Nach Corona: Ein sinnvoller Neustart

Bild: Obi Onyeador/unsplash

Arbeitsplätze, Kaufkraft, Verkehrswende: Wie es besser weitergehen kann. Kommentar

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Zur Vorbereitung werden üblicherweise Katastrophenszenarien mit entsprechenden Schäden und Ausfällen angenommen und es wird durchgespielt, wie die einzelnen Teilsysteme reagieren und wie die entsprechenden Akteure zu handeln haben, um Schäden zu minimieren bzw. zu verhindern.

Außerdem zeigen sich in derartigen Übungen Schwachstellen in den Systemen und Mängel in der Vorbereitung auf das Schadensereignis. Diese können dann vorher abgestellt werden. Und es gibt das berühmte Gesetz von Murphy, das lautet: "Anything that can go wrong will go wrong." (Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.) Es wird in der modernen Technik als heuristischer Maßstab bzw. als Erfahrungswissen für Fehlervermeidungsstrategien angewendet.

Die Covid-19-Pandemie wurde in einem Planspiel des RKI 2013 fast exakt simuliert, lediglich die Mortalität des Virus wurde höher angenommen. Aber die notwendigen Vorsorgemaßnahmen, die sich aus der Simulation ergaben, wurden nicht umgesetzt und die Berichte verschwanden in der Versenkung.

Natürlich war es sehr hilfreich, dass wir jetzt wenigstens die Ergebnisse der Simulation hatten und wussten, was zu tun ist, aber trotzdem waren wir sehr schlecht vorbereitet. Wir wussten nämlich, dass die Intensivbetten, die Beatmungsgeräte und die Vorräte an Schutzkleidung und Masken viel zu gering waren. Trotzdem wurden sie nicht rechtzeitig aufgestockt, obwohl dazu sechs Jahre(!) Zeit war.

Ähnlich sieht es bei der Stromversorgung aus. In meinem ersten Artikel Die Energiewende und die Versorgungssicherheit, habe ich eine Studie des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Bundestag von 2011 zu dem Thema zitiert.

Die Studie kommt zu erschreckenden Ergebnissen für den Fall eines großen und längerfristigen Stromausfalls. Passiert ist seit 2011 aber nichts, die Situation ist heute noch genau die gleiche. Leider gilt aber das Gesetz von Murphy und wenn ein Schaden eintreten kann, muss man nur lange genug warten, damit er auch eintritt.

Vielleicht gibt es aber auch etwas Positives. Durch die Coronaepidemie wurde ein Herunterfahren aller Aktivitäten unserer Gesellschaft in einen zum Überleben notwendigen Sparmodus erzwungen. Dabei fallen Denkverbote und es werden Tabus gebrochen. Das könnte unsere Chance für die Zukunft sein.

Unsere Welt verändert sich rasend schnell und wir müssen uns an die veränderten Bedingungen anpassen, ob wir wollen oder nicht. Das ist keine Ermessens-, sondern eine Überlebensfrage. Und das betrifft nicht nur den Klimawandel und den Umweltschutz, sondern auch die Organisation unserer Produktion und der ganzen Gesellschaft. Und da stehen wir vor völlig neuen Herausforderungen.

Bisher: Der Mangel, gegen den "anproduziert" wurde

Bisher ist fast die gesamte Geschichte der Menschheit von Mangel an Lebensmitteln und Waren gekennzeichnet, gegen den so gut wie möglich anproduziert werden musste. Und da sich eine Steigerung der Warenproduktion meist nur über die Arbeitsproduktivität erreichen ließ, war der im Vorteil, der die höchste Arbeitsproduktivität besaß.

Aber gilt das heute auch noch? Durch Automatisation und Digitalisierung haben wir heute eine so hohe Produktivität erreicht, dass wir praktisch unbegrenzte Mengen aller Güter herstellen können, wenn nur genug Material zur Verfügung steht. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte ist dank der hohen Arbeitsproduktivität nicht mehr limitierend für eine Steigerung der Produktion. Das ist eine neue Situation. Und wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.

Vor einiger Zeit war Industrie 4.0 ein öfter behandeltes Thema in den Medien, z. B. in Talkshows mit Richard David Precht. Aber anstatt eine breite Zukunftsdiskussion in Gang zu bringen, wurde das Thema medial totgeritten und verschwand weitgehend in der Versenkung.

Natürlich sind Teilbereiche unserer zukünftigen Entwicklung nach wie vor in der Diskussion, Umweltschutz und Klimawandel, Energiewende, Elektromobilität, Verkehrswende und Konversion der Autoindustrie sind nach wie vor Topthemen, aber es wird nicht gesehen, dass das alles nur Teile eines viel größeren Wandels unserer Gesellschaft sind und dass die Frage ist, ob wir diese Probleme im Rahmen unseres jetzigen gesellschaftlichen Systems lösen können bzw. wie wir unser gesellschaftliches System verändern und an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen?

