Dreinschlag: Test Triumph Rocket 3 R

Seite 2: R-leben

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Die Beifahrerrasten: versteckt ausklappbar am Heckrahmen. Der Tank: festgehalten von einem Stahlband. Der Seitenständer trägt wie Atlas eine Welt, und wie bei Atlas sollte man nicht zu viel Mitgefühl haben, denn der schafft das schon. Geschläuch: nirgends zu sehen. Triumph macht ganz sicher auch nicht alles richtig oder gar perfekt, aber wenn ich mir danach eine neue Harley anschaue, bin ich enttäuscht bis empört von der Verarbeitung im Vergleich.

Trotz der Singularität des Erlebens drückt die Rocket auf alle emotionalen Knöpfe der traditionellen Powercruiser-Kundschaft. Es geht diesen Menschen um das Erleben der Maschine. Dieses darf, soll das Erleben der Einspur-Dynamik ruhig überstrahlen. Und hier passt alles. Wenn der Starter die Massen in Bewegung setzt, besteht anhand des Gegendrehmoments zur Kurbelwelle kein Zweifel darüber, wie und wo die Kurbelwelle liegt (nämlich längs). Der momentabgestützte Kardanantrieb teilt sich über seine Spielarmut im Vergleich zur Kette mit. Die Gasdynamik lässt sich am Drehgriff von sanft leise brummelnd bis röhrend wie ein Hirsch regulieren, und im Schiebebetrieb macht es "wuarp-wuarp-wuarp" wie ein Star-Wars-Pod-Racer – eine Überlagerung verschiedener Schwingungssysteme.

Ein Mann ringt eine Maschine ins Eck. Rocket Women sind selten. Damen kaufen eher beim Amerikaner.

(Bild: Triumph)

Und dann diese Bremse. Die Rocket 3 verzögert wie ein in den Boden gerammter Tragpfahl. Sie bremst problemlos jedes Superbike aus, weil sie erstens nicht wie ein Superbike in den Stoppie geht und zweitens eine Bremsanlage wie anderthalb Superbikes mitbringt: vorne 320 mm, hinten 300 mm, und damit das auch zischt, dosiert ein automatischer Bremskraftverteiler genau zwischen vorn und hinten, wenn du am Bremshebel ziehst.

Triumph bietet das als R wie getestet an und als GT-Version mit breiterem Lenker, Sissy-Bar, vorverlegten Fußrasten, passendem Sitz und kleinem Windschild. Sonst alles gleich. Das ist jetzt eine Geschmacksfrage, die nichts an den Grundsätzen ändert – ein bisschen wie die Frage, ob du deinen Schlag in die Fresse lieber mit Ketchup oder Senf willst. Die Rocket bleibt eine Rocket.

Im Vordergrund: Rocket GT mit anderer Gestaltung und anderer Ergonomie. Fährt trotzdem auch zu zweit wie ein Uppercut von Mike Tyson.

(Bild: Triumph)

"Die Autobahn ist für Autos, da fahre ich nicht", sagte mir einst ein alter Motorradhase. Doch mit der Rocket 3 kehre ich zurück zum Ersterlebnis Autobahn, indem ich sie auf Achse zu Triumph Deutschland bringe. Aufgespannt wie ein Segel sitzt der Fahrer im Wind, ohne Vergleich kaum merkend, dass der Windschutz gar nicht so schlecht wirkt. Auch hier wieder: Wie viel traust du dich? Die Rocket kann meistens mehr. 222 km/h laut Werk. Auf dem Tacho stehen dann deutlich über 230 km/h. Wie viel mehr genau, kann ich nicht mit Sicherheit versprechen: Noch vor 240 Tacho war es mir genug. Auch so schon beschwerte sich die Halsmuskulatur am nächsten Tag mit anhaltendem Muskelkater.

Wieder daheim schrieb ich nun diesen langen Text. Doch am Ende kann der dir nicht beantworten, warum es die Rocket gibt, wie das so ist. Dazu müsste man wenigstens die alte Rocket kennen. Neulingen bleibt nur: Mut fassen und zum Händler gehen. Versprochen: Es wird ein einschneidendes Erlebnis werden – spätestens, wenn du zum ersten Mal Vollgas gibst.