Web-Erfinder Berners-Lee: Internet funktioniert nicht für Frauen

Berners-Lee setzt sich für ein Web ein, das für alle gleichermaßen zur Verfügung steht. Frauen und marginalisierte Gruppen seien mit vielen Hürden konfrontiert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 134 Kommentare lesen
Web-Erfinder Berners-Lee: Internet funktioniert nicht für Frauen

(Bild: Ryan DeBerardinis / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Frauen und marginalisierte Gruppen sind im Internet nach Auffassung von Web-Erfinder Tim Berners-Lee gefährlich benachteiligt. So könne die angestrebte Geschlechtergleichheit nie erreicht werden, schreibt er anlässlich des 31. Jahrestages zur Erfindung des World Wide Webs.

"Das Web funktioniert nicht für Frauen und Mädchen", hält Berners-Lee fest. Immer noch sei es bei Männern um 21 Prozent wahrscheinlicher, dass sie einen Zugang zum Internet hätten. In den ärmsten Ländern sei es sogar um 52 Prozent wahrscheinlicher. Dies liege häufig daran, dass Frauen sich einen Internetzugang schlicht nicht leisten können oder Technik nicht zur Verfügung stehe und damit einhergehende Skills fehlten. Damit werde die Ungleichheit gefestigt, Millionen Mädchen und Frauen hätten nicht die Chance online zu lernen, Geld zu verdienen und ihrer Stimme Gehör zu verschaffen.

Zudem hätten nach Studien schon mehr als die Hälfte der jungen Frauen online Gewalt erfahren, durch Drohungen und Beleidigungen etwa. Viele gäben ihre Ausbildung oder Arbeit deshalb auf, andere zögen sich aus sozialen Medien zurück und die Welt verliere damit ihre Stimmen. Gleiches gelte für People of Color und Menschen der LGBTQ+-Communities und anderer marginalisierter Gruppen.

Auch Anwendungen künstlicher Intelligenz diskriminierten teils gegen Frauen. So habe 2018 eine Anwendung für Arbeitsplatzvermittlung gestoppt werden müssen, weil die Algorithmen aufgrund historischer Daten aus Zeiten, als überwiegend Männer bestimmte Jobs innehatten, bei der Auswahl Männer bevorzugte.

Mehr Infos

Ein schwer vermittelbarer Vorschlag - und der Anfang des Web

Berners-Lee appellierte an Web-Designer, Wissenschaftler und Regierungsvertreter, sich des Problems anzunehmen. "Das Handeln von Regierungen und Unternehmen kommt zu langsam, und sie tun zu wenig". Schließlich hätten sich 1995 bei der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 189 Staaten darauf geeinigt, für mehr Gleichberechtigung zu sorgen.

Der 65-Jährige unterstrich in seinem Appell zudem, dass besonders der Coronavirus-Ausbruch zeige, wie dringend gehandelt werden müsse. Wenn während Quarantänen nur noch das World Wide Web dabei helfe, dass Menschen weiterhin arbeiten und sich informieren können, sollte dieses Netz auch für alle Menschen gleichwertig funktionieren. Die Web Foundation wolle sich 2020 vermehrt dafür einsetzen, dass mehr Menschen einen Zugang zum Internet erhalten, und dort jeder Mensch sicher und gestärkt agieren könne.

Berners-Lee hatte in den vergangenen Jahren bereits dazu aufgerufen, dass Web als "Macht des Guten" wieder auf Spur zu bringen und dafür einen aus neun Prinzipien bestehenden Gesellschaftsvertrag verfasst. Er wirbt für mehr Chancengleichheit, Teilhabe und sowohl Privacy als auch Security by Design für Nutzerinnen und Nutzer.

Der Informatiker hatte am 12. März 1989 seinen Vorschlag für ein System für Informationsmanagement vorgelegt, aus dem das World Wide Web hervorging. Er arbeitete damals bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf.

(kbe)