Fakt ist, dass wir in der Produktion immer weniger Menschen benötigen. Und das wird sich noch verstärken. In der Landwirtschaft ist heute schon ein vollautomatischer Feldbau ohne Personal möglich. Vollautomatische, GPS-gesteuerte Traktoren und Landmaschinen, die ohne Fahrer auskommen, existieren bereits. Sie sind zwar noch nicht flächendeckend eingeführt und müssen aus Sicherheitsgründen auch noch von Menschen beaufsichtigt werden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann man auf den Feldern niemand mehr braucht.

Wer wird gebraucht? - Das Nachfrageproblem der Autoindustrie

Auch in der Industrie geht die Automatisierung und damit der Stellenabbau weiter. Aktuell haben vor allem die Beschäftigten in der Autoindustrie große Angst um ihre Arbeitsplätze, denn es ist klar, dass im Zuge der Umstellung der Produktion auf E-Autos Zigtausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie verloren gehen. Natürlich werden auch einige Arbeitsplätze neu geschaffen, aber für jeden neu geschaffenen Arbeitsplatz gehen 10 alte verloren.

Durch die Coronakrise seien 100.000 der heute 830.000 Arbeitsplätze bei Autobauern und Zulieferern in Deutschland gefährdet - "unter optimistischen Annahmen", meint Ferdinand Dudenhöffer. Die Autoproduktion in Deutschland ist vergangenes Jahr von 5,1 auf 4,7 Millionen Fahrzeuge gesunken und wird 2020 weiter auf 3,4 - 3,8 Millionen Autos fallen.

"Der Grund sind nicht Probleme in den Lieferketten, sondern ganz klar die fehlende Nachfrage", betonte Dudenhöffer: Die Autoindustrie habe "ein gravierendes, längerfristiges Nachfrageproblem."

Oder nehmen wir den Transportsektor. In dem Moment, wo das autonome Fahren wirklich einsatzreif ist, gehen in kürzester Zeit alle Arbeitsplätze als Kraftfahrer verloren. Natürlich wird ein selbstfahrendes Auto in der Anschaffung ein paar Tausend Euro teurer sein, aber das rechnet sich dann sehr schnell über eingesparte Lohnkosten. Der Fahrer hat da keine Chance.

Auch hochqualifizierte Berufe wie Ingenieur, Softwareentwickler usw. werden langsam von diesem Trend erfasst, denn mit der Entwicklung der KI werden auch dort viele Tätigkeiten, die heute noch ein Mensch macht, von Expertensystemen und Robotern übernommen. Ich kann nicht sagen, wie schnell die angesprochenen Veränderungen kommen, aber dass sie kommen, ist sicher.

Kaufkraft

Damit bekommen wir ein großes ökonomisches Problem. Wenn nämlich immer mehr Menschen aus dem Produktionsprozess freigesetzt werden, sinkt die Kaufkraft und wir bekommen eine Absatzkrise, die in einer kompletten Rezession endet. Die Idee, dass es schon neue Arbeitsplätze geben wird, ist keine Lösung. Natürlich wird es neue Arbeitsplätze geben, aber sehr viel weniger als verloren gehen.

Und es ist ja auch gar nicht sinnvoll, unbedingt neue Arbeitsplätze um der Arbeitsplätze willen zu schaffen. Arbeitsplätze sind ja kein Selbstzweck, sondern notwendig, damit bestimmte Arbeiten erledigt werden. Und bisher gab es immer mehr notwendige und sinnvolle Arbeiten, als mit den vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden konnten.

Deshalb war der Kapitalismus auch allen anderen Gesellschaftsordnungen und Wirtschaftsformen überlegen. Er ermöglichte nämlich eine maximale Verwertung aller vorhandenen Ressourcen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und Erhöhung der Produktion. Allerdings ist Antrieb dazu der Maximalprofit, den der Kapitalist machen muss, bei Strafe seines Untergangs.

Deshalb kann er keine Rücksicht auf andere, für die Gesellschaft relevante Probleme nehmen, sondern muss rücksichtslos im Interesse des Maximalprofits handeln, egal, ob er die Umwelt zerstört, Gesetze bricht oder durch sein Handeln anderen anderweitig einen großen Schaden zufügt (z.B. Waffenproduktion und die daraus folgende mittelbare Verursachung und Teilnahme an Kriegen und Bürgerkriegen, "Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt").

Außerdem ist das kapitalistische System auf Wachstum angewiesen. Da die Erde aber endlich ist, ist ein unendliches Wachstum unmöglich. Deshalb sind Wirtschaftskrisen unvermeidbarer Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Früher gab es den bekannten Krisenzyklus: Konjunktur-Krise-Krieg. Seit dem 2. Weltkrieg funktioniert der aber nicht mehr richtig, da mit dem Aufkommen der Atomwaffen und anderer Massenvernichtungsmittel ein großer globaler Schlagabtausch Selbstmord ist und damit unmöglich wurde.

Stattdessen wurden Bürgerkriege und regionale Stellvertreterkriege geführt. Diese konnten aber die kapitalistische Krisenproblematik nicht lösen, weil die regionalen Zerstörungen für eine allgemeine weltweite Nachkriegskonjunktur beim Wiederaufbau nicht ausreichten und durch diese Kriege auch keine großen Produktionskapazitäten zerstört und damit vom Markt genommen wurden.