E-Privacy-Verordnung: Bundesregierung plädiert für breiten Datenzugriff

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft will die Debatte über den Datenschutz in der elektronischen Kommunikation wiederbeleben und denkt dabei an die Wirtschaft.

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E-Privacy-Verordnung: Bundesregierung plädiert für breiten Datenzugriff

(Bild: Ivan Marc/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung, die Anfang Juli die Präsidentschaft des EU-Ministerrats übernommen hat, treibt die schon für tot erklärte Initiative für eine E-Privacy-Verordnung voran. Mit einem Diskussionsentwurf will sie zunächst die Hauptstreitpunkte rund um Metadaten und Cookies aus dem Weg räumen und so den Weg für eine gemeinsame Linie der Mitgliedsstaaten ebnen. Dabei spricht sie sich prinzipiell für vergleichsweise breite Nutzungsmöglichkeiten von Daten der User für die Wirtschaft aus.

Bei Cookies, die Diensteanbieter Nutzern über den Browser auf die Festplatte krümeln, wirft die deutsche Ratsspitze in dem Papier so etwa die Frage auf, ob der zuletzt von Finnland im Herbst lancierte Kompromissvorschlag für Artikel 8 den angestrebten "hohen Grad an Schutz für die Privatheit der Endanwender" schon ausreichend "mit den legitimen Interessen von Online-Verlegern" ausbalanciere. Dabei dürften die Regierungen auch deren "wichtige Rolle für die Meinungsfreiheit und die Medienvielfalt" nicht aus den Augen verlieren.

Die finnische Initiative ging hier allerdings schon recht weit: Werbefinanzierte Nachrichtenseiten sollte damit auch das webseiten- und geräteübergreifende Tracking der Nutzer ohne deren Einwilligung und ohne weitere Schutzvorkehrungen erlaubt sein.

Keine explizite Zustimmung hatten die Finnen zudem für den Zugriff auf Kapazitäten zum Verarbeiten oder Speichern von Daten des Anwenders bei Geräten im Internet der Dinge für nötig erachtet. Hier will Deutschland nun nur wissen, ob es dazu etwa im Bereich des vernetzten und automatisierten Fahrens oder im Gesundheitssektor noch Diskussionsbedarf und Änderungsvorschläge gebe.

Im Kern bleibt der deutsche Entwurf auch beim finnischen Vorschlag für Artikel 6 zu Metainformationen. So sollen Standortdaten für Forschungs- und Statistikzwecke verarbeitet werden dürfen, wenn sie zumindest pseudonymisiert und nach Zweckerfüllung anonymisiert oder gelöscht werden. Eine Profilbildung müsse ausgeschlossen sein. Schon jetzt geben Mobilfunkanbieter Bewegungsdaten in diesem Sinne etwa für Big-Data-Analysen zum Messen der Wirkungen von Vorgaben für den Corona-Lockdown frei. Bestimmungen für andere Metadaten sollen die Mitgliedsstaaten selbst festlegen können.

Standortdaten sollen laut dem Dokument ferner genutzt werden können, wenn sie nötig sind, "um die vitalen Interessen des Endnutzers oder einer anderen natürlichen Person zu schützen". In einem Erwägungsgrund will die Bundesregierung dazu ausgeführt wissen, dass es dabei etwa um eine Verarbeitung für "humanitäre Zwecke einschließlich der Überwachung von Epidemien und ihrer Ausbreitung" gehen soll. Auch Einsätze bei humanitären Notfällen wie natürlichen oder menschengemachten Katastrophen soll so beflügelt werden.

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Den Knackpunkt, ob Mitgliedsstaaten eine Vorratsdatenspeicherung etwa für den Kampf gegen die Verbreitung sexueller Missbrauchsbilder gesetzlich vorschreiben können sollen, will die Präsidentschaft zunächst ausklammern. Sie geht aber von einem "allgemeinen Verständnis unter den Mitgliedsstaaten aus, dass die E-Privacy-Verordnung effektive und gut etablierte Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und potenziell gegen andere schwere illegale Aktivitäten wie vor allem Terrorismus nicht verhindern sollte".

Zu dem vom EU-Parlament vorgesehenen Artikel 10 für den Do-not-track-Mechanismus bei Browsern äußert sich Deutschland nicht, die Arbeit an dieser und anderer Klausel soll nach der nun gestarteten neuen Orientierungsrunde im Herbst fortgesetzt werden. Im Dezember hatten Ratsvertreter die schon seit Jahren umstrittene Reform der bestehenden E-Privacy-Richtlinie zunächst als gescheitert betrachtet. Die im ersten Halbjahr amtierende kroatische Präsidentschaft hatte im März versucht, mit einem eigenen Papier die Initiative wieder voranzutreiben, war damit aber nicht weit gekommen. Die Bundesregierung bezieht sich zwar formal auf das Papier der Kroaten, setzt sich aber im Kern inhaltlich vor allem mit der vorherigen finnischen Initiative auseinander.

[Update 10.07.2020 – 11:45 Uhr] Ursprünglich hieß es in der Meldung, die kroatische Ratspräsidentschaft hätten den Entwurf nicht angerührt. Das stimmt nicht und wurde korrigiert.

(mho)