Studie: Pariser Klimaziele ohne überbordende soziale Kosten erreichbar

Forscher haben das ökonomische Klimaschutzmodell von William Nordhaus aktualisiert. Der optimale Preis für Kohlendioxid liegt demnach bei 82 Dollar pro Tonne.

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Studie: Pariser Klimaziele ohne überbordende soziale Kosten erreichbar

(Bild: ustas7777777/Shutterstock.com)

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Die Temperaturziele des Pariser Klimaabkommens sind auch aus Perspektive einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analyse geradezu optimal, wenn man aktuelle Aspekte der intergenerationellen Gerechtigkeit und neue Berechnungen der materiellen Auswirkungen der Klimakrise einbezieht. Zu diesem Schluss kommt ein Team von Forschern aus Deutschland, Schweden, Norwegen und Großbritannien in einer am Montag im Journal "Nature Climate Change" veröffentlichten Studie.

Das Übereinkommen von Paris sieht vor, die globale Erwärmung auf einen Wert zwischen 1,5 und maximal zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Der Nobelpreisträger William Nordhaus versuchte erstmals 1992 mit dem einflussreichen integrierten Analysemodell DICE (Dynamic Integrated Climate-Economy) zu berechnen, dass diese Vorgabe "ökonomisch suboptimal" und aufgrund hoher sozialer Kosten kaum erreichbar sei. Laut dem US-Wirtschaftswissenschaftler kann demnach erst bei einer globalen Erwärmung von 3,5 Grad Celsius bis 2100 ein "Kosten-Nutzen-Optimum" zwischen ökonomischen Ausgaben für Maßnahmen gegen den Klimawandel und den zu erwartenden Schäden aus diesem erreicht werden.

Die europäischen Forscher haben nun verschiedene Parameter und Funktionen des DICE-Modells modifiziert, da diese nicht mehr dem aktuellen Stand der Klimawissenschaft entsprechen. So haben die Autoren etwa ein anderes Modul für die Simulation des CO2-Kreislaufs verwendet. Sie berechnen zudem die vom Klimawandel verursachten Schaden anders. Ferner haben sie die durch sogenannte Social Discount Rates (SDRs) repräsentierten Werte zum generationsübergreifenden Wohlstand angepasst. Dabei geht es um die Frage, welche ethischen aber auch ökonomischen Entscheidungen getroffen werden sollten, wenn es um den Transfer von Wohlstand zwischen Generationen geht.

Da diese SDRs mit einer Präferenz für Klimaschutzkosten verbunden sind, die heute als akzeptabel gelten, zugunsten dem Überleben künftiger Generationen oft subjektiv sind, haben die Wissenschaftler hier die Vorgaben im ursprünglichen Modell durch einen auf zwei verschiedene Weisen generierten Median von Meinungen aus einer Umfrage unter 173 Experten ersetzt.

Die "soziale Abschlagsrate" ist eine der entscheidenden Variablen des ergänzten Verfahrens. Sie gibt an, zu wie viel Verzicht die Menschen heute bereit sind, um eine bessere Zukunft für sich selbst und vor allem für ihre Kinder und Enkel zu sichern. Die neue SDR schätzt auf Basis der Expertenmeinungen das Wohlergehen künftiger Generationen höher ein. Dies führt auch zur Annahme eines geringeren Temperaturziels, da in DICE nun berücksichtigt wird, dass die Gesellschaft weniger künftige Schäden durch die Klimaerwärmung toleriert.

Der überarbeitete Mechanismus zeigt den Forschern zufolge so, dass die in der ökonomischen Abwägung der sozialen Kosten optimale Erderwärmung bis 2100 ungefähr zwischen 1,5 und 1,8 Grad Celsius liegen sollte. Eine Spanne, die mit den Pariser Klimazielen genau kompatibel ist.

In der deutschen Wissenschaftsgemeinde kommt die Analyse überwiegend gut an. Ulrike Kornek vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin misst der Publikation eine "große Bedeutung für die Klimadebatte" zu. Die Verfasser zeigten, "dass sich ambitionierter Klimaschutz lohnt, wenn die vermiedenen Klimaschäden gegen die Kosten von Klimaschutz gegengerechnet werden". Auch für Deutschland könne das Papier wegweisend sein. Laut den darin enthaltenen neuesten Erkenntnissen "liegt der optimale CO2-Preis bei über 80 US-Dollar pro Tonne". Der hierzulande mit dem Klimapaket vorgesehene Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne sei so viel zu wenig.

"Das ist eine sehr relevante Studie, die zeigt, dass auch aus ökonomischer Sicht das 2-Grad-Ziel erreicht werden muss", konstatiert Christian Franzke von der School of Engineering and Science an der Jacobs University Bremen. Ansonsten würden die wirtschaftlichen Schäden durch die Klimaerwärmung größer als die Anpassungskosten. Der Forscher warnt aber zugleich: "Mit den derzeitigen geplanten nationalen Emissionseinsparungen werden wir das 2-Grad-Ziel nicht erreichen und steuern auf eine globale Erwärmung von 2,6 bis 3,1 Grad zu" mit entsprechend höheren ökonomischen Auswirkungen.

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Dass das Team irreversible, extreme Schäden wie etwa Ökosystemverluste allenfalls in einer Simulation im Anhang berücksichtigt habe, bemängelt Reimund Schwarze vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Er stellt zudem klar, dass Nordhaus selbst mittlerweile auf ein schnelleres Handeln der internationalen Politik dränge, sogar einen CO2-Preis in Höhe von 275 Dollar je Tonne für 2020 gefordert habe und so über sein früheres Modell weit hinausgehe. Auch die aktualisierte DICE-Variante könne so kein Leitprinzip für die Politik sein. Für das umweltökonomische Denken sei das Modell aber nach wie vor wichtig, sodass der Aufsatz "wichtig und gut" sei.

(olb)