Die elektrische Kette

Der Industriekonzern Schaeffler hat ein E-Bike ohne Kette entwickelt. Welche Vorteile bringt das?

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Die elektrische Kette

Sieht aus wie ein normales Mountainbike, ...

(Bild: Schaeffler)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans Dorsch

Das neue E-Bike des Autozulieferers Schaeffler sieht aus wie jedes andere – abgesehen davon, dass Tretkurbel und Hinterrad weder durch eine Kette noch einen Riemen verbunden sind. Stattdessen treiben die Pedale einen Generator an, der einen Akku speist, welcher wiederum den Motor im Hinterrad versorgt. Die Wartung schrumpft auf ein Minimum.

Das Prinzip gab es früher schon, etwa beim Mando Footloose, allerdings mit dem enttäuschenden Fahrgefühl eines Mofas, bei dem man ein wenig mittreten darf. Ob Schaeffler das besser kann?Ich trete in die Pedale, und das Rad reagiert sofort. Ich schalte mit einer Schaltwippe hoch. Ein Gang nach dem anderen rastet mit sattem Ruck ein. Das Smartphone, das als Display dient, zeigt die Gänge von 1 bis 9. Schnell bin ich bei 25 Kilometern pro Stunde.

...erweist sich bei näherem Hinsehen aber als unbekettet.

(Bild: Schaeffler)

Die Unterstützung lässt nach, aber ich trete weiter: 26, 27, 30 km/h. Es fährt exakt wie ein Pedelec. Dabei gibt es gar keine reale Schaltung, sie ist nur simuliert. Das vertraute Fahrgefühl beruht auf einem Patent des Instituts für Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz, mit dem Schaeffler kooperiert.

Dessen Steuerung imitiert unter anderem die Steifigkeit einer Kette, indem der Generator einen gewissen Widerstand erzeugt. "Mit bisheriger Regeltechnik waren solche Echtzeitberechnungen nicht möglich", sagt Jürgen Osterlaenger, der technische Projektleiter bei Schaeffler. Und der Wirkungsgrad? "Geht es nur darum, menschliche Kraft zu übertragen, ist das System nicht besonders effizient", sagt er. "Von 100 Watt, die ein normaler Mensch in die Pedale tritt, kommen ungefähr 65 an."

Aber wenn ein Motor 200 Watt dazugibt, seien insgesamt 300 Watt im System und der Verlust weniger spürbar.Als Nächstes teste ich ein Lasten-Dreirad mit Kabine, Transportbox, 240 Kilogramm Leergewicht und zwei Hinterrädern, in denen jeweils der gleiche Motor wie im Zweirad sitzt. Aus rechtlichen Gründen ist ihre gemeinsame Dauerleistung zwar auf 250 Watt abgeregelt, aber als Duo haben sie mehr Reserven für Lastspitzen.Diesmal wähle ich den Automatik-Modus. Dann beschleunigt das Rad mit einem konstanten Tretwiderstand bis zur voreingestellten Trittfrequenz.

Auch Rekuperieren und Rückwärtsfahren sind möglich, das Spitzentempo lässt sich per Software festlegen. Gerade bei schweren Lastenrädern sieht Osterlaenger Potenzial. Gängige Fahrradtechnik sei für diese Beanspruchungen zu schwach und kann den Antrieb auch nicht auf mehrere Räder verteilen. Generator und Mo-tor sind auf 50.000 Kilometer ausgelegt. Das Zweirad soll vor allem dem Verleih dienen. Auch da sei die Wartung ein großer Kostenfaktor.

Schaeffler will nicht selbst Räder bauen, sondern Fahrradhersteller beliefern. Bisher war allerdings unklar, ob ein Antrieb ohne Kette tatsächlich der Pedelec-Norm entspricht. Das Verkehrsministerium hat dem Konzept nun explizit seinen Segen erteilt.

Produkt: E-Bike ohne Kette
Hersteller: Schaeffler
Preis: noch unklar

(bsc)