Karlsruher Verfassungsgespräch: Tausche Oktoberfest gegen Corona-App

Großveranstaltungen kann sich der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) eher wieder vorstellen, wenn Viele digitales Kontakt-Tracing machen.

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Karlsruher Verfassungsgespräch: Tausche Oktoberfest gegen Corona-App

(Bild: Elizaveta Galitckaia / Shutterstock.com)

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Einen Zwang, die von der Bundesregierung geplante Corona-Warn-App zu installieren, kann sich Baden-Württembergs Vize-Regierungschef Thomas Strobl nicht vorstellen. "Wir sind nicht in Indien und auch nicht in China", betonte der CDU-Politiker am Freitag kurz vor dem 71. Geburtstag des Grundgesetzes beim 20. Karlsruher Verfassungsgespräch im Bundesverfassungsgericht. "Ich sehe einen großen Konsens, dass das freiwillig geschehen soll." Diesen Weg werde die Politik nun zumindest einmal probieren. Es könnten "sehr viele bereit sein", auf diese Weise "sich selber und andere zu schützen".

Den Appell seines Parteikollegen Axel Voss, Nutzer einer Mobilanwendung zum Verfolgen von Corona-Infektionsfällen schneller wieder ins Freibad oder Restaurant zu lassen, kommentierte der baden-württembergische Innenminister nicht. Gerade bei Großveranstaltungen mit über 50 Personen seien Infektionsketten aber bisher nicht rückverfolgbar, sagte er. Beim breiten Einsatz einer App wäre es daher eher denkbar, solche Events wieder durchzuführen.

Auch bei einem solchen "um die Ecke gedachten Zwang" nach dem Motto "Tausche Oktoberfest gegen App" müsse die Gesellschaft vorsichtig sein, warnte die Kaiserslauterner Informatikerin Katharina Zweig. Prinzipiell erhoffe sie sich von einem breiten Einsatz einer solchen dezentralen Anwendung bessere Modulierungsparameter, um die Virusausbreitung zu simulieren. Da müsse man auch gar nicht binär Alternativen abwägen wie "Datenschutz versus Leben retten" oder nach Standortdaten rufen.

Der Freiburger Staatsrechtler Jens-Peter Schneider bedauerte indes, dass sich die Bundesregierung nach Protesten doch für eine dezentrale Lösung entschied, bei der Identifikatoren via Bluetooth über die Smartphones der Anwender ausgetauscht werden. Dieser Ansatz decke nur das "individuelle Informationsbedürfnis", während "wir nichts lernen werden über die epidemiologische Entwicklung". Ein breiter Informationsfluss zu den Gesundheitsämtern wäre wichtig gewesen. Dabei habe selbst der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) klargemacht, dass auch "etwas anderes ginge".

Die Warn-App könne ein "niedrigschwelligerer Eingriff" und "ein Baustein im Kampf gegen die Pandemie" sein, wenn sie richtig gemacht werde, meinte der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz. "Wenn das Vertrauen da ist, würden das viele Leute machen." Ohne diesen wesentlichen Akzeptanzfaktor hätten bereits andere IT-Großprojekte wie De-Mail, der elektronische Personalausweis oder der Einkommensnachweis Elena nicht funktioniert.

"Vertrauen kann auch dadurch zerstört werden, dass man etwas Gutes schlechtredet", erwiderte Schneider. Er gehe aber auch davon aus, dass viele Bürger spätestens dann bereit seien, die App einzusetzen, "wenn die nächste Welle rollt". Auch ein "Vorrang bei der Testung" brächte sonst bestimmt viele dazu zu sagen: "Das ist für mich wichtig."

"Wir brauchen Freiwilligkeit", unterstrich von Notz dagegen. Es müsse quasi "zum guten Ton" gehören, dass man da mitmacht, "wenn die Anonymisierbarkeit da ist". Am besten wäre es, diese Aspekte in einem Gesetz zu verankern und nicht nur in den Nutzungsbedingungen. Er wolle den Start der App aber nicht daran festmachen, um ihn nicht zu zerreden. Juristen vom "Forum Privatheit" betonten dagegen gerade noch einmal, dass es ohne gesetzliche Basis nicht gehe.