Berliner Flughafen BER: der erste große Test, 3188 Tage nach geplantem Start

Der BER hat den ersten öffentlichen Probeablauf gestartet, um Infrastruktur und Personal auf den Start vorzubereiten. heise online war dabei.

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Erster Probelauf im Flughafen BER: Noch nicht fertig, aber es wird

(Bild: Matthias Proske / heise online)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Matthias Proske
Inhaltsverzeichnis

Dienstagmorgen, 21. Juli 2020. Es geht auf zum Flughafen. Nicht irgendein Flughafen und auch nicht mit dem Ziel, in den Sommerurlaub zu fliegen, sondern zum BER vor den Toren Berlins, der seinen ersten großen Test mit etwa 450 Freiwilligen hat. Oder im BER-Sprech: ORAT (Operational Readiness and Airport Transfer).

Auch wenn der neue Flughafen für Berlin und Brandenburg einen unterirdischen Bahnhof mit vier Regional- und Fernbahn- sowie zwei S-Bahn-Gleisen besitzt, heißt es für die Tester heute noch: Endstation Flughafen Schönefeld (SXF). Weiter geht es mit einem eigens eingerichteten Bus-Shuttle im 10-Minuten-Takt. Ab Ende Oktober sollen stündlich sechs S-Bahnen, drei Regionallinien und zwei Flughafen-Express-Züge (FEX) am BER Halt machen, sowie diverse Buslinien und alle zwei Stunden ein Intercity.

Ausblick aus dem Hauptpier auf das Vorfeld B und den BER-Tower.

(Bild: Matthias Proske / heise online)

Bis 2025 soll das Angebot um weitere circa 50 Prozent ausgebaut werden. Sollte der Flugverkehr schnell zum Vor-Corona-Niveau zurückfinden, scheint dies auch bitter nötig: Die "Flughafen-Autobahn" A113 gilt im Berufsverkehr als Dauerstau- und Baustelle.

Doch am heutigen Test ist nicht nur die Anreise anders, auch beginnt der Testtag am Ausgang, genauer in der Gepäckausgabe. Nach erfolgter Registrierung werden Lunch-Pakete und die Aufgaben verteilt, die jeder Teilnehmer zu erfüllen hat. Der Autor dieser Zeilen kommt in die Gruppe "Bravo", fliegt als "Enie Cremer" mit Eurowings-Flug EW9981 nach Düsseldorf und landet aus Köln-Bonn kommend anschließend wieder am BER.

"Enie" hat laut Aufgabe kein zusätzliches Handgepäck, aber einen Koffer. Hier enden bereits die konkreten Vorgaben der Flughafenleitung, denn der Rest soll so zufällig und damit auch chaotisch wie im realen Flughafenalltag ablaufen. Koffer oder Sporttasche, groß oder klein, leicht oder schwer: Es gibt keine Vorgaben, nur eine lange Reihe an Testgepäck. Einige Testpassagiere erhalten zusätzlich "Ereigniskarten", die unter anderem Priority Boarding, verlorene Bordkarten, Sperrgepäck und Gefahrgüter im Handgepäck enthalten können.

Verteilerebene zwischen Bahnhof und Terminal 1. Hier scheinen noch Monitore oder Automaten installiert zu werden.

(Bild: Matthias Proske / heise online)

Bevor der Check-in und damit der eigentliche Test beginnt, heißt es noch kurz warten. Zeit genug, um das Flughafen-WLAN des BER in der Zwischenebene zum Bahnhof zu testen. Positiv: Keine Registrierung oder E-Mail-Adresse wird verlangt, wie andernorts immer noch häufig anzutreffen. Mit je etwa 10 MBit/s Down- und Upload fällt die Geschwindigkeit mittelmäßig aus, reicht aber zumindest für Videostreams. Telefónicas LTE-Netz schaffte es unter der Erde auf solide 140 MBit/s im Download (Huawei Mate 20 Pro). In beiden Fällen mit etwa 450 Testern und einigen hundert Flughafenmitarbeitern.

Um Punkt 11 Uhr beginnt der Test. Das heißt, rund 450 Personen strömen zeitgleich zu Aufzügen, Rolltreppen und Treppen, die hinauf ins Hauptterminal führen. Vergleichbar mit einer vollbesetzten S- oder Regionalbahn, die im Bahnhof eintrifft. Die sechs eher schmalen Aufzüge entpuppten sich dabei schnell als erster Flaschenhals.

Das Hauptterminal samt Anbau aka Pavillon wirken, trotz der langjährigen Verzögerung, modern: Aufwendige Kunstinstallation an der Decke, viel Tageslicht dank großer Fensterflächen und vor allem Holzverkleidungen dominieren den Innenraum. Aufgrund der langen Bauverzögerung mussten 2018 bereits hunderte Monitore ausgetauscht werden – immerhin gegen aktuelle Technik mit schmalen Display-Rahmen.

Aufgrund der jahrelangen Verzögerung sind im BER teils schon neue Displays angebracht, die mit schmalen Bildschirmrahmen einiges hermachen.

(Bild: Matthias Proske / heise online)

Eurowings wird heute an der Check-in-Insel 2 abgefertigt, keine Minute Fußmarsch vom Ausgang des Bahnhofs entfernt. Danach ist Geduld gefragt, denn auch das Personal von Airlines und Bodendienstleistern trainiert mit und noch läuft nicht alles rund. Mit etwa 10 bis 15 Minuten Verspätung startet der Check-in für mehrere Eurowings-Testflüge – an heute nur drei besetzten Schaltern mit überdurchschnittlich viel Sperrgepäck in der Warteschlange. Künstlich leicht macht es sich das BER-Team am ersten Tag nicht.

Check-in-Insel der Lufthansa im Hauptterminal.

(Bild: Matthias Proske / heise online)

"Enie" steht zum Glück weit vorn und erreicht Sicherheitslinie 1 mit noch wenigen Passagieren vor sich. Eine Testpassagierin hat sich, zur Erheiterung anderer Wartender und des Sicherheitspersonals, mehrere Flaschen Bier als Tagesverpflegung mitgenommen. Ein Flughafentest unter Realbedingungen heißt in diesem Fall aber: keine Chance, Flüssigkeiten im Handgepäck sind untersagt. Angesichts der besonderen Umstände gibt es immerhin das Angebot, die Flaschen am Ende des Tests wieder abzuholen. Und für alle Tester sind nach der Sicherheitskontrolle mehrere Verpflegungsstände mit Getränken aufgebaut. Alkoholfrei.

Die ersten Minuten zeigen, dass sich am BER eines nicht ändert: das Personal. Der "besondere" Humor und die direkte Art sind schon heute in Tegel und Schönefeld anzutreffen. Ein schnippischer Zuruf unter Kollegen, ein kleiner Scherz oder Plausch mit Passagieren sind immer möglich, wenn die Lage nicht zu hektisch wird.

Am Ende der Sicherheitskontrolle ein neuer Flaschenhals: Nur vier bis fünf Passagiere können sich hinter jedem Röntgenscanner aufreihen, Gürtel und Uhren anlegen, Notebooks oder Tablets wieder im Gepäck verstauen und alles, was sonst gerne mal ein, zwei Minuten dauert. Tische in der Nähe gibt es nicht. Tester machen sich Notizen und auch das Personal aus der Sicherheitskontrolle will es in der Nachbesprechung anbringen.