Nach anhaltender Kritik: ICANN stoppt Verkauf der .org-Registry an Ethos Capital

Die Entscheidung gilt als Sieg für gemeinnützige Organisationen. Auch die Bundesregierung hatte Einwände gegen den lange verheimlichten Deal.

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Rolle rückwärts: ICANN stoppt Verkauf der .ORG-Registry an Ethos Capital

(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

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Die Verwaltung der Top-Level-Domain .org, Public Interest Registry (PIR), wird nicht verkauft und damit nicht kommerzialisiert. Der ICANN-Vorstand hat dem Verkauf am 30. April die Zustimmung verweigert. Das sei im öffentlichen Interesse. "Verschiedene Faktoren schaffen inakzeptable Unsicherheiten für die Zukunft der Registry der drittgrößten Top-Level-Domain", teilte die ICANN in der Nacht auf Freitag mit.

Die Entscheidung gilt als Sieg für die Zivilgesellschaft und insbesondere gemeinnützige Organisationen, in deren Interesse die .org-Registry in erster Linie agieren soll. Dem gegenwärtigen Eigentümer ISOC (Internet Society) entgeht damit ein Verkaufserlös von über einer Milliarde US-Dollar. Die eigens in den USA gegründete Investmentgesellschaft Ethos Capital, die die .org-Registry mit Gewinnabsicht betreiben wollte, geht leer aus.

Die Top-Level-Domain .org gilt als eines von wenigen Symbolen des nicht-kommerziellen Internets. Entsprechend tobte die Zivilgesellschaft gegen den .org-Verkauf durch die Internet Society. Über 800 Organisationen und 25.000 Einzelpersonen haben sich über Aktionen wie savedotorg.org eingemischt und die Internet Society, die Netz-Selbstverwaltung ICANN und die US-Politik aufgefordert, den Verkauf zu stoppen. Die absehbaren Preiserhöhungen könnten insbesondere gemeinnützige Organisationen in Entwicklungsländern überfordern.

Die Nichtregierungsorganisation Access Now hatte in einem Brief an den US-Kongress unter anderem kritisiert, der heimlich abgeschlossene Deal berge das Risiko, dass die an Gewinnmaximierung interessierten neuen Inhaber vor allem ihre Aktivisten-Kundschaft weniger gegen Attacken schützen würden. Auch die Bundesregierung hatte sich über den Vorgang irritiert gezeigt. Unterm Strich war der Widerstand gegen den Deal mit der Kapitalbeteiligungsgesellschaft Ethos Capital zu groß.

Seit der Meldung der Internet Society am 13. November 2019, dass sie die PIR an die undurchsichtige Ethos Capital verkauft habe, tobte ein Streit um die Frage, ob die ICANN den Deal verhindern müsse. Die private Netzverwaltung konnte den eigentlich schon beschlossenen Verkauf letztlich verhindern, weil sie als übergeordnete Instanz Änderungen der Registryinhaber, mit denen sie Verträge macht, absegnen muss.

„Hätte ICANN zugestimmt“, schreibt sie nun selbst in ihrer Entscheidung, „hätte sie darauf vertrauen müssen, dass ein gewinnorientiertes Unternehmen in gleicher Weise zum Wohl der .org-Inhaberschaft agiert wie der aktuelle Besitzer". Die Entscheidung nannten die ICANN-Vorstände, von denen sich nur einer enthielt, „folgerichtig und im öffentlichen Interesse“. Sie bemängelten fehlende Schutzvorkehrungen eines Non-Profit-Unternehmens und führten ins Feld, dass Ethos Capital seinen Investoren verpflichtet sei und eine Schuld in Höhe von 360 Millionen US-Dollar abtragen müsse.

Zahlreiche .org-Inhaber hatten die bis zum Abschluss geheim gehaltene Transaktion als "Ausverkauf" ihrer Interessen kritisiert. In einer von AccessNow und der Electronic Frontier Foundation veranstalteten Pressekonferenz kurz vor der Entscheidung der ICANN, warnten mehrere Bürgerrechtsorganisationen vor den negativen Folgen. Demnach könnten Inhaber von .org-Domains zum Ziel chinesischer Zensurgelüste werden. Das hatte Kenneth Roth ins Feld geführt, Vorsitzender der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. EFF Anwalt Mitch Stoltz verwies darauf, dass Branchen wie die pharmazeutische Industrie oder große Rechteinhaber wie die Motion Picture Association gerne auch dafür bezahlten, dass die Registries ihnen unliebsame Domaininhaber aussortieren.

Die .org-Community sei ein beliebtes Ziel, warnte Stoltz, weil viele Initiativen mit .org-Domains den Mächtigen in Wirtschaft und Politik auf die Füße treten. Roth befürchtete vor allem den Zugriff Chinas auf eine Private-Equity-Gesellschaft wie Ethos. "Wir haben bei der NBA gesehen, wie das läuft", sagte Roth. Weil ein Manager eines US-Basketballteams einen positiven Tweet zu Hong Kong abgesetzt hatte, habe China umgehend Millionendeals platzen lassen. Er könne fast garantieren, dass China über die Ethos-Investoren Druck ausüben werde, um unliebsame Aktivisten einzuhegen.