Ableben mit Ansage

Ohne Updates und Cloud-Anbindung werden viele Geräte zu Elektroschrott. Die EU will dagegen vorgehen, doch drei Probleme bleiben.

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Mit dürren Worten kündigte der Hardware-Hersteller Belkin seinen Kunden Ende Mai an, dass sich ihre Überwachungskameras bald in Elektroschrott verwandeln werden: „Wemo NetCam-Produkte werden am 30. Juni 2020 auslaufen, da die Video-Service-Plattform, die wir zur Unterstützung dieser Produkte verwenden, abgeschaltet wird.“ Und „leider“ würden die Kameras auch nicht mit anderer Software funktionieren. Immerhin: Für ­Geräte, die noch der Garantie unterliegen, gibt es Geld zurück.

Dass funktionierende Hardware wegen fehlender Cloud-Dienste unbrauchbar wird, ist kein Einzelfall. Der kleine Spielzeugroboter Jibo etwa gab 2019 den Geist auf, als sein crowdfinanzierter Hersteller von einem Investor übernommen wurde, der die Server abstellte. Auch für die Smart-Home-Hubs von Revolv, beworben mit dem Versprechen eines „lebenslangen“ Supports, bedeutete eine Übernahme – in diesem Fall durch die Google-Tochter Nest – das Ende. Ähnlich erging es den Käufern der „Cone“-Lautsprecher von Aether, der „VueZone“-Überwachungskameras von NetGear und der „Band“-Fitnesstracker von Microsoft. Die Liste ließe sich noch lange fortführen. Von den vielen Smartphones, die wegen fehlender Updates in der Tonne landen, ganz zu schweigen.

Das Problem wird umso gravierender, je mehr Geräte auf die Cloud angewiesen sind, und je stärker sie ins tägliche ­Leben eingreifen. Beim Internet der Dinge (IoT) bündeln sich diese beiden Tendenzen. „Alle Ihre IoT-Geräte sind dem ­Untergang geweiht“, titelt das Online-Magazin ZDNet. Das heißt: Nutzer müssen nicht nur damit rechnen, viel Geld und Zeit in den Sand zu setzen, sondern auch damit, dass ihre Thermostate oder Rauchmelder in den unpassendsten Momenten streiken. Die Sache geht also weit über die reine Rohstoffverschwendung hinaus.

Was lässt sich dagegen unternehmen? Einige Ideen hat die EU-Kommission im März mit dem „Circular Economy Action Plan“ vorgestellt. Unter anderem will die Kommission für Smartphones, Tablets und Laptops eine längere Update-Versorgung durchsetzen. Die Details sind noch offen, aber die Ökodesign-Richtlinie für Displays, die 2021 in Kraft treten soll, gibt die Richtung vor. Danach müssen Firmware- und Sicherheitsupdates noch acht Jahre nach Ende des Verkaufs „kostenlos oder zu fairen, transparenten und nichtdiskriminierenden Kosten“ bereit­gestellt werden. Zudem müssen die Käufer vorab über die „garantierten Software- und Firmware-Aktualisierungen“ ­informiert werden.

Das geht in die richtige Richtung. Doch drei Probleme bleiben: Erstens erweiterte die EU ihre Ökodesign-Richtlinie bisher immer nur scheibchenweise um neue Gerätegattungen. Bei diesem Tempo kann es Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis auch die letzte IoT-Komponente erfasst ist. Sinnvoller wäre eine Richtlinie für sämtliche Geräte, die ohne bestimmte Software-Updates oder Cloud-Dienste nicht mehr funktionieren.

Zweitens ist im „Action Plan“ der EU nur die Rede von Firmware- und Sicherheitsupdates. Cloud-Dienste gehören streng genommen nicht dazu. Das eröffnet viele juristische Schlupflöcher.

Drittens gehen die bisherigen Gedanken der EU immer davon aus, dass es überhaupt einen Hersteller gibt, von dem sie Updates einfordern kann. Aber was ist, wenn er pleite ist oder nicht greifbar? Dann nutzen Verpflichtungen, die erst nach Ende der Produktion greifen, nicht mehr. Deshalb sollten Anbieter ihren Quellcode und ihre Schnittstellen schon bei der Markteinführung offenlegen. Der Schutz geistigen ­Eigentums ist kein Gegenargument: Zur Not können die Daten ja auch bei einem Notar hinterlegt werden, der sie nur beim Ableben des Anbieters veröffentlicht. Zudem sollten sich zumindest die Basisfunktionen der IoT-Geräte auch ohne Cloud-Anbindung regeln lassen, etwa über einen guten alten Drehschalter.

(bsc)