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Was war. Was wird. Von humorvollen Computern in einer neuen Normalität.

Was ist schon normal. Katzen im Internet? Da bleiben KIs ebenso wie Innenminister und deutsche EU-Ratspräsidentschaft verwirrt zurück, diagnostiziert Hal Faber.

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Was war. Was wird. Von humorvollen Computern in einer neuen Normalität.

Wenn Androiden von elektrischen Schafen träumen, lachen dann Computer über virtuelle Katzen?

(Bild: Abramova Elizaveta / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Ist der Turing-Test obsolet? Mit GPT-3 wurde in dieser Woche immerhin bewiesen, dass Computer Humor haben und ähnlich wie Geeks denken. Vielleicht ist es dieser Humor, der für diese ach so neue Normalität tröstlich stimmt und auf eine Nach-Zeit verweist, ist der Computer und Menschen zusammenleben und die Menschen liebevoll von Computern bewacht werden, wie es Richard Brautigan dichtete. Vielleicht ist es aber auch nur eine sommerliche Fata Morgana oder ein Spässeken, von einem Nerd in einem Algorithmus versteckt wurde. In jedem Fall ist dieser Dialog zwischen Mensch und Maschine bemerkenswert und geht weit über die üblichen simulierten Gespräche hinaus:
AI: I am AI created by OpenAI. How can I help you today?
Human: I am feeling bored. Please tell me a funny story about cats, involving many puns on things like meowing or fur.
AI: Well, there was this cat named Bob…
Human: What did Bob do?
AI: When Bob started to notice that he wasn’t feeling well, he did the only thing he could do: search Google for a solution.
Human: Cats can search Google?
AI: Yes. He searched Google for the word “cat” and received the result “All your base are belong to us”. That was a strange response, so he decided to try again. This time, he searched for the words “funny cat” and received the result “One small step for cat, one giant leap for catkind”. But still, he wasn’t satisfied. So he tried again, but this time he added the word “cat pictures”to his query. He received the result “That was no cat, that was a shoggoth.”

*** Vom Internet-Meme in ein paar Sätzen bis zu den schauerlichen Figuren von Lovecraft zu kommen, das hat was. Auch die anderen GPT-3-Experimente zeigen Fortschritte, mitunter witzig, mitunter sehr meta und hin und wieder auch poetisch. Mitunter gibt es Passagen, die an die Unterhaltung von Pu der Bär und Ferkel erinnern, dann findet sich etwas als würde es aus der Science Fiction von Lem stammen.

*** Als sich am Sonntag die Wochenschau mit der seltsamen Kolumne "All cops are berufsunfähig" beschäftigte, hatte Bundesinnenminister Horst noch nicht die große Keule ausgepackt. Das passierte erst im Laufe des Tages, als er sich bei einem Interview mit der Bild-Redaktion in Rage redete. Er kündete an, am Montag eine Strafanzeige gegen die tageszeitung stellen zu wollen. Das hatte zuvor schon die deutsche Polizeigewerkschaft von Rainer Wendt getan. Nach Seehofers Ankündigung passierte viel nichts, denn alle Termine mit Seehofer wurden für 48 Stunden abgesagt. Die Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes musste verschoben werden. Ist auch unpassend, wenn die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland von 24.100 auf 32.080 gestiegen sind. Wie viele mögen davon in der Polizei oder Bundeswehr sein? Jedenfalls blieb von der Anzeige nichts über als ein Gesprächsangebot mit der Redaktion über die Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses. Die Redaktion möchte es an der Polizeischule Eutin führen, die als "Schule ohne Rassismus" ausgezeichnet wurde. Innenminister Seehofer hat sein Innenministerium vorgeschlagen. Das hat eine schöne Präsenzbibliothek, in der die eine oder andere Ausgabe des Grundgesetzes stehen dürfte. Schließlich kann so ein Minister nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen.

*** Hengameh Yaghoobifarah kann jedenfalls weiter ihre Rufe vom Rande fortsetzen und sich am ausgrenzenden deutschen Heimatbegriff abarbeiten. Für die philippinische Journalistin Maria Ressa sieht das anders aus. Ein 2012 geschriebener Artikel von ihr und ihrem Rechercheur Reynaldo Santos wurde als "Neuveröffentlichung" gewertet, nachdem ein Wort auf der Website des "Rappler" verändert wurde. So konnte sie mithilfe eines 2017 erlassenen Gesetzes über Cyberkriminalität verurteilt werden, ein rückwirkendes Vorgehen, das zuvor von einem Gericht untersagt wurde. Es zeigt, wie fragil die Pressefreiheit in anderen Ländern ist – zumal niemand weiß, wer das Wort geändert hat. Nun wartet Ressa auf ihre Berufungsverhandlung und arbeitet in einer Arbeitsgruppe gegen Desinformation beim neu gegründeten Forum für Information und Demokratie. Ob das Schutz genug ist, wird sich zeigen müssen.

Fast alle der von einer AI geschriebenen Sätze sind besser als der neue deutsche Leitsatz zur deutschen Ratspräsidentschaft. "Europa wieder stark machen". Es klingt, als habe man dem Trump sein MAGA kopiert und mit der Punkt-Marotte unserer Soldaten von "Wir. Dienen. Deutschland" verschnitten. Nun also "Gemeinsam. Europa wieder stark machen." Was wird gemeinsam gemacht? Na, mit einem Rechtsakt sollen gemeinsame europäische Datenräume geschaffen werden, eine große Daten-Wohngemeinschaft, in der es locker hergeht und Deutschland ganz vorneweg stürmt: "Wir möchten die durch die Europäische Datenstrategie angestoßene Diskussion zu Regeln und Leitlinien für die Governance gemeinsamer europäischer Datenräume voranbringen. Zudem wollen wir die Debatte um angemessene Nutzung hochwertiger Datensätze für digitale Dienste fortsetzen. Um zukünftige EU-weite Gesundheitskrisen noch besser bewältigen zu können, werden wir daran arbeiten, den europaweiten Zugang zu und Austausch von gesundheitsbezogenen Daten zu verbessern. Wir wollen Weichen für einen transparenten und rechtssicheren europäischen Gesundheitsdatenraum stellen und unter Nutzung von Ratsschlussfolgerungen die Erarbeitung eines 'Code of Conduct' zur datenschutzkonformen Nutzung von Gesundheitsdaten anstoßen."

Klingt nobel, ist aber weit, weit weg von der schnöden Wirklichkeit. Mal eben wegen Corona das Wort Gesundheitskrise und die schicke Floskel vom europaweiten Austausch von Gesundheitsdaten einfügen, damit ist es nicht getan. Und ein "Code of Conduct" hilft wenig, wenn ein Rechenzentrum den Zertifikats-Code verbummelt. Hier sei daran erinnert, dass mit dem 1. Juli nicht nur die deutsche Ratspräsidentschaft beginnt, sondern mit dem 30. Juni auch das Abrechnungsquartal der deutschen Ärzte endet und immer noch nicht alle Praxen wieder an die telematische Infrastruktur angeschlossen sind, wie dieser Überblick über die aktuelle DNSSEC-Panne zeigt. Aber Europa, wir können's besser.

In der kommenden Woche beginnt nicht nur die deutsche Ratspräsidentschaft. Mit den Sommerferien ist es auch Zeit für das Sommerrätsel dieser kleinen Wochenschau. Sie startet mit einem Spezialfall der Weichware, nicht mit den Frauen und Männern, die die Computerei, die Informatik und die Maschinenanhänglichkeit prägten, sondern mit ihren Denkmälern. Das scheint nötig zu sein in einer Zeit der Denkmalitis, definiert als "hochentzündliche Erkrankung des Erinnerungsvermögens". Der Ikonoklasmus ist deshalb so ansteckend, weil bei vielen Denkmälern die wenigsten wissen, wer da eigentlich steht. Lettow-Vorbeck ist längst aus der deutschen Geschichte verschwunden, der Löwe von Afrika brüllt nicht mehr.

Selbst beim großen Aufklärer Kant wackeln Stiefel und Spazierstock, weil er im Sinne des Lamarckismus von unterschiedlichen Rassen sprach, die sich unter besonderen klimatischen Bedingungen entwickeln können. Dabei verstand er Rasse anders als die heutigen Rassisten und identitätspolitischen Verfechter, die da postulieren, dass es "eine Nichtbetroffenheit von der Betroffenheit der anderen" in unserer Gesellschaft nicht geben kann. Kant schrieb dagegen: "Es gibt keine verschiedenen Arten von Menschen. Dadurch würde die Einheit des Stammes, woraus sie hätten entspringen können, abgeleugnet."

So stellen wir uns im Sommerrätsel den Denkmälern der Informatik und Rechentechnik, die in der ganzen Welt verstreut sind. Einigen von ihnen wird die Regenbogen-Fahne umgehängt, andere bekommen regelmäßig Blumen. Wieder andere Personen werden mit den Werkzeugen gezeigt, mit denen sie angeblich weltberühmt wurden, wie das unten gezeigte Foto eines Denkmals zeigt. Wer ist der oder die Gesuchte?

Mehr Denkmäler, gestürzt oder nicht, dann demnächst.

(jk)