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Was war. Was wird. Mit Gedanken zum Zustand der deutschen Sprache.

Ausgemachter Schwachsinn. Genau, auch dies kann in der deutschen Sprache sehr wohlfeil präsentiert werden, wundert sich Hal Faber überhaupt nicht.

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Was war. Was wird. Mit Gedanken zum Zustand der deutschen Sprache.

Ein Denkmal! Und möglicherweise völlig unverfänglich: Denken sollte ja zum Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit führen. Oops. Das war nun wieder Kant. Es ist aber auch ein Kreuz. Ooops. Schon wieder ein seltsames Symbol. Und wer weiß, Rodin, tja ...

(Bild: Hung Chung Chih / Shutterstock.com, Skulptur: Auguste Rodin, Der Denker)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** "Person. Frau. Mann. Kamera. Fernsehen". Nur nichts durcheinanderbringen, sonst fällt man damit auf die Schnauze, wie die Schweizer schreiben. Die haben bekanntlich eigene Erfahrungen mit bestimmten Trumps, dem sie im Winkelried-Stil begegneten.

Wobei dies in Schweizer Fichen dokumentiert ist, während niemand weiß, was Donald Trump sich beim Demenz-Test wirklich merken musste. "Person. Frau. Mann. Kamera. Fernsehen" ist eine Aufzählung, die sich Donald Trumps Berater eigens für das Interview ausgedacht haben mögen. Sicher wird es nicht "Frau, Corona, Mann, Coronas, Kamera" gewesen sein, mit 4 Millionen Infizierten in den USA und Bürgern, die daran zweifeln, dass dieser Trump etwas auf die Kette bekommt. Interessant, dass bereits über die UN-Resolution "Responsibility to Protect" (R2P) diskutiert wird. Diese UN-Resolution gibt den Vereinten Nationen das Recht, die nationale Souveränität eines Staates zu missachten, wenn dieser nicht in der Lage ist, einer Pandemie mit vielen Toten Einhalt zu gebieten. Sicher wird das nicht im Fall der USA passieren, aber die Tatsache, dass überhaupt R2P angedacht wird, ist ein schwerer Schlag für das US-amerikanische Selbstbewusstsein. Sind 130.000 Tote bereits ein großflächiger Verlust an Leben, wie es die UN-Resolution definiert? Eingriffe in die Souveränität der an der Pandemie scheiternden USA gibt es bereits im Fall der Indianerstämme, die von Ärzte ohne Grenzen betreut werden.

*** Womit nach all den Sommerrätseln die große, fröhliche Sommer-Denkmal-Umsturz-Debatte weitergehen kann. Immer noch wird über Immanuel Kant diskutiert, der sich in seinen Vorlesungen zur philosophischen Anthropologie höchst abfällig über die "Race der Neger" ausgelassen hat. Auch von den Indianerstämmen hielt er nicht viel: "Das Volk der Amerikaner nimmt keine Bildung an. Es hat keine Triebfedern, denn es fehlen ihm Affect und Leidenschaft. Sie sind nicht verliebt, daher sind sie auch nicht fruchtbar. Sie sprechen fast gar nichts, liebkosen einander nicht, sorgen auch für nichts, und sind faul." Dennoch ist Kant ein großer Aufklärer, der die Menschen ermahnte, den eigenen Verstand zu benutzen. Wer das macht, wird schnell bemerken, welchen Unsinn Kant über Indianer von sich gegeben hat. Ein weiterer scheinbarer Maluspunkt gegen den Philosophen aus Königsberg wird mit der Aussage aufgezählt, dass der Schreibtischtäter und SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in seinem Prozess auf Kant und eine von ihm angeblich formulierte "Pflicht zum Gehorsam" berufen hatte. Was ein perfider Unsinn ist, denn Kant schrieb über Religion und Vernunft gegen den Kadavergehorsam: "Der Satz 'man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen' bedeutet nur, daß, wenn die letzten etwas gebieten, was an sich böse (dem Sittengesetz unmittelbar zuwider) ist, ihnen nicht gehorcht werden darf und soll." Auf diesen Satz bezog sich die Prozessbeobachterin Hannah Arendt 1964 in einem Radio-Interview, als sie nach der Behauptung Eichmanns über die Pflicht angesprochen wurde: "Ja. Natürlich eine Unverschämtheit, nicht? Von Herrn Eichmann. Kants ganze Moral läuft doch darauf hinaus, dass jeder Mensch bei jeder Handlung sich selbst überlegen muss, ob die Maxime seines Handelns zum allgemeinen Gesetz werden kann. … Es ist ja gerade sozusagen das extrem Umgekehrte des Gehorsams! Jeder ist Gesetzgeber. Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen bei Kant." Bekanntlich wird dieser Satz von Arendt um Kant verkürzt zitiert und klingt dann ohne den Kontext ziemlich schräg: "Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen". Kein rauchendes Denkmal für Arendt, kein Denkmal für den Spazierer Kant? Die Lösung hat Ilja Trojanow gefunden, basierend auf Open Source: 3D-Druck-Denkmäler für alle! Begleitet von einer fortgesetzten demokratischen Debatte über die ausgedruckten Personen. "Wer widerspricht und zu überzeugen vermag, der darf seinen Vorschlag in der nächsten Denkmalssaison verwirklichen." Vielleicht wie in Heidenheim.

*** Die Demokratie, die wir haben, könnte von einer KI ausgedacht sein, wie sie Augustus Intelligence im höchsten Verschwiegenheitsmodus wortreich erklärend angeblich entwickelt. Alles korrekt, alles paletti, auch im Fall des Junior-Lobbyisten Philipp Amthor, über den die Staatsanwaltschaft Berlin urteilt: "Die Tätigkeit des Abgeordneten für das Start-up-Unternehmen beschränkte sich auf die Nutzung des Kontaktes zum Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit dem Ziel der Unterstützung des Unternehmens." Soso. Und was macht dann bitte Verkehrsminister Andreas Scheuer in der WhatsApp-Gruppe mit den Leuten von Augustus Intelligence? Einen weiteren miesen Deal wie die Pkw-Maut aushandeln? Eine Call-Center-KI für das notorisch schlecht erreichbare Verkehrsministerium einkaufen? Eine KI so zu programmieren, dass keine Mail mehr verloren gehen kann? Bricht da jemand die Omerta? Aber nicht doch. Bleiben wir im Deutschen und sprechen von Kontaktpflegeschmiermittel. Philipp Amthor hat jedenfalls seine Lektion gelernt.

*** Die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache. Man denke nur an das ehrliche Wort vom "Mietmaul" für den Lobbyisten und die "Käuflichkeit" für Korruption. Oder bleiben wir in der IT und denken an "Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung", kurz SAP genannt. Diese deutsche Vorzeigefirma wurde von Klaus Tschira mitgegründet. Nun ist es die millionenschwere Klaus Tschira Stiftung, die in Mannheim ein Museum für die deutsche Sprache bauen wird. Vor der Tat steht noch ein Architekten-Wettbewerb auf der Tagesordnung. Wie kann ein weltoffenes Museum für eine weltoffene Sprache aussehen und nicht ein Bau werden, vor dem die deutsche Rechte Kränze niederlegt für das "Bewahren der deutschen Sprache als Zentrum unserer Identität"?

*** Ein Beispiel lebendiger Sprachnutzung bietet die Auseinandersetzung der Grünen-Politikerin Helga Trüpel über das Pro und Contra Uploadfilter mit Julia Reda, Kolumnistin von "Edit Policy" und Fellow der Shuttleworth Foundation. Das Ganze findet auf Deutsch statt – mit einem fehlerhaften Zitat von Kant, aber mit zentralen Kampf-Begriffen in der englischen Sprache. Trüpel erklärt in ihrem Einsatz für die Verlegerrechte und Verwerterindustrie ihre Kontrahentin umstandslos zur Lobbyistin der Shuttleworth-Foundation und zu einer verkappten Libertärin. In ihrem Artikel Europa muss digital souverän werden diskreditiert Trüpel den Begriff "Free Flow of Information", der von der UNESCO-Kommission unter Seán MacBride geprägt wurde, sondern spricht sich für "embedded freedom" und "embedded liberalism" aus, die das Gebot der Stunde sein sollen. Alles eingebettet bei den europäischen Verlegern – wer fühlt sich da nicht an den "embedded journalism" erinnert, mit dem Journalisten an der Seite der US-Armee in den Irak-Krieg zogen? Vielleicht kann hier einmal mehr die deutsche Sprache helfen, souveräne Gedanken zur europäischen Souveränität zu formulieren. Dann wäre da noch "der Schlachtruf der Internetaktivisten, man solle das Netz nur als Werbung nehmen und das Geld in der analogen Welt verdienen, nicht aber im Netz": auf so einen Schlacht-Schwachsinn muss man erst einmal kommen.

Wer in die Zukunft blickt, schaut auch in die Vergangenheit. Vor 75 Jahren fand die "Operation Terminal" statt: Amerikaner, Briten und Russen berieten auf der "Potsdamer Konferenz" über die Zukunft der Welt und die Teilung von Deutschland. Heute vor 75 Jahren erreichten US-Präsident Harry Truman die Berichte vom erfolgreichen Test der Atombombe Trinity beim Projekt Manhattan. Fortan war Truman, der Stalin zum Kriegseintritt gegen Japan bewegen wollte, in einer besseren Verhandlungsposition. Mit dem Einsatz von Atombomben würde der Krieg in Asien schnell beendet sein, so das Kalkül.

In bester Geber-Laune ließ Truman bei der Festlegung der deutschen Landesgrenzen zu, dass bei der Oder-Neiße-Linie die Lausitzer Neiße und nicht – wie von Stalin ursprünglich vorgeschlagen – die Glatzer Neiße als Ostgrenze genommen wurde. Dies setzte eine der größten Umsiedelungsaktionen der Nachkriegszeit in Gang.

(jk)