Nach Überwachungs-Urteil: "BND muss handlungsfähig sein und bleiben"

Der BND will aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Massenüberwachung möglicherweise schon vor Ablauf der Schonfrist Konsequenzen ziehen.

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Nach Karlsruher Urteil: "BND muss handlungsfähig sein und bleiben"

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Über einen Monat, nachdem das Bundesverfassungsgericht die anlasslose Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes (BND) und noch weitere einschlägige Praktiken als Verstoß gegen das Grundgesetz wertete, ist der Auslandsgeheimdienst noch mit der Analyse des Urteils beschäftigt. Man sei nach wie vor dabei, den Richterspruch "unter Hochdruck" auszuwerten und dessen "gesetzgeberische Folgen zu identifizieren", erklärte BND-Präsident Bruno Kahl bei der jährlichen öffentlichen Anhörung der Chefs der deutschen Nachrichtendienste am Montag im Bundestag.

Als Prämisse für die erforderlichen Schritte gab Kahl aus: "Der BND muss handlungsfähig sein und bleiben." Es sei ihm aber auch sehr daran gelegen, "auf rechtlich sicherem Grund" zu handeln. Das Verfassungsgericht habe das Terrain nun neu bemessen, sodass die Agenten künftig etwa bei der umstrittenen "strategischen Fernmeldeüberwachung" die Auslandsgeltung von Artikel 10 Grundgesetz zum Fernmeldegeheimnis berücksichtigen müssten.

Auf den Gesetzgeber sieht der Jurist damit "ambitionierte Aufgaben" zukommen. Der BND sei vor allem auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern wie der NSA "zwingend angewiesen". Diese seien von dem Urteil "alarmiert" gewesen, berichtete der 57-Jährige. Man sei daher sofort Spekulationen entgegengetreten, dass die Verbündeten eine "bewährte Kraft" verlieren könnten, da die Implikationen für Übermittlungen an Dritte "noch nicht genau absehbar" seien. Ein Austausch müsse weiterhin möglich sein, der BND dürfe sich angesichts teils zunehmender Bedrohungen von außen "nicht künstlich blind und taub machen".

"Der BND bezieht einen Großteil Leistungsfähigkeit aus Kooperation mit anderen Diensten", betonte Kahl. Dies beziehe sich auf Bereiche von der Analyse über das Abschöpfen menschlicher Quellen und die Fernmeldeaufklärung bis hin zur Kryptologie. Berichte über einen Geheimdienstverbund Maximator mehrerer EU-Länder, der als Gegenpart zu den anglo-amerikanischen Five-Eyes-Staaten mit den USA und Großbritannien im Zentrum fungieren soll, könne er aber öffentlich nicht kommentieren.

Die Frage nach Übergangsregeln nach der Ansage aus Karlsruhe werde sich der Dienst sehr genau anschauen, versicherte der BND-Chef. Das Verfassungsgericht habe sich bewusst dafür entschieden, dass die Wirkung des Urteils erst am 31. Dezember 2021 eintreten soll. Die Behörde werde ihre einschlägigen Tätigkeiten daher "nicht disruptiv einstellen" und ihre Arbeit grundsätzlich fortführen. Zusammen mit den Kontrollgremien gebe es aber bereits Überlegungen, "in welchen Bereichen wir vorab gewisse Konsequenzen ziehen". Als mögliche Kandidaten nannte Kahl den Schutz von Journalisten oder ein rasches Aus für die Funktionsträgertheorie. Damit bewertet der BND die Stellung deutscher Angehöriger einer internationalen Institution höher als den Schutz ihrer Privatsphäre.

(olb)