Dreinschlag: Test Triumph Rocket 3 R

Der größte reine Serien-Motorradmotor sorgt für ein Erlebnis, das sich schwer in Worte fassen lässt. Triumphs einzigartiger Powercruiser im Einordnungstest

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Dreinschlag: Test Triumph Rocket 3 R
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Tief im Alligatorensumpf der Powercruiser finden sich furchterregende Chimären: Wackelige Motorradrähmchen wuchern aus geschwollenen Automotoren heraus. Diese Monster gelten als die Spitze der Nahrungskette bei Hubraum und Drehmoment im Motorradbereich. Und wenn man nur die Kraft der Motoren als Maßstab anlegt, scheint diese Sortierung sinnvoll. Doch diese Dinger sind weniger stark, als sie aussehen. Sie bringen ihre Kraft nicht durch das Chassis auf den Boden.

Ich bin vor langer Zeit einmal eine Boss Hoss gefahren, mit großem Auto-V8-Motor. "Wennde da 180 schaffst, biste mutig", sagte der Eigner ob des wie Gummi verformenden Fahrgestells. "Oder dumm." Deshalb zeigen sich diese seltenen Mischwesen nur selten in freier Wildbahn, und noch viel seltener fahren sie wirklich einmal irgendwem davon.

Das Interessante an Triumphs Rocket 3 war also nie die reine Motorleistung. Nein, das Wunderbare dieses Motorrads war, dass es vom Konzept an ganz Motorrad blieb: Baut den Motor so groß, wie wir können, aber so, dass es noch wie ein Motorrad fährt! Gebt mir fette Schluffen, aber eine dazu passende Lenkgeometrie! Macht gescheite Bremsen dran! Gebt mir einen Namen, den niemand vergisst! Und dann macht mir dieses Viech handzahm!

Drei Zylinder, 221 Nm Drehmoment. Mutprobe Vollgas

(Bild: Clemens Gleich)

Mein erster Kontakt mit der alten Rocket fand statt, als ich sie von Triumph Deutschland für die Redaktion MO abholte und damit auf die Autobahn fuhr. Der Tacho endete bei 200 km/h. Dieses Ende erreichte der Zeiger mit erschreckender Leichtigkeit. Die Rocket beschleunigte von dort aus jedoch einfach weiter; du wusstest nur nicht mehr, wie schnell du gerade fährst. Ich verglich die Rocket für den Magazinartikel mit Cruiser-Offerten aus Amerika und Japan, doch es war schon von der Autobahnfahrt aus klar, dass es kein mit der Rocket vergleichbares Motorrad gibt. Wenn damals wie heute jemand fragt, wie das ist, für wen das ist, dann gibt es nur eine Antwort: Du musst es einfach einmal ausprobieren. Worte helfen nur dem, der etwas dem Beschriebenen Ähnliches kennt, und wie gesagt: Das gibt es nicht.

All diese Grundlagen blieben in der neuen Rocket 3 R erhalten, nur legte Triumph überall noch mindestens eine Schippe nach.

Zweieinhalb Liter Hubraum hat der das Erlebnis dominierende längs eingebaute Reihendreizylinder nun, mit 221 Nm Spitzen-Drehmoment, auf einem breiten Plateau von 2000 Umdrehungen an. 167 PS Spitzenleistung. Der Tuner holt dir auch 200 aus diesem Klotz. Das aber eher aus Prestige. Versuche einfach einmal, in den ersten zwei Gängen Vollgas zu geben. Der Überlebenstrieb wird starken Einspruch erheben, trotz des theoretischen Wissens um die Schlupfregelung. Oder versuche, den Topspeed zu fahren: Die Rocket legt Schlag um Schlag um Schlag nach. Diese Kraft spielt zusammen mit einem nutzbaren Drehzahlband von etwa 100 Prozent von Leerlaufdrehzahl bis Begrenzer. Das neue Sechsgang-Getriebe ist hauptsächlich zur Stufung der gewünschten Lautstärke da.

Triumph Rocket 3 R Details (15 Bilder)

Zum Liebhaben: Es gibt keine Schmuddelecke an der Rocket.
(Bild: Clemens Gleich)

Triumph betonte von Anfang an, dass die Rocket nun 40 kg leichter sei, als ob das jetzt die wichtige Nachricht wäre bei 320 kg Lebendgewicht. Wichtig ist eher die Ergonomie: Damit dieses Motorrad über einen 150er-Vorderreifen und einen 240er-Hinterreifen sauber ums Eck fährt, muss es den Fahrer so einspannen, dass er das denkt, was viele Tester sagten: "Das fährt ja neutral." Über den Tank gespannt lehnt sich der Oberkörper beim Einlenken fast von selber so weit kurveninnenwärts, dass er das Aufstellmoment der Reifen ausgleicht: Neutralität. Gepaart mit einer gelungenen Lenkgeometrie fährt sich Triumphs massiger Metallhaufen erfreulich einfach – viel besser, als seine optische Wucht vermuten lässt.

Lassen wir einmal alle Connectivity-Spielereien außen vor, der Interessierte liest sie in der Ausstattungsliste nach. Auch das Keyless-System hilft niemandem außer dem Fahrzeugdieb. Was den Cruiserfahrer interessiert: Wie lieb kann ich das haben? Und die Antwort ist: Mehr als eine Harley, wenn du auf Details stehst. Wunderschön gebürstete Bleche auf der Auslassseite, aber genauso schön die Einlassseite, die Laien daher vermuten lässt, hier arbeite ein Sechszylinder. Vielleicht arbeitet Hinckley wirklich am U-Motor für das nächste, noch kränkere Update?