Das Bezahl-Web kommt durch die Hintertür

Inhalte-Anbieter und Portale feilen an ihren Strategien, die Nutzer zur Kasse zu bitten.

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Über ein halbes Jahr, nachdem die großen Portale der Kostenlos-Kultur der Surfer den Kampf angesagt haben, kristallisieren sich neue Geschäftsmodelle für das häufig prognostizierte Pay-Web heraus. Mehrere Anbieter haben in den letzten Tagen bekannt gegeben, dass sie vom Jahr 2002 an ernst machen und einzelne Inhalte oder Dienste nur noch gegen Gebühren zugänglich machen.

Peter Würtenberger etwa, Chef von Bild.de und seit dem Frühjahr bekennender Gegner der Umsonst-Mentalität im Netz, kündigte in einem Interview an, für "exklusive" Nachrichten, Spiele, Promi-Chats und Erotik bald Geld zu verlangen. Nach der Jahreswende will zudem auch T-Online über sein Gestalt annehmendes Breitband-Portal T-Vision für Musik-Services und TV-Übertragungen die Hand aufhalten.

Etwas erfinderischer präsentiert sich Web.de. Die Karlsruher Anlaufstelle für Surfer hat gerade einen "Club" gestartet, der seinen Mitgliedern für fünf Euro im Monat Premium-Services und E-Commerce-Schnäppchen bietet. Wer zahlt, erhält 100 Megabyte Speicherplatz für den webbasierten Freemail-Dienst, eine auf 1000 Botschaften erhöhte E-Mail-Kapazität sowie eine der von Web.de verscherbelten 012012-Wunschrufnummern mit Fax und Voicebox. Erklärtes Ziel der extra gegründeten Club Service GmbH ist es, zehn Prozent der Stamm-Nutzer von Web.de innerhalb der nächsten zwei Jahre anzulocken.

Einen Zwang zur Clubmitgliedschaft werde es allerdings nicht geben, betonte ein Unternehmenssprecher gegenüber heise online. Wie die PR-Mannschaften der gesamten Konkurrenz beeilen sich auch die Karlsruher klar zu stellen: "Alles, was bislang gratis ist, wird weiterhin kostenfrei bleiben." Dieses Mantra zeigt, dass das Gratis-Web auch in Zukunft nicht ganz vom Serverboden verschwinden wird. "Wir können unsere acht Millionen Nutzer nicht schockieren", lautet die Ansage bei Web.de zu dem Tabu-Thema. Die Bezahldienste sollen allerdings vor allem im Bereich Internet-basierter Telekommunikation, in der die Karlsruher Margen zwischen 70 und 80 Prozent vergraben sehen, sukzessive ausgebaut werden.

Um den mauen Markt für Online-Werbung sowie die vor sich hin tröpfelnden E-Commerce-Einnahmen durch neue Geldquellen zu ergänzen, setzt auch Tiscali auf die viel beschworenen "Mehrwertdienste". Noch im Dezember soll ein Musikkanal seinen Dienst aufnehmen, dessen Abogebühren bei sieben Euro im Monat starten. Über ein eigenes Bezahlverfahren will der Provider aber auch sein Portal im kommenden Jahr mit gebührenpflichtigen Info- und Auskunftsangeboten bestücken.

Auf die Mobilfunk-Generation setzt auch Yahoo Deutschland. Ein spezieller SMS-Dienst, mit dem Nutzer ihre eigenen News oder Party-Tipps an Abonnenten-Gruppen versenden können, ist bislang das einzige kostenpflichtige Angebot bei dem Portal hierzulande. Den Empfängern der Nachrichten werden dabei "Credits" von ihrem vorausbezahlten Yahoo-Konto abgezogen, die aber den Gegenwert von gängigen SMS-Gebühren nicht überschreiten. Wann die bei der Mutterfirma in den USA längst eingeführten Bezahldienste für dickere E-Mailboxen, Web Hosting oder Auktionen auch nach Deutschland kommen, wusste eine Sprecherin aktuell nicht zu sagen.

Die spannende Frage ist angesichts der Pläne der Portale natürlich, ob die das Gratis-Web gewöhnten Nutzer überhaupt mitspielen. Die Marktauguren sind sich jedenfalls noch völlig uneins: Dem Forschungsinstitut Earsandeyes zufolge würden 35 Prozent der rund 1.000 Befragten 25 bis 50 Mark, 16 Prozent sogar Beträge zwischen 50 und 100 Mark monatlich für Premium Dienste ausgeben. Eine Studie des Instituts speedfacts kam im Sommer dagegen zu einem anderen Ergebnis: Nur eine Minderheit sei bereit, so die Marktforscher, ein Budget für bestimmte Services einzuplanen. (Stefan Krempl) / (hob)