Nazis auf dem Mond

Eine Reise in den Kaninchenbau der Wissenschaftsgeschichte.

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Neulich habe ich mir den zweiten Teil von "Iron Sky" angesehen. Eine wunderbare, aber sehr nerdige Science-Fiction-Satire des finnischen Regisseurs Timo Vuorensola, in der die Nazis mit Hilfe ihrer Reichsflugscheiben tatsächlich den Mond erreicht haben - und sich nun gut 50 Jahre später wieder aufmachen, die Erde zurück zu erobern. Todsicher - man verzeihe mir den kleine Kalauer - gibt es aber auch Menschen, die über diese Sorte von Humor nicht lachen können.

Fun fun fact: Es gibt tatsächlich Denkmäler auf dem Mond, die mit den Nazis zusammenhängen. Wenn man Krater so nennen darf. Zwei dieser Krater - auf der Rückseite des Mondes (!) - sind nämlich nach den Wissenschaftlern Johannes Stark und Philipp Lenard benannt. Lenard hatte für seine Arbeiten über Kathodenstrahlen 1905 den Nobelpreis für Physik bekommen, Stark 1919 für seine Arbeiten über positiv geladene Ionenstrahlen und die Entdeckung der Aufspaltung von Spektrallinien in elektrischen Feldern.

Respektable Forscher also, könnte man meinen. Wäre da nicht der kleine Schönheitsfehler, dass beide sich entschieden für die so genannte Deutsche Physik eingesetzt haben.

An Stelle der speziellen Relativitätstheorie, die beide Forscher strikt ablehnten, wollten sie eine Äther-Theorie setzen. Auch die Quantentheorie galt ihnen als zu mathematisch und theoretisch - und damit Ausdruck "jüdischen Denkens". Doch natürlich ging es dabei nicht nur um eine theoretische Auseinandersetzung: Auch die Protagonisten dieser "undeutschen Wissenschaft" wurden aus dem Wissenschaftsbetrieb entfernt.

All das hätte man zwar wissen können. Im Zuge der Debatte um die Bewertung rassistischer Denkmäler ist die zweifelhafte Krater-Benennung aber jetzt noch mal hochgekocht, denn der Physiker Mario Krenn von der University of Toronto wies die zuständige Internationale Astronomische Union auf die Nazi-Vergangenheit der Forscher hin. Der Journalist Phillip Ball, der ein ganzes Buch zu dem Thema geschrieben hat, unterstützte die Beschwerde, so dass die zuständige Kommission der IAU jetzt empfohlen hat, die Namen zu ändern.

Was ich aber bei dieser Gelegenheit auch gelernt habe: Die Kritik an der Relativitätstheorie gibt es noch immer - fast könnte man sagen, sie ist in Zeiten von Facebook, Twitter und Instagram virulenter denn je. Zum Glück spielt Antisemitismus dabei in der Regel keine große Rolle mehr. Das generelle Misstrauen gegenüber "theoretischen, mathematischen Konstrukten", die "nicht die Realität Wiederspiegeln" spielt dabei aber noch immer eine Rolle. Und auch die Äther-Theorie wird in diesen Kreisen fröhlich ventiliert. Die Vergangenheit wiederholt sich nicht - es sei denn als Farce.

(wst)