätte auch gerne ein neues Recht, das den Ermittler erlaubt, eine sofortige Herausgabe von primären und sekundären IP-Adressen von Plattformen und Providern zu erzwingen, um Hass-Poster zu verfolgen. Nach anfänglichem Kompromiss mit den Kollegen aus anderen Ressorts sei aber insbesondere das Justizministerium zurückgerudert. „Wir brauchen eine Lösung, die auch in Karlsruhe Bestand hat“, so Kerber.

Auch die Verfolgung von Tätern, deren Inhalte auf Servern im Ausland sei, müsse betrieben werden. Laut Kerber wird nach wie vor im Ministerium auch darüber diskutiert, ob dabei auch Angriffe auf solche Server möglich sein sollten, wenn man auf diplomatischem Wege mit den Behörden vor Ort nicht weiterkomme. Verschärfungen im Strafrecht allein, mehr Ermittler und Beamte werden das Problem aber nicht lösen, urteilte Kerber. „Wir stehen am Beginn einer langen Schlacht, die nicht mit dem Strafrecht allein, mit mehr Richtern und mehr Beamten geschlagen werden kann.“

Bayern hatte kürzlich beispielsweise nach einem 2018 installierten Antisemitismusbeauftragten auch noch einen Beauftragten für Hasskriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft berufen, der zusammen mit 22 bayerischen Staatsanwaltschaften für eine schärfere Verfolgung sorgen soll. Den Bürgern müsse klar sein, dass sie für Hasskommentare zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Frank, amtierender Antisemitismusbeauftragter.

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Alex Samos vom Center for International Security and Cooperation (CISAC) warb angesichts der Vorwürfe gegen Facebook und andere Plattformen für Verständnis. Entscheidungen darüber, was noch freie Meinung, was ein hässlicher Kommentar und was schon einen kriminelle Äußerung ist, seien komplex. In Rechtsstaaten dächten Richter über solche Fragen 40 Stunden nach, wofür ein Facebook-Mitarbeiter wenige Minuten habe. Samos, selbst langjähriger Sicherheitschef bei Facebook, ätzte überdies, man dürfe nicht vergessen, dass die sozialen Medien denen eine Stimme gegeben hätten, die in den klassischen Medien nicht vorgekommen seien: Schwarze oder Frauen, die sich gegen Belästigung am Arbeitsplatz zur Wehr setzten. „Vor dreißig Jahren haben in Deutschland 40 weiße Männer entschieden, was Nachrichtenwert hat.“ Diese Zeiten seien vorbei, so Samos, „und diesen Geist bekommt man nicht mehr in die Flasche zurück.“

Am Samstagnachmittag muss sich Mark Zuckerberg selbst verteidigen. Der Facebook-Chef beantwortet dann im Bayerischen Hof Fragen vom Macher der Sicherheitskonferenz, Botschafter Wolfgang Ischinger. (tiw)