Harvard-Chemiker wegen geheimer China-Zahlungen verhaftet

Die Auseinandersetzung um die technologische Vormachtstellung zwischen dem Reich der Mitte und den USA wird härter.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Handelskrieg mit den USA: China schwingt die "Rohstoff-Keule"

(Bild: danielo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Antonio Regalado
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Mit welchen Bandagen mittlerweile gekämpft wird, zeigt die jüngste Verhaftung des amerikanischen Chemikers Charles Lieber. Der 60-Jährige forscht an der Harvard University, gehört zu den meistzitierten Chemikern der Welt und ist eine Größe im Bereich der Nanotechnologie. Er hat das Konzept für in das Gehirn injizierbare Metallnetze entwickelt und war eine Inspiration für das Gehirn-Computer-Interface von Elon Musks Unternehmen Neuralink. Am 28. Januar allerdings kam er nicht mit neuen Forschungsarbeiten in die Schlagzeilen, sondern mit seiner Verhaftung.

Das US-Justizministerium wirft ihm in der Anklageschrift vor, gleich mehrere Bestimmungen für den Erhalt von US-Fördergeldern verletzt zu haben. Sowohl von den National Institutes of Health (NIH) als auch dem US-Verteidigungsministerium hatte Lieber seit 2008 mehr als 15 Millionen Dollar für seine Nanotechnologie-Forschung erhalten. Eine Bedingung bei dieser Art staatlicher Förderung ist, ausländische Kooperationen und Forschungsgelder angeben zu müssen.

Nun wird er beschuldigt, ausgerechnet Einnahmen aus einem der Locktöpfe Chinas verschwiegen zu haben: Mit dem „Thousand Talents Program“ versucht das Riesenreich, Spitzenforscher aus dem Ausland anzulocken, um seine Forschungsinstitutionen auf den neuesten Stand der Wissenschaft zu bringen. Lieber hat sich offenbar locken lassen und ab 2011 am Aufbau eines Forschungslabors an der Technischen Universität Wuhan mitgewirkt.

Für die Unterbreitung „strategischer, visionärer und kreativer Forschungsvorschläge“ hat ihn die Universität fürstlich bezahlt: Er erhielt Forschungsgelder in Höhe von etwa 1,5 Millionen Dollar sowie 158000 Dollar pro Jahr für Lebenshaltungskosten und andere ­persönliche Ausgaben für seine China-Aufenthalte. Sein chinesisches ­Gehalt betrug darüber hinaus bis zu 50.000 Dollar pro Monat. All diese Zahlungen flossen auf ein chinesisches Bankkonto.

Er habe jedoch auch wiederholt per E-Mail um Bargeldzahlungen gebeten, so die Anklageschrift. Die Harvard University erfuhr 2015, dass das Wuhan-Labor Liebers Namen und Logo verwendete, und stellte ihn zur Rede. Der stritt jegliches Wissen über ein formelles gemeinsames Programm ab – ließ sich jedoch weiterhin von der Universität Wuhan bezahlen.

Liebers korrupter Umgang mit natio­nalen Forschungsmitteln ist kein ­Einzelfall. Das Vorgehen des Justizministeriums ist Teil der weitreichenden Bemühungen der USA, den „zügellosen Diebstahl von geistigem Eigentum durch China“ zu bekämpfen. Der „New York Times“ zufolge untersuchen US-Behörden zahlreiche Fälle, in die auch viele in den USA arbeitende chinesische Forscher verwickelt sind. Auch Harvard-Krebsforscher Zaosong Zheng ist angeklagt: Anfang Dezember fanden Zollermittler bei seiner Ausreise nach China am Bostoner Logan-Flughafen in seinem Gepäck in Socken versteckte Plastiktüten mit Phiolen.

Sie enthielten Krebszellen aus dem Harvard-Krankenhaus Beth Israel Deaconess Medical Centre. Zheng soll Gerichtsdokumenten zufolge zugegeben haben, dass er einige der Proben gestohlen und die anderen selbst entnommen habe, um sie in China zu untersuchen. Die Ergebnisse wollte er unter seinem Namen publizieren und damit seine Karriere anschieben. Die US-Regierung geht laut „New York Times“ davon aus, dass es sich häufig um konzertierte und von der chinesischen Regierung abgeseg­nete Vorfälle handelt.

(bsc